Øyvind Torseter: Hans sticht in See. Die Irrfahrt und Heimkehr eines mittellosen Burschen auf der Suche nach dem Glück
Übersetzt von Maike Dörries
Gerstenberg Verlag, Hildesheim 2019
160 Seiten, 26 Euro
Chilinüsse und rote Tiefseemonster
Hans ist unbeholfen, lässt sich mehrfach übers Ohr hauen, erlebt dabei allerlei Abenteuer – und das alles in großformatigen, knallbunten Bildfolgen. Die Graphic Novel "Hans sticht in See" von Øyvind Torseter ist vor allem ein Augenschmaus.
Er ist ein sympathischer Zeitgenosse, dieser Hans in dem neuen Kinderbuch "Hans sticht in See": in sich gekehrt und schüchtern, arm wie eine Kirchenmaus und, in aller Zurückhaltung und Unbeholfenheit, zu seinen Mitlebewesen immer freundlich und aufgeschlossen.
Weil das neue Buch des Zeichners und Autors Øyvind Torseter als halb realistische, halb fantastische Graphic Novel daherkommt, sieht Hans nicht aus wie du und ich. Sein Kopf besteht im Wesentlichen aus einer riesigen runden Nase, auf der oben als zwei schwarze Punkte die Augen sitzen.
Hans mit den langen Hasenfüßen läuft stets in einem flatternden Mantel umher, einem Hybrid aus Trenchcoat und Bademantel, was daran liegen mag, dass ihm das nötige Kleingeld für anspruchsvollere Garderobe fehlt. Nach seinem grandiosen (und ziemlich witzigen) Scheitern im Friseurberuf ertränkt Hans seinen Kummer in einer Hafenbar – nicht in Schnaps, sondern in Chilinüssen.
Mutige Wale und frierende Delfine
Dort lernt er auch einen geheimnisvollen Fremden kennen. Der wortkarge Mann – Elefantenrüssel, abgewandter Blick, sperrige Persönlichkeit – sucht einen Gehilfen: Er möchte zu einer Expedition aufbrechen, um das "größte Auge der Welt" aufzutreiben und es seiner Raritätensammlungen einzuverleiben. Der arme Hans fackelt nicht lang und geht für Kost und Logis mit auf Reisen.
Er wird in Küche und auf Deck ordentlich ausgebeutet, lernt mutige Wale und frierende Delfine kennen, verschenkt seinen letzten Norwegerpulli, träumt sich in tiefblaue Meerestiefen, wo Meerjungfrauen mit vier Brüsten, wallendem Haar und Chilinüssen auf ihn warten und muss am Ende mit einem fiesen roten Monster kämpfen, dessen bloßer Anblick selbst der erwachsenen Leserin, ungelogen, einen kalten Schauer über den Rücken jagt.
Große, knallbunte Bilder
"Hans sticht in See" ist ein würdiger Nachfolger für das Jugendbuchpreis-gekrönte Vorgängerwerk "Der siebente Bruder". Erneut verwebt Øyvind Torseter absurden Witz und sozialpolitischen Seitenhieb, Märchenelemente und moderne Alltagssituationen, explosive Zuspitzung und die Leichtigkeit des Seins, innige Nähe und befremdliche Verwerfungen zwischen gefühlvollen Comic-Wesen. Alles das fasst der Künstler in Bildern, die nur an der Oberfläche skizzenhaft wirken.
Wenn man sich hineinvertieft in den fahrig-energiegeladenen Strich, gibt es auf jeder Seite viel zu entdecken, von technischen Details im Maschinenraum des Schiffes bis zur extravaganten Biologie der Fischwelt in großer Tiefe. Figuren und Gegenstände umrandet der Zeichner mit zittriger schwarzer Tinte, lässt auf Seiten mit schwarzweißen Panels bunte ganzseitige Bilder folgen, deren Hintergründe je nach Stimmung grellgelb, wassergrün oder hochrot eingefärbt sind.
Hans im Pech und im Glück
Mitunter schiebt er in Collagen auch Bildelemente über- und ineinander, was Papierkanten sichtbar macht und einen Einblick in seinen künstlerischen Prozess bietet.
Gibt es eine Botschaft zu lernen aus dieser Geschichte? Vielleicht dass auch die Schüchternen große Abenteuer erleben können und am Ende für ihre Großzügigkeit mit Freunden und einer Liebschaft belohnt werden – als Hans im Pech und im Glück.