Pamuk erhält Friedenspreis des Deutschen Buchhandels
Der türkische Schriftsteller Orhan Pamuk ist in der Frankfurter Paulskirche mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet worden. In seiner Laudatio hob der Intendant der Berliner Festspiele, Joachim Sartorius, auch das politische Engagement des Autors hervor.
Orhan Pamuk ist ein großer Romancier. Vor allem davon - nicht von Politik - sprach der türkische Autor am Beginn seiner Dankesrede für den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels: vom Romaneschreiben. Wie der Zufall es will, spielt ein Teil seines bislang letzten auf Deutsch erhältlichen Romans in der Paulskirchen-Stadt Frankfurt am Main. Dort hat er für das Buch recherchiert, sein Protagonist heißt "Ka" in Anlehnung an Franz Kafka:
Pamuk: "Und so kam ich vor fünf Jahren, im Jahre 2000, nach Frankfurt. Wir gingen vom Hauptbahnhof aus durch die Kaiserstraße, an den Sexshops vorbei, dann durch die Münchener Straße mit ihren türkischen Lebensmittelgeschäften, Dönerbuden und Friseurläden, bis hin zur Hauptwache. "
Ein langer Exkurs über das Wesen und den Zauber des Romans an diesem Morgen in Frankfurt. Mit Kafka und Flaubert, Dostojewski und Thomas Mann ging Orhan Pamuk auf eine Reise durch die Literatur. Es war klar, dass der durch seine Äußerungen zur türkischen Geschichte in seinem Heimatland angefeindete Autor die Erwartungen seiner Zuhörer zu unterlaufen versuchte. Pamuk hielt keine offensive Brandrede gegen die reaktionären Kräfte in der Türkei, die ihn mit einem Prozess wegen Beleidigung des Türkentums mundtot machen wollen. Vielmehr versuchte er, die Kraft der Literatur für das Begreifen von "Fremdheit" und "Andersartigkeit" zu beschwören.
Im Vermögen, sich in andere Menschen und Lebensumstände hineinzuversetzen, steckt für ihn die einem Schriftsteller angemessene Art von Politik.
Pamuk: "Wenn ein Schriftsteller ganz Deutschland ansprechen möchte, und der die Türken oder Beunruhigungen in Zusammenhang mit den Türken nicht zur Sprache brächte, dann wäre sein Werk nicht vollständig. Oder wenn ein türkischer Schriftsteller die Kurden oder die Minderheiten in der Türkei und die dunklen Punkte unserer Geschichte nicht zur Sprache bringt, dann ist sein Werk nicht vollendet. "
Und damit war Orhan Pamuk dann doch bei seinem gesellschaftlichen Engagement angelangt, das bei seiner Wahl für den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels natürlich eine gewichtige Rolle gespielt hat.
Joachim Sartorius, der die Laudatio hielt, wies auf die Unerschrockenheit des türkischen Intellektuellen hin.
Sartorius: "Als erster Autor in der muslimischen Welt hat Orhan Pamuk die Fatwah gegen Salman Rushdie verurteilt und sich zu Yaşar Kemal bekannt, als dieser 1995 unter Anklage gestellt wurde. Glauben Sie mir, diese Äußerungen bedeuten Mut. Die prekäre Lage der Kurden ist nach wie vor kein Thema in der offiziellen Türkei. Indem Orhan Pamuk unerschrocken seine Stimme erhebt und Aufrichtigkeit einklagt, versucht er, in seinem Land ein Nachdenken zu erzwingen und die Regierenden umzustimmen. "
Pamuk hörte der Laudatio in heiterer Stimmung zu. Gelegentlich wirkte er sehr bewegt.
