Widerstand gegen Müll und giftigen Smog
21:50 Minuten
Palmöl für andere, Abfall von anderen: Smog, Gestank und giftiger Rauch entstehen in Malaysia, wenn Wald für Plantagen gerodet und Plastik verbrannt wird. Die Malaysier haben Kopfschmerzen, Übelkeit und schlaflose Nächte nun satt - und wehren sich.
Sie ist pünktlich auf die Minute: Die malaysische Klimaaktivistin Nadiah Dzulfakar. In Kuala Lumpur, der Hauptstadt Malaysias, keine Selbstverständlichkeit. Der Verkehr in der südostasiatischen Acht-Millionen-Metropole: Er kann mörderisch sein.
Wenn man so will, ist die Frau im schwarzen T-Shirt und der schwarzen Designerbrille so etwas wie die Greta Thunberg Malaysias. Nadiah hebt die Hände. Ihr ist das zu dick aufgetragen. Erstens: Sei sie schon 32, ergo keine Jugendliche mehr, entgegnet sie. Und zweitens: Habe sie letztes Jahr auch nicht alleine "Klima Action Malaysia", kurz KAMY, ihre Umweltbewegung, ins Leben gerufen.
"Die Luft ist fürchterlich wegen des Smogs"
Schnellen Schrittes läuft die Studentin der Umweltwissenschaft los, Richtung Merdeka-Platz, dem "Unabhängigkeitsplatz", vorbei an einer wahren Blechlawine und vor sich hin brutzelnden Garküchen, wie es sie in Kuala Lumpur an fast jeder Straßenecke gibt. Nadiah wischt sich den Schweiß von der Stirn. Schwül ist es, drückend schwül. An der Ampel bleibt die Aktivistin stehen. Da drüben, auf der anderen Straßenseite, da ist er schon: der Merdeka-Platz, samt der malaysischen Flagge, angeblich die größte weltweit.
"Hier hatten wir im September unseren Klimastreik", erzählt Nadiah. "Viele vorbeifahrende Autos haben gehupt oder die Fahrer haben uns zugerufen: 'Super! Macht weiter so!' Ich war überrascht, wie viele Leute mitmarschiert sind, die Luft war ja fürchterlich, wegen des Haze, des Smogs. Sie haben sich auch nicht durch die Polizei abschrecken lassen. Die hat ja die umliegenden Straßen abgesperrt und uns aufgefordert nach Hause zu gehen. Doch wir haben das ignoriert. Alle sind geblieben: Angefangen von Greenpeace bis hin zu indigenen Gruppen, die in den Wäldern leben – und extra aus Nordmalaysia angereist waren. Das war wichtig. Dass die Regierung sieht: Wir ziehen alle an einem Strang."
Ein Klimastreik junger Leute: Für Malaysia, die konservative, konstitutionelle Monarchie, ist das Neuland. Weniger neu ist, warum Nadiah und Co auf die Straße gegangen sind. Alle Jahre wieder - im Herbst - verschwindet das halbe Land hinter einer gelblichen, stinkenden Rauchschwade. Haze nennen die Malaysier diesen Smog.
Im Herbst herrscht Trockenzeit: Für Plantagenbesitzer im benachbarten Indonesien und Teilen Malaysias perfekte Gelegenheit, Urwälder abzufackeln, die dann durch Palmen ersetzt werden, deren Fruchtfleisch der Gewinnung des umstrittenen Palmöls dient.
Immer mehr Menschen erkranken an Atemwegsbeschwerden
Nadiah kennt die Fakten: Dass Kuala Lumpur im September wegen des Smogs tagelang die schlechteste Luftqualität weltweit aufwies, wegen des Feinstaubs und Rußes letztes Jahr in dem 31-Millionen-Einwohner-Land 16 Prozent mehr Leute an Atemwegsbeschwerden erkrankten.
"Die Klimakrise ist bislang lediglich Thema unter den Privilegierten", sagt sie, "unserer Oberschicht. Wenn du dich darüber informieren willst, geht das fast nur auf Englisch – und nicht in Bahasa Malaysia, unserer Muttersprache. Das haben wir geändert. Wir von KAMY haben Texte übersetzt und eigene auf Bahasa verfasst. Die normalen Leute wissen jetzt, was Sache ist. Die Folgen der Klimakrise, die Rauchschwaden und das alles: Das erleben sie ja hautnah. Jetzt wissen sie, warum das so ist. Und was sie die nächsten Jahrzehnte erwartet, wenn wir die Brandrodungen nicht stoppen, unsere Regierung nicht endlich die Palmölindustrie stärker reguliert. Es ist wichtig, dass die Leute informiert sind, damit sie sich selbst ein Bild machen können."
Nadiah hat sich in den Schatten gesetzt, auf eine steinerne Bank unweit des Klang-Flusses. Als sie klein war, erzählt sie, habe sie am Flussufer gespielt, heute unvorstellbar: das Flussbett, zubetoniert, der 110 Kilometer lange Fluss, ein dreckiges Rinnsal. Noch immer fließen die Abwässer ungefiltert in den Klang. Eigentlich wollte der Staat das längst verbieten, doch getan hat sich bislang: nichts. Auch dagegen demonstriert Nadiah, zusammen mit ihren Mitstreitern. Ihren Mitstreiterinnen.
Aus zehn Leuten besteht KAMYs harter Kern. Acht davon sind Frauen.
"Ich denke, es ist sehr wichtig, dass wir unsere Stimme erheben", sagt sie. "Dass Frauen sich einmischen. Mitentscheiden. Das ist immer noch sehr ungewöhnlich für unser muslimisches Land. Traditionell sind nur ganz wenige Frauen in Führungspositionen, geschweige denn in Ministerämtern. Die berühmte gläserne Decke hindert uns immer noch. Doch es tut sich etwas. An der Basis übernehmen Frauen immer mehr Verantwortung."
Die Geheimpolizei überwacht die Klimaaktivisten
Nadiah schreckt hoch: Die Polizei, das hat jetzt gerade noch gefehlt. Misstrauisch beäugt sie den Streifenwagen, ehe er hinter der nächsten Kreuzung verschwindet. Sie hat so ihre Erfahrungen gemacht mit der Staatsmacht, nicht gerade die besten. Allein die Sache mit dem Antrag für ihren Klimaprotest bei der Polizei. Die junge unverschleierte Muslima verzieht das Gesicht: Alles andere als vergnügungssteuerpflichtig.
"Es war wirklich einschüchternd, wie beim Verhör", erzählt Nadiah. "Da war nicht nur der Leiter der örtlichen Polizeidienststelle, sondern auch der Bezirksleiter - plus ein Anwalt und ein Typ vom Geheimdienst, der alles gefilmt hat. Sie haben mich zwei Mal verhört. Später habe ich den Geheimdienstler öfters auf der Straße gesehen. Er hat mich sogar gegrüßt. Ich möchte nicht wissen, wie dick meine Akte ist. Die Geheimpolizei überwacht uns ständig. Jedes Mal, wenn wir einen Workshop veranstalten, ist jemand vom Geheimdienst dabei. Das ist völlig normal. Manchmal machen wir uns sogar darüber lustig und sprechen die Typen direkt an: Habt ihr nicht eine Idee, was wir machen könnten? Doch da kommt nichts. Sie sitzen einfach nur stumm herum."
Ein neuer Tag, eine andere Ecke Kuala Lumpurs. Und damit zu einer Frau, der sich 2,5 Millionen Follower in den sozialen Medien an die Fersen geheftet haben.
"Mein Name ist Maya Karin Roelke, die immer noch ein bisschen Deutsch sprechen kann. Ja."
Die "One Utama Mall", Kuala Lumpurs Edeleinkaufszentrum, Samstagmittag, kurz vor zwei, das "Paris-Café." Maya wohnt direkt um die Ecke. In Malaysia hat sich die Halbdeutsche einen Namen gemacht: als beliebte Schauspielerin und Umweltschützerin. Die 40-Jährige ist gut im Geschäft. Allein dieses Jahr erscheinen fünf Filme mit ihr.
In Deutschland ist die zierliche Frau mit dem langen, schwarzen Haar nur noch selten. Sie habe mit ihrem Bruder eine Art Arbeitsteilung, meint sie, während sie einen mit Zartbitterschokolade überzogenen Petit Four auf ihre Gabel hievt. Er kümmert sich um die deutsche Verwandtschaft, sie um die malaysische. Ist ihr lieber so, trotz aller Unwägbarkeiten, die das Leben in Malaysia mit sich bringt, der Korruption, den Islamisten, die an Zulauf gewinnen, dem verdammten Haze.
"Es ist wie sehr starker Rauch", erzählt Maya Karin Roelke. "Anfangs könntest du noch denken, es ist Nebel, wie in Deutschland: erfrischender, kühlender Nebel. Ach wie schön. Bis du den Rauch riechst, ihn einatmest, deine Augen anfangen zu brennen. Ich erinnere mich noch: Wir sind 1997 nach Malaysia gezogen, ausgerechnet in dem Jahr, als der Haze besonders schlimm war. Du konntest nur zwei, drei Meter weit sehen. Nach der Klasse öffnet man die Tür und man sieht fast nichts. Nur Nebel. Und man weiß nicht mal, wo ist mein nächstes Klassenzimmer? Wo ist jetzt die Tür?"
Eine Schauspielerin engagiert sich für die Umwelt
Für die Umwelt engagiert sich Maya schon länger. Angefangen hat alles 2008, als sie Grundschulen besuchte, um den Schülern Umweltbewusstsein näher zu bringen. Es folgten eine Kampagne gegen Lebensmittelverschwendung und ihr "Maya River Challenge": Ihr Aufruf an die Fans, Fotos von ihrem Lieblingsfluß zu tweeten.
"Aus dem 'Maya River Challenge' ist der 'Clean-up Challenge' entstanden", sagt sie. "Viele Leute schicken mir Fotos, auf denen zu sehen ist, wie sie einen Strandabschnitt säubern, so wie ich das tue. Sie machen Selfies von sich mit Tüten voller Müll und schreiben mir: 'Maya, Maya, wir haben es getan!' Es ist fast ein bisschen, als ob sie mir Bericht erstatten."
Eine Schauspielerin, die ihren Landsleuten auf die Sprünge hilft in puncto Umweltschutz: Ihre Fans lieben sie dafür. Die aus Indonesien nur bedingt. Mayas Gesichtszüge verfinstern sich, die Geschichte. Darauf hat sie eigentlich keine Lust, auf ihren Tweet an den indonesischen Präsidenten letzten September, als der Smog wieder einmal kaum auszuhalten war und sie Joko Widodo aufforderte, dafür zu sorgen, dass das endlich aufhört. Mehr als eine Million Mal wurde ihr Tweet gelesen.
Maya zuckt mit den Schultern. Sie sei nun einmal impulsiv, meint sie. Ihren Schauspiel-Kollegen dürfte das bekannt vorkommen.
"Ja, doch, ich lasse beim Dreh schon den einen oder anderen Spruch ab", sagt sie. "Ich brülle dann rum: 'Apang, was machst du denn da?!' Apang bedeutet 'alter Bruder' auf Malaysisch. 'Apang, warum wirfst du deinen Abfall in den Dschungel? Komm schon! Das kann doch nicht dein Ernst sein!' Dann sagen sie meist: 'Oh, Maya wird sauer. Schnell. Lasst uns den Müll einsammeln. Sonst explodiert sie. Tut uns leid, tut uns leid'."
Die Frau im weißen Sweatshirt springt auf, es wird Zeit. Zu Hause wartet schon ihr "personal Trainer", ihr Fitnesstrainer. In ein paar Tagen startet ihre Promotion-Tour für ihren neusten Film, da muss sie fit sein. Am Ausgang bleibt Maya kurz stehen. Manchmal fragen sie Fans, warum ihr das mit der Umwelt so wichtig sei. Ob sie nicht andere Sorgen habe: Ihr neuester Film, ob sie die oder die Rolle bekomme.
"Sie halten mich nicht unbedingt für bescheuert, das nicht", sagt sie. "Sie sind eher überrascht: 'Was soll das mit der Umwelt? Den Plastiktüten?' Viele Leute waren anfangs einfach verwirrt. Eine der größten Zeitungen des Landes fand meinen Kampf gegen den Plastikwahn so faszinierend, dass sie einen Reporter und einen Fotografen vorbeigeschickt haben, um mich auf einen unserer berühmten Nachtmärke zu begleiten. Wir Malaysier kaufen da ja viel ein. Da laufe ich also herum, mit meiner eigenen Tasche, meiner grünen Tasche. Die zwei Journalisten sehen mir zu, wie ich meine Möhren und Äpfel in meine eigene Tasche packe – und nicht in eine von tausenden Plastiktüten. Oft ist es so: Du kaufst drei Äpfel, die kommen in eine Plastiktüte. Du kaufst zwei Birnen, eine neue Tüte. Das Ende vom Lied ist, dass die Leute manchmal 25 verschiedene Plastiktüten in der Hand haben."
Der Kampf gegen den Plastikwahn
Etwas gegen den Plastikwahn hat auch Mayas Landsmann Jules Ong. Der Umweltaktivist und Dokumentarfilmer schaut auf sein Navi. 76 Kilometer sind es vom Stadtrand Kuala Lumpurs bis nach Port Klang, dem größten Hafen des Landes.
Es ist Freitag ein Uhr, sprich: Die Autobahn relativ leer, wegen der Freitagsgebete. Letzten Freitag war Jules in der Moschee, doch diesen Freitag, meint der Mann mit dem grau-schwarz-melierten Haar, müsse Allah ausnahmsweise auf ihn verzichten.
Der Dokumentarfilmer ist auf dem Weg zu einem verfallenen Industriegebiet am Rande Port Klangs. Jules schaut auf sein Navi: Eine Viertelstunde noch, dann müsste er da sein. Am Wegesrand zieht eine Palmölplantage nach der anderen vorüber, bis ein paar Fischteiche auftauchen. In Kuala Lumpur ist die Gegend bekannt für ihre Garnelen. Jules geht langsam vom Gas. Keinen Bissen würde er davon essen. Nicht, nachdem ihm der Besitzer erzählt hat, dass die Hälfte seiner Fische zugrunde gegangen ist, am Gift aus der nahegelegenen, illegalen Müllkippe.
"Es ist ein Industriegebiet, das gefloppt ist", sagt Jules Ong. "Deshalb stehen auch die ganzen Ladenlokale leer. Da drüben, siehst du, da haben sie den Plastikabfall verbrannt. Kannst du es sehen? Gruselig, nicht? Abends kommen die Ziegen vorbei, um im Müll zu wühlen. Und überall Brandspuren. Da, siehst du?"
Plastik so weit das Auge reicht, in weißen und gelben Säcken, neben verkohlten Resten. Vor zwei Jahren hat Jules davon Wind bekommen. Seitdem schaut er einmal im Monat vorbei, um die Apokalypse zu dokumentieren.
Das meiste Plastik stammt aus dem Ausland
Das meiste Plastik stammt nicht aus Malaysia, sondern dem Ausland: Aus den USA, Frankreich, Deutschland: Vor allem westliche Länder - regt sich Jules auf - sorgen dafür, dass aus Malaysia die "Müllkippe der Welt" geworden ist. Spätestens seitdem China seine Grenzen für fast alle Kunststoffreste dicht gemacht hat. Gut 900.000 Tonnen Plastikmüll gelangten 2018 in das südostasiatische Land, allein aus Deutschland 130.000 Tonnen. Eigentlich soll das meiste recycelt werden.
Jules tippt sich an die Stirn. Recycelt wird hier rein gar nichts. "Das liegt schon länger hier herum, bestimmt über ein Jahr. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Kommune nach dem Rechten schaut, geschweige denn den Müll entfernt. Da ist bestimmt auch Korruption mit im Spiel. Meist es so, dass die illegalen Müllhaldenbetreiber nachts kommen und den ganzen Plastik verbrennen. Die meisten Besitzer stammen aus China. Was sie nicht verbrennen können, gammelt vor sich hin. Du siehst ja: Man kann noch genau die Aufschriften erkennen."
Salamiverpackungen und "Milbona", die Hausmarke des Discounters Lidl, mit der deutschen Aufschrift "Junger Gouda". Jules kann es nicht fassen. Dass ausgerechnet die ach so umweltbewussten Deutschen Mülltourismus betreiben, nach dem Motto: aus der Tonne, aus dem Sinn.
"Deutschland hat doch die Möglichkeit, seinen Plastikabfall selbst zu entsorgen", sagt er. "Ein so reiches Land muss seinen Müll doch nicht nach Asien exportieren. Aber Gott sei Dank ist unsere Regierung aufgewacht. Sie geht jetzt strikter gegen den importierten Plastikmüll vor. Klar ist Recycling eine gute Sache. Nur, was passiert, wenn das Plastik nicht recycelt wird? Wo landet es dann? Wird es wirklich vernünftig entsorgt? Oder vergiftet es unser Wasser und unsere Luft? Ich sehe da lauter Fragezeichen."
Allen Gesundheitsrisiken zum Trotz: Der Import von Plastikschrott ist und bleibt vor allem eines, lukrativ. Laut einer Greenpeace-Studie setzte die Branche bis 2018 jährlich 30 Milliarden Ringit um, umgerechnet knapp 6,4 Milliarden Euro.
Die Konsequenz: Plastikmüll geht zurück an den Absender
Doch langsam schwant auch der malaysischen Regierung, dass die Folgekosten höher sein dürften als der vermeintliche Profit: Verseuchte Böden, vergiftete Fische, Menschen, die an Krebs erkranken. Deshalb hat der Staat letztes Jahr 170 illegale Mülldeponien geschlossen, Umweltministerin Yeo Bee Yin publikumswirksam angeordnet, Plastikmüll in die Herkunftsländer zurückzuschicken.
Jules hält viel von der ersten Frau an der Spitze des Umweltministeriums. Doch ihre Tage dürften gezählt sein. Ende Februar ist die reformorientierte Regierung Malaysias zerbrochen. Seit Anfang des Monats ist Muhyiddin Yassin, einer der korruptesten Politiker des Landes, neuer Ministerpräsident. Mit Umweltschutz hat der 72-Jährige laut eigenem Bekunden nichts am Hut. Jules geht zu seinem Jeep. Für heute reicht es. Nachher will er noch Marcel-Ridhwan von der Schule abholen, seinen 16-Jährigen.
"Nein, der interessiert sich absolut nicht für die Umwelt", erzählt Jules Ong. "Ganz im Gegenteil: Er spielt am liebsten Golf. Einmal habe ich ihn für einen Gartenkurs angemeldet. Nach zwei Tagen meinte er: 'Mein eigenes Gemüse anbauen, wie bescheuert ist das denn!" Ich glaube, er macht das aus Trotz, weil meine Frau und ich so umweltbewusst sind. Er ist ein rebellischer Teenager. Er will Millionär werden, Golf spielen und ein schnelles Auto kaufen."
Sorgen bereitet der Nachwuchs auch Wissenschaftlerin Helena Varkkey, aus gesundheitlichen Gründen: "Mein jüngstes Kind war ein Jahr alt, als es wegen des Haze ins Krankenhaus musste. Der Kleine konnte nicht mehr richtig atmen. Es war der reinste Horror. Er lag eine Woche im Krankenhaus. Es hat mir fast das Herz gebrochen. Er war doch noch so klein. Ich hatte mich schon vorher wissenschaftlich mit dem Haze-Phänomen beschäftigt, aber das war Theorie. Meinen Sohn im Krankenhaus am Atemgerät zu sehen, das war echt. Das Problem mit dem Haze ist: Die Langzeitfolgen sind nicht abzuschätzen. Es wirkt wie ein schleichendes Gift. Du atmest diesen giftigen Rauch Jahr für Jahr ein. Und eines Tages, nach Jahren, entwickelst du plötzlich Symptome und musst ins Krankenhaus."
Malaysia und Indonesien beschuldigen sich gegenseitig
Die Fakultät für internationale und strategische Studien der "Universität von Malaya" in Kuala Lumpur, Montagvormittag. Draußen ist es brütend heiß, drinnen im Büro der 35-jährigen Nachhaltigkeitsexpertin, säuselt leise die Aircondition vor sich hin. Zusammen mit anderen Akademikerinnen hat Helena "Sheraz" gegründet, das "Anti-Haze-Netzwerk." Die meisten stammen wie sie aus Malaysia, ein, zwei aus dem Nachbarland Indonesien.
Elf Monate geben wir euch gute Luft – sagen die Indonesier den Malaysiern – und dann regt ihr euch wegen dem bisschen Rauch in der restlichen Zeit auf? Helena kann den Spruch langsam nicht mehr hören.
"Malaysia und Indonesien schieben sich gegenseitig den Schwarzen Peter zu", sagt sie. "Die Indonesier sagen: 'Na, woher kommen denn die Unternehmen, die bei uns alles abfackeln? Aus Malaysia.' Und die Malaysier sagen: 'Nein, stimmt nicht. Ihr müsst gefälligst Eure Gesetze verschärfen.' Immerhin gibt es Fortschritte. Letztes Jahr hat die malaysische Regierung Schritte eingeleitet, um Indonesien juristisch besser zur Rechenschaft ziehen zu können. Singapur macht es uns ja vor. Singapur hat 2014 das sogenannte 'Grenzübergreifende Haze-Gesetz' verabschiedet. Unternehmen und Individuen, die den Haze in Singapur verursachen, können so juristisch belangt werden."
Zuerst der Profit und dann lange nichts
Fürs erste aber gilt in Malaysia: Zuerst der Profit und dann lange nichts. Mag der Palmölanbau auch noch so umweltschädigend sein: Was zählt, ist, dass das flüssige Gold mit 2,8 Prozent zum Bruttosozialprodukt beiträgt, der Anteil am Gesamtexport bei 4,5 Prozent liegt. Ein ähnliches Bild beim Nachbarn Indonesien. Und der dritte Akteur, der Westen, bislang einer der Hauptabnehmer, gießt noch Feuer ins Öl.
"Der dritte Akteur macht alles nur noch komplizierter", sagt Helena Varkkey. "Der Westen, insbesondere die EU, befeuert den Nationalismus in Malaysia. Die Leute fühlen sich in ihrem nationalen Stolz verletzt. Der Beschluss Brüssels, bis spätestens 2030 kein Palmöl mehr zu importieren, aus Umweltgründen: Da sagt unsere Regierung: 'Das ist ein Affront gegen unseren Versuch, wirtschaftlich aufzuholen. Ihr macht das nur, um uns klein zu halten.' Mich überrascht nicht, dass die malaysische und indonesische Regierung so defensiv reagieren. Besonders hilfreich ist das allerdings nicht."
Avin, Helenas Fünfjährigem, geht es inzwischen wieder besser. Zu Hause läuft den ganzen Tag der Luftreiniger, das hilft ein bisschen. Doch auf Dauer? Helena graust es schon vor dem Herbst. Dann dürfte wieder dicke Luft herrschen – in und um Malaysia.