Der ausgedruckte Dinosaurier-Knochen
Im Berliner Naturkundemuseum lagern tonnenweise Dinosaurierknochen, die allerdings oft wegen ihrer Zerbrechlichkeit eingegipst sind. Sie werden im Computertomographen untersucht und dann mit Hilfe von 3D-Druckern nachgebildet.
Es war die Zeit der großen Dinosaurierfunde: Vor rund 100 Jahren gruben Forscher im damaligen Deutsch-Ostafrika, dem heutigen Tansania, rund 250 Tonnen versteinerte Dinosaurierknochen aus – darunter Skelettteile des 13 Meter hohen Brachiosaurus brancai. Fast zeitgleich wurden in Halberstadt, gelegen im Harz-Vorland, ebenfalls Knochen von Sauriern entdeckt.
Viele dieser Fundstücke lagern bis heute im Knochenkeller des Berliner Naturkundemuseums – nach wie vor verpackt und wissenschaftlich unbestimmt. Dinosaurierforscherin Daniel Schwarz-Wings hebt ein steinähnliches Gebilde hoch, das aussieht wie ein zerknautschter Fußball.
"Vor uns haben wir eine Gipsknolle, mit einem Saurierknochen innen drin. Das ist also praktisch ein Objekt, was damals im Gelände gefunden wurde, als Knochen. Dann hat man gesehen, das ist relativ zerbrechlich. Hat das eingegipst, das macht man bis heute so mit den Stücken, damit die haltbar sind, und hat das dann hier ins Museum gebracht, um das später zu präparieren und um diesen Knochen direkt rauszubekommen aus dem Stein."
Doch dann bricht der Zweite Weltkrieg aus: Das Museum für Naturkunde wird bombardiert und die oft gut katalogisierten und in Regalen geordneten Funde versinken im Chaos. Bis heute versuchen Forscher, die enorme Anzahl der erhaltenen Saurierfundstücke zu identifizieren. Mehre Knollen wurden dafür jetzt sogar im Computertomographen der Berliner Charité durchleuchtet.
Der Drucker verschmilzt Plastikpulver zu festen Objekten
"Als wir die Stücke im CT hatten und genau diese Gipsknolle untersucht haben, sah man zuerst natürlich nur einzelne Bruchstücke von einem Saurierknochen. Wir haben dann gesehen, aha, das ist ein Rückenwirbelknochen. Und man hat sich dann eine Weile mit den Sachen beschäftigen müssen. Also es hat so ein paar Wochen gedauert, bis die Stücke soweit aufbereitet waren durch bestimmte Computerprogramme, dass man ein dreidimensionales Bild erstellen konnte. Und da hatten wir dann eben diesen Überraschungsmoment, das wir gemerkt haben, das ist ja gar kein Saurierknochen aus Afrika, der sieht völlig anders aus und muss zu einem ganz anderen Dinosaurier gehören, nämlich zu einem, der damals auch in Halberstadt vorgekommen ist."
Und tatsächlich: Die Forscher können anhand der CT-Bilder belegen, dass es sich um den Wirbelknochen eines Plateosaurus handelt. Einem bis zu sechs Meter langem Dinosaurier, der auf zwei Beinen durchs Gelände lief und Pflanzen vertilgte.
Die Bilddaten des Wirbelknochens werden anschließend im 3D-Labor der TU Berlin weiterverarbeitet. In einem 3D-Drucker, der Plastikpulver zu festen Objekten verschmilzt, wird der Wirbelkörper ausgedruckt: Ein Knochen, dem menschlichen Wirbel nicht unähnlich, aber rund viermal so groß. Ben Jastram nimmt den Saurierwirbel aus Plastik in die Hand.
"Das Besondere an dem Knochen ist, das er so nicht existiert, also nicht so freigelegt. Und zwar befindet sich das Fossil immer noch im Stein. Und das heißt, das, was wir hier als fertiges Objekt vor uns haben, existiert soweit noch nicht in der realen Welt."
Wie einzelne Brotscheiben
Der Vorteil der Methode ist offensichtlich: Die Wissenschaftler müssen den Knochen nicht mühsam per Hand von Gips und Gestein befreien – um erst danach zu bestimmen, um welches Fossil es sich handelt. Denn auf den CT-Bildern lässt sich erkennen, was zum Wirbel gehört, und was umliegendes Gestein und Gips ist. Die zahlreichen zweidimensionalen CT-Bilder zeigen dabei jeweils einen Querschnitt durch den Kochen. Übereinandergelegt aber ergeben sie ein dreidimensionales Bild vom Wirbelkörper – so wie viele einzelne Brotscheiden einen ganzen Brotlaib ergeben.
Diese Daten werden in einem schrankgroßes Gerät verarbeitet: Dem 3D-Drucker, der in seinem Inneren Plastikpulver mittels Laserstrahl verschmilzt.
"Und diese einzelnen Scheiben werden an die Maschine geschickt. Und die wiederrum trägt eine Materialschicht von diesem Pulver auf. Dann haben wir den Laserstrahl, der dort in das Material einstrahlt, die Energie schmilzt das Pulver in dieser einzelnen Schicht auf und bildet quasi diese Brotscheide oder eben diese Knochenscheibe nach. Und das passiert mehrere tausend Mal, immer wieder übereinander, so dass sich Stück für Stück in dieser Maschine der Knochen aufbaut."
Am Ende des Prozesses lässt sich der Dinosaurierwirbel aus Plastik vom umliegenden losen Pulver befreien und aus dem 3D-Drucker herausnehmen. Allerdings: Die genaue Oberfläche des Knochens musste in der 3D-Grafik, die im Drucker schichtweise verarbeitet wurde, genau modelliert werden. Nur so ließ sich der Übergang zwischen Versteinerung und Knochen exakt herausarbeiten.
Brüche im ausgedruckten Wirbel
"Ein Problem ist natürlich, dass das Fossil, was wir hier rekonstruiert haben, während der Jahrmillionen zerbrochen ist, innerhalb des Steins. Also das heißt, wir müssen dafür sorgen, dass wir diese einzelnen Bruchstücke im Inneren wieder so verbinden, dass wir das, wenn wir es ausdrucken, als ein intaktes Knochenmodell haben. Was man dann auch in die Hand nehmen kann ohne das es einem zerbricht."
Der ausgedruckte Wirbel zeigt daher auch Brüche auf: Tiefe Spalten durchziehen den Wirbelkörper, einzelnen Knochenfortsätze sind ganz abgetrennt – und nur durch kleine Plastikstäbchen mit dem Hauptknochen verbunden. Das 3D-Modell ist dabei ein originalgetreues Abbild des rund 220 Millionen Jahre alten Plateosaurus-Wirbels und für die Forschung enorm wertvoll, sagt Daniel Schwarz-Wings.
"Wir sind ganz sicher, dass dieser Wirbel zu dem gleichen Saurier gehört, den wir als Bestimmung angenommen haben. Weil wir bei uns im Keller schon Originalreste von diesem Saurier haben und die sich natürlich jetzt sehr gut vergleichen lassen. Und das ist natürlich eine tolle Sache, wenn man dann das Originalfossil hat und dann hat man eben das andere Stück von einem anderen Tier, was so ausgedruckt ist, und trotzdem ist der Vergleich eben so gut möglich."