Weitaus direkter als in seiner sehr reflektierenden und grundsätzlichen Paulskirchenrede hatte sich Orhan Pamuk am Samstag während der Frankfurter Buchmesse zur Situation in seinem Heimatland geäußert:
Pamuk: "Ich verteidige das, was ich gesagt habe, Wort für Wort auch heute. Denn das, was geschehen ist, hat eine neue Dimension bekommen. Es hat eine politische Dimension bekommen, was auch natürlich mit der Mitgliedschaft in der EU zu tun hat. Und diese Dimension ist, dass in der Türkei die Freiheit des Gedankens herrschen muss, dass die Menschenrechte herrschen müssen, dass jeder das, was er denkt, offen sagen können muss... "
Pamuk sieht in der Türkei einen Reinigungsprozess in Gang. Die Konflikte um die unbewältigte Vergangenheit, die an seiner Person festgemacht werden, sieht er eher positiv. Viel habe sich in den letzten Jahren bereits geändert, so Pamuk auf der Messe:
Pamuk: "Diejenigen, die ihn der Türkei für die Meinungsfreiheit eintreten, die dafür eintreten, dass man offen darüber sprechen kann, was den osmanischen Armeniern wiederfahren ist, die unsere nahe Geschichte diskutieren möchten, das sind sehr viele Menschen. Es gibt sehr viele Menschen in diesen Demokratiekräfte, und die werden immer stärker. Und natürlich die Beziehungen zwischen der EU und er Türkei tragen dazu bei. "
Mit der Entscheidung, Orhan Pamuk in diesem Jahr mit dem Friedenspreis zu ehren, lag der Börsenverein so richtig wie schon lange nicht mehr. Das haben nicht nur die mannigfaltigen Reaktionen im Vorfeld der Verleihung gezeigt. Pamuk wird derzeit immer mehr zum intellektuellen Symbol des Brückenschlags zwischen der Türkei und der Europäischen Union. Seine moralische Autorität dürfte nach seinem höchst klugen und feinsinnigen Auftritt in der Frankfurter Paulskirche noch zunehmen. Orhan Pamuk lässt sich nicht einschüchtern, aber auch nicht vereinnahmen. Auch Europa, auch Deutschland musste sich in der Frankfurter Paulskirche Kritik und offene Worte gefallen lassen.
Pamuk: "und jetzt sehen wir, dass antitürkische Ressentiments in Europa immer mehr artikuliert werden. In den letzten Wahlen hat man diesen Stil bei einigen Politikern im Wahlkampf gehört. Und das finde ich sehr gefährlich. Es ist das eine, den türkischen Staat wegen seiner Demokratiedefizite oder seiner wirtschaftlichen Lage zu kritisieren, und es ist etwas anderes, die ganze türkische Kultur oder die türkischstämmigen Menschen herabzuwürdigen. Und in Europa eine Türkenfeindlichkeit zu schüren, führt leider dazu, dass sich in der Türkei ein europafeindlicher, dumpfer Nationalismus entwickelt. Wer an die Europäische Union glaubt, sollte einsehen, dass es hier um die Alternative zwischen Frieden und Nationalismus geht. Hier liegt die Entscheidung, die wir treffen müssen. Frieden oder Nationalismus."
Pamuk: "Und so kam ich vor fünf Jahren, im Jahre 2000, nach Frankfurt. Wir gingen vom Hauptbahnhof aus durch die Kaiserstraße, an den Sexshops vorbei, dann durch die Münchener Straße mit ihren türkischen Lebensmittelgeschäften, Dönerbuden und Friseurläden, bis hin zur Hauptwache. "
Ein langer Exkurs über das Wesen und den Zauber des Romans an diesem Morgen in Frankfurt. Mit Kafka und Flaubert, Dostojewski und Thomas Mann ging Orhan Pamuk auf eine Reise durch die Literatur. Es war klar, dass der durch seine Äußerungen zur türkischen Geschichte in seinem Heimatland angefeindete Autor die Erwartungen seiner Zuhörer zu unterlaufen versuchte. Pamuk hielt keine offensive Brandrede gegen die reaktionären Kräfte in der Türkei, die ihn mit einem Prozess wegen Beleidigung des Türkentums mundtot machen wollen. Vielmehr versuchte er, die Kraft der Literatur für das Begreifen von "Fremdheit" und "Andersartigkeit" zu beschwören.
Im Vermögen, sich in andere Menschen und Lebensumstände hineinzuversetzen, steckt für ihn die einem Schriftsteller angemessene Art von Politik.
Pamuk: "Wenn ein Schriftsteller ganz Deutschland ansprechen möchte, und der die Türken oder Beunruhigungen in Zusammenhang mit den Türken nicht zur Sprache brächte, dann wäre sein Werk nicht vollständig. Oder wenn ein türkischer Schriftsteller die Kurden oder die Minderheiten in der Türkei und die dunklen Punkte unserer Geschichte nicht zur Sprache bringt, dann ist sein Werk nicht vollendet. "
Und damit war Orhan Pamuk dann doch bei seinem gesellschaftlichen Engagement angelangt, das bei seiner Wahl für den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels natürlich eine gewichtige Rolle gespielt hat.
Joachim Sartorius, der die Laudatio hielt, wies auf die Unerschrockenheit des türkischen Intellektuellen hin.
Sartorius: "Als erster Autor in der muslimischen Welt hat Orhan Pamuk die Fatwah gegen Salman Rushdie verurteilt und sich zu Yaşar Kemal bekannt, als dieser 1995 unter Anklage gestellt wurde. Glauben Sie mir, diese Äußerungen bedeuten Mut. Die prekäre Lage der Kurden ist nach wie vor kein Thema in der offiziellen Türkei. Indem Orhan Pamuk unerschrocken seine Stimme erhebt und Aufrichtigkeit einklagt, versucht er, in seinem Land ein Nachdenken zu erzwingen und die Regierenden umzustimmen. "
Pamuk hörte der Laudatio in heiterer Stimmung zu. Gelegentlich wirkte er sehr bewegt.
Weitaus direkter als in seiner sehr reflektierenden und grundsätzlichen Paulskirchenrede hatte sich Orhan Pamuk am Samstag während der Frankfurter Buchmesse zur Situation in seinem Heimatland geäußert:
Pamuk: "Ich verteidige das, was ich gesagt habe, Wort für Wort auch heute. Denn das, was geschehen ist, hat eine neue Dimension bekommen. Es hat eine politische Dimension bekommen, was auch natürlich mit der Mitgliedschaft in der EU zu tun hat. Und diese Dimension ist, dass in der Türkei die Freiheit des Gedankens herrschen muss, dass die Menschenrechte herrschen müssen, dass jeder das, was er denkt, offen sagen können muss... "
Pamuk sieht in der Türkei einen Reinigungsprozess in Gang. Die Konflikte um die unbewältigte Vergangenheit, die an seiner Person festgemacht werden, sieht er eher positiv. Viel habe sich in den letzten Jahren bereits geändert, so Pamuk auf der Messe:
Pamuk: "Diejenigen, die ihn der Türkei für die Meinungsfreiheit eintreten, die dafür eintreten, dass man offen darüber sprechen kann, was den osmanischen Armeniern wiederfahren ist, die unsere nahe Geschichte diskutieren möchten, das sind sehr viele Menschen. Es gibt sehr viele Menschen in diesen Demokratiekräfte, und die werden immer stärker. Und natürlich die Beziehungen zwischen der EU und er Türkei tragen dazu bei. "
Mit der Entscheidung, Orhan Pamuk in diesem Jahr mit dem Friedenspreis zu ehren, lag der Börsenverein so richtig wie schon lange nicht mehr. Das haben nicht nur die mannigfaltigen Reaktionen im Vorfeld der Verleihung gezeigt. Pamuk wird derzeit immer mehr zum intellektuellen Symbol des Brückenschlags zwischen der Türkei und der Europäischen Union. Seine moralische Autorität dürfte nach seinem höchst klugen und feinsinnigen Auftritt in der Frankfurter Paulskirche noch zunehmen. Orhan Pamuk lässt sich nicht einschüchtern, aber auch nicht vereinnahmen. Auch Europa, auch Deutschland musste sich in der Frankfurter Paulskirche Kritik und offene Worte gefallen lassen.
Pamuk: "und jetzt sehen wir, dass antitürkische Ressentiments in Europa immer mehr artikuliert werden. In den letzten Wahlen hat man diesen Stil bei einigen Politikern im Wahlkampf gehört. Und das finde ich sehr gefährlich. Es ist das eine, den türkischen Staat wegen seiner Demokratiedefizite oder seiner wirtschaftlichen Lage zu kritisieren, und es ist etwas anderes, die ganze türkische Kultur oder die türkischstämmigen Menschen herabzuwürdigen. Und in Europa eine Türkenfeindlichkeit zu schüren, führt leider dazu, dass sich in der Türkei ein europafeindlicher, dumpfer Nationalismus entwickelt. Wer an die Europäische Union glaubt, sollte einsehen, dass es hier um die Alternative zwischen Frieden und Nationalismus geht. Hier liegt die Entscheidung, die wir treffen müssen. Frieden oder Nationalismus."