Pakt mit dem Feind als Überlebenschance
Nina Hoss spielt in "Anonyma" eine junge Journalistin, die sich am Ende des Zweiten Weltkriegs mit Vergewaltigungen von Russen konfrontiert sieht. Um der Erniedrigung zu entgehen, sucht sie sich einen melancholischen Major als Beschützer. In dem Thriller "Die Stadt der Blinden" werden immer mehr Menschen wie von einer Seuche mit Blindheit geschlagen.
"Anonyma - Eine Frau in Berlin"
Deutschland 2008, Regie: Max Färberböck, Hauptdarsteller: Nina Hoss, Jewegni Sidikhin, Irm Hermann, ab 12 Jahre
"Bevor ich mich weiter von ihnen vergewaltigen lasse, nehme ich lieber einen der Russen als Liebhaber und Beschützer", erklärt Nina Hoss aus dem Off. Immer wieder wird sie im Verlauf des Films ihre Handlungen kommentieren, ihre Gefühle beschreiben. Dabei hat der Zuschauer sie und ihre Situation längst verstanden. Doch Regisseur Färberbock geht auf Nummer sicher, als würde er seinen Bildern und Schauspielerinnen nicht trauen. Schade, denn Nina Hoss' stattet ihre Figur einer Journalistin und Fotografin mit einem unglaublichen Gefühlsspektrum aus - von tiefster Verzweiflung bis zum unerschrockenen Überlebenswillen.
Gerade hat sie den Zweiten Weltkrieg überstanden und jetzt fallen die Befreier über sie her. In der Wohnung einer Witwe (gespielt von einer grandiosen Irm Hermann) findet sie mit anderen Frauen Unterschlupf. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie sich nicht zum Opfer machen, nicht weiter die Vergewaltigungen über sich ergehen lassen wollen. Sie versuchen, sich mit den Russen zu arrangieren, feiern laute Feste und lassen es sich mit den mitgebrachten Eiern, Würsten und Kaffee gut gehen. Dabei zeichnet Max Färberböck ein durchaus differenziertes Bild der russischen Männer. Ohne die Vergewaltigungen zu rechtfertigen, zeigt auch er sie als Opfer eines Krieges. Nina Hoss' Figur findet in dem melancholischen und gebildeten Major Andrej einen Beschützer.
Wenn sich die Kamera ihrem Gesicht nähert, meint man, manchmal auch echte Gefühle, erkennen zu können. Doch auch diese Offenheit lässt der Film nicht unkommentiert stehen. Immer wieder erklärt uns Nina Hoss: "Liebe ist nicht mehr das, was sie einst war." Durch die Off-Stimme fühlt man sich auf Dauer als Zuschauer entmündigt. Formal wirkt der Film unentschlossen. In der Wohnung der Witwe hat er fast etwas theaterhaftes, während er sich draußen als großer Kostüm- und Kriegsfilm aufspielt. Irgendwann jedoch sieht man über diese formalen Schwächen hinweg, weil man vom Schicksal der Frauen ergriffen ist und nachvollziehen kann, dass der Pakt mit dem "Feind", ihre einzige Überlebenschance ist.
<im_47202>"Die Stadt der Blinden" (NUR IM ZUSAMMENHANG MIT DEM FILMSTART)</im_47202>"Die Stadt der Blinden"
Kanada, Japan, Brasilien 2008, Regie: Fernando Meirelles, Hauptdarsteller: Julianne Moore, Gael García Bernal, ab 16 Jahre
Ein spannender Auftakt. Mitten auf einer Kreuzung bricht ein Mann zusammen. Er hat sein Augenlicht verloren. Und nicht nur er, immer mehr Menschen erblinden. Ein seltsamer Virus geht um. Die Blindheit lässt die Betroffenen nicht in einer ewigen Dunkelheit zurück, sondern sie sehen sich mit einem gleißenden, weißen Licht konfrontiert.
Blindheit als Metapher - ein spannendes Thema. Sind wir in den Zeiten der permanenten Reizüberflutung nicht schon längst zu sehenden Blinden geworden? Was, wen und wie nehmen unsere Augen in unserer Umwelt überhaupt noch wahr?
"Stadt der Blinden" beruht auf der gleichnamigen Romanvorlage von José Saramago, in dem die Menschen für das permanente Übersehen des Wesentlichen mit Blindheit bestraft werden. Doch leider verschenkt dieser in einer nahen Zukunft spielende Film jegliches Reflexions-Potenzial. Das Ergebnis ist ein banaler Seuchenthriller. Die hilflose Regierung sperrt die betroffenen Menschen in Zuchthäuser ein. Schnell herrschen dort Anarchie und Chaos und später die Diktatur der Skrupellosen.
Julianne Moore als einzige Sehende unter den Blinden muss gegen Verwahrlosung, Verrat und Sittenverfall ankämpfen. Schon allzu häufig hat man in Filmen dieser Art die Schranken der Zivilisation fallen sehen. Regisseur Meirelles hat auch diesem Thema nichts Neues hinzufügen.
Deutschland 2008, Regie: Max Färberböck, Hauptdarsteller: Nina Hoss, Jewegni Sidikhin, Irm Hermann, ab 12 Jahre
"Bevor ich mich weiter von ihnen vergewaltigen lasse, nehme ich lieber einen der Russen als Liebhaber und Beschützer", erklärt Nina Hoss aus dem Off. Immer wieder wird sie im Verlauf des Films ihre Handlungen kommentieren, ihre Gefühle beschreiben. Dabei hat der Zuschauer sie und ihre Situation längst verstanden. Doch Regisseur Färberbock geht auf Nummer sicher, als würde er seinen Bildern und Schauspielerinnen nicht trauen. Schade, denn Nina Hoss' stattet ihre Figur einer Journalistin und Fotografin mit einem unglaublichen Gefühlsspektrum aus - von tiefster Verzweiflung bis zum unerschrockenen Überlebenswillen.
Gerade hat sie den Zweiten Weltkrieg überstanden und jetzt fallen die Befreier über sie her. In der Wohnung einer Witwe (gespielt von einer grandiosen Irm Hermann) findet sie mit anderen Frauen Unterschlupf. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie sich nicht zum Opfer machen, nicht weiter die Vergewaltigungen über sich ergehen lassen wollen. Sie versuchen, sich mit den Russen zu arrangieren, feiern laute Feste und lassen es sich mit den mitgebrachten Eiern, Würsten und Kaffee gut gehen. Dabei zeichnet Max Färberböck ein durchaus differenziertes Bild der russischen Männer. Ohne die Vergewaltigungen zu rechtfertigen, zeigt auch er sie als Opfer eines Krieges. Nina Hoss' Figur findet in dem melancholischen und gebildeten Major Andrej einen Beschützer.
Wenn sich die Kamera ihrem Gesicht nähert, meint man, manchmal auch echte Gefühle, erkennen zu können. Doch auch diese Offenheit lässt der Film nicht unkommentiert stehen. Immer wieder erklärt uns Nina Hoss: "Liebe ist nicht mehr das, was sie einst war." Durch die Off-Stimme fühlt man sich auf Dauer als Zuschauer entmündigt. Formal wirkt der Film unentschlossen. In der Wohnung der Witwe hat er fast etwas theaterhaftes, während er sich draußen als großer Kostüm- und Kriegsfilm aufspielt. Irgendwann jedoch sieht man über diese formalen Schwächen hinweg, weil man vom Schicksal der Frauen ergriffen ist und nachvollziehen kann, dass der Pakt mit dem "Feind", ihre einzige Überlebenschance ist.
<im_47202>"Die Stadt der Blinden" (NUR IM ZUSAMMENHANG MIT DEM FILMSTART)</im_47202>"Die Stadt der Blinden"
Kanada, Japan, Brasilien 2008, Regie: Fernando Meirelles, Hauptdarsteller: Julianne Moore, Gael García Bernal, ab 16 Jahre
Ein spannender Auftakt. Mitten auf einer Kreuzung bricht ein Mann zusammen. Er hat sein Augenlicht verloren. Und nicht nur er, immer mehr Menschen erblinden. Ein seltsamer Virus geht um. Die Blindheit lässt die Betroffenen nicht in einer ewigen Dunkelheit zurück, sondern sie sehen sich mit einem gleißenden, weißen Licht konfrontiert.
Blindheit als Metapher - ein spannendes Thema. Sind wir in den Zeiten der permanenten Reizüberflutung nicht schon längst zu sehenden Blinden geworden? Was, wen und wie nehmen unsere Augen in unserer Umwelt überhaupt noch wahr?
"Stadt der Blinden" beruht auf der gleichnamigen Romanvorlage von José Saramago, in dem die Menschen für das permanente Übersehen des Wesentlichen mit Blindheit bestraft werden. Doch leider verschenkt dieser in einer nahen Zukunft spielende Film jegliches Reflexions-Potenzial. Das Ergebnis ist ein banaler Seuchenthriller. Die hilflose Regierung sperrt die betroffenen Menschen in Zuchthäuser ein. Schnell herrschen dort Anarchie und Chaos und später die Diktatur der Skrupellosen.
Julianne Moore als einzige Sehende unter den Blinden muss gegen Verwahrlosung, Verrat und Sittenverfall ankämpfen. Schon allzu häufig hat man in Filmen dieser Art die Schranken der Zivilisation fallen sehen. Regisseur Meirelles hat auch diesem Thema nichts Neues hinzufügen.