Panamakanal

Ein Menschheitstraum ohne große Rolle

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Ein Containerschiff passiert den Panamakanal bei den Pedro Miguel-Schleusen. © picture alliance / dpa / Alejandro Bolivar
Von Regina Kusch |
30.000 Menschen starben, der Bau dauerte über 20 Jahre: Vor 100 Jahren passierte das erste Schiff den Panamakanal. Er verkürzt den Seeweg von der Ostküste zur Westküste Nordamerikas um 15.000 Kilometer und ist das größte Bauprojekt der Menschheit. Doch der erste Weltkrieg überdeckte die Feierlichkeiten.
"Soviel ist gewiss, gelänge ein Durchstich derart, dass man mit Schiffen von jeder Ladung und jeder Größe durch solchen Kanal aus dem mexikanischen Meerbusen in den Stillen Ozean fahren könnte, so würden daraus für die ganze zivilisierte und nicht zivilisierte Menschheit ganz unberechenbare Resultate hervorgehen."
So wie Goethe 1827, träumten schon viele Gelehrte und Entdecker seit Beginn der Neuzeit davon, einen Wasserweg vom Atlantischen zum Pazifischen Ozean durch die Landenge zwischen Nord- und Südamerika zu bauen, und die langwierige, gefährliche und teure Umfahrung Südamerikas bei Kap Horn zu vermeiden.
"Wundern sollte es mich aber, wenn die Vereinigten Staaten es sich würden entgehen lassen, ein solches Werk in ihre Hände zu bekommen. Es ist vorauszusehen, dass an dieser ganzen Küste des Stillen Ozeans sehr bedeutende Handelsstädte entstehen werden. Dieses möchte ich erleben, aber ich werde es nicht."
Goethe sollte mit beiden Annahmen Recht behalten. Doch vor den Amerikanern nahm zunächst 1881 der Erbauer des Sueskanals, der Franzose Ferdinand de Lesseps das gigantischste Bauprojekt der Menschheit in Angriff: einen 82 Kilometer langen, stufenlosen Graben, der 26 Höhenmeter überwinden musste. Doch er scheiterte. Gelbfieber, Malaria und Flutkatastrophen hatten in zehn Jahren über 20.000 Arbeitern den Tod gebracht und de Lesseps' Aktiengesellschaft, samt Hunderttausenden von Anlegern, finanziell ruiniert.
Bau unter dem Schutz Panamas von den USA
Unter Präsident Theodore Roosevelt verhandelten dann die USA mit der kolumbianischen Regierung über die Baugenehmigung für einen Panamakanal. Doch weil die hohe Gebühren verlangte, entschlossen sich die USA, einen Putsch der panamaischen Separatistenbewegung zu finanzieren. Stefan Rinke, Professor für die Geschichte Lateinamerikas an der Freien Universität Berlin:
"Ihr Interesse war natürlich klar, ein kleines, losgelöstes Panama, was schwach war, das war natürlich ideal, sich als Schutzmacht zu präsentieren und zu sagen, wir garantieren eure Unabhängigkeit, aber dafür müsst ihr uns den Kanal bauen lassen und ihn uns für 100 Jahre vermieten. Letztendlich war das Ergebnis die Unabhängigkeitserklärung Panamas, die Gründung eines neuen Staates unter dem Schutz der USA."
Zweifler im Kongress, die nach dem französischen Desaster einen Kanal durch Nicaragua für erfolgversprechender hielten, wurden überstimmt.
"Da hat man dann darauf hingewiesen, dass Nicaragua ein von Naturkatastrophen heimgesuchtes Land ist und hat auf die speienden Vulkane auf den Briefmarken Nicaraguas verwiesen und damit die Stimmung zugunsten der Panama-Befürworter gekippt."
Schleusenanlagen um den Kanal für immer zu sichern
1903 kauften die USA die französische Bauruine. Im MDR-Hörspiel "Wasserstraße durch das Land" stell Chefingenieur John Stevens sein neues Kanalkonzept vor:
"Stellen Sie sich diesen schmalen, engen Graben doch nur einmal