Pakt mit dem Teufel

Elijah Wald nimmt die Legende des amerikanischen Gitarristen Robert Johnson auseinander: Der Blues-Musiker war demnach nicht so genial wie gedacht. Bessere Kollegen sind demnach heute auch vergessen, weil sie nicht in das gängige Klischee des armen, schwarzen Mannes passten.
Der amerikanische Gitarrist Robert Johnson ist eine legendäre Gestalt in der Geschichte des Blues: 27 Jahre wurde er nur alt, und die wenigen Aufnahmen, die er hinterlassen hat, passen mühelos auf eine Doppel-CD. Trotzdem gilt Johnson als stilprägend für Generationen von Nachfolgern und Nachahmern. Als Gegenleistung für seine erstaunliche Fingerfertigkeit soll er seine Seele an den Teufel verkauft haben: Eine Straßenkreuzung in der Stadt Clarkesdale in Mississippi zeugt noch heute von der Stelle, wo dieser denkwürdige Handel stattgefunden haben soll.

In seinem Buch "Vom Mississippi zum Mainstream" analysiert der amerikanische Musikwissenschaftler Elijah Wald den Mythos Robert Johnson und kommt zu einem vernichtenden Urteil: Nicht nur der Pakt mit dem Teufel hat nie stattgefunden, sondern auch Johnsons gesamte Stellung als "König des Delta-Blues" beruht Walds Ansicht nach auf einer Fehleinschätzung. Für ihn ist Johnson ein lediglich durchschnittlich begabter Gitarrist und Sänger, der seine immense Popularität einer Romantisierung durch die Vertreter des Blues-Revivals der 50er und 60er Jahre verdankt.

Diese "Erfindung des Blues", wie Wald sie nennt, fokussierte das Interesse der Musikwelt auf eine ganz bestimmte Spezies Musiker: der schwarze Farmarbeiter aus dem Mississippi-Delta, ungebildet und ungewaschen, der mit seiner Gitarre und einer zerlumpten Latzhose irgendwo an der Ecke steht und seinen Weltschmerz ungefiltert hinausschreit. Gegen diese Klischees stellt Elijah Wald in seinem Buch die Theorie, dass der Blues bereits in seinen Anfangstagen eine urbane schwarze Popmusik gewesen sei. Bluespioniere wie der Komponist und Bandleader W.C. Handy oder die Sängerinnen Bessie Smith und Alberta Hunter waren anerkannte role models und verdienten in Theatern und Varietés gutes Geld.

Elijah Wald geht es aber nicht nur um eine Entzauberung des Mythos Robert Johnson, sondern auch um eine Ehrenrettung für viele andere Bluesmusiker der 20er und 30er Jahren: Leute, wie der Gitarrist Lonnie Johnson oder der Pianist Leroy Carr, die zu Lebzeiten viel größere Stars waren als Johnson, die aber heute kaum noch jemand kennt, weil sie aufgrund ihrer Biografie oder ihrer Musik nicht der Klischeevorstellung des genialen Wilden entsprechen.

Wenn man der Argumentation von Elijah Wald folgen will, sollte man sich nach Möglichkeit ein bisschen in der Geschichte des Blues auskennen, sonst verliert man leicht den Überblick. Insgesamt aber ist "Vom Mississippi zum Mainstream" durchaus lesenswert: Das Buch ist üppig bebildert, gut strukturiert und vor allem sehr amüsant geschrieben. Wenn Wald die Klischees und den positiven Rassismus der weißen Bluesfans aufzeigt, schreckt er auch vor Polemik und Sarkasmus nicht zurück. Lediglich im Mittelteil, in dem Wald die Musik von Robert Johnson Song für Song analysiert, verfällt er phasenweise in den Duktus einer musikwissenschaftlichen Magisterarbeit. Da darf man dann ruhig mal die eine oder andere Seite überblättern.

Von Carsten Beyer

Elijah Wald: "Vom Mississippi zum Mainstream - Robert Johnson und die Erfindung des Blues"
Aus dem Amerikanischen übersetzt von Michael Hein
Verlag Rogner & Bernhard, Berlin 2012
432 Seiten, 19,95 Euro
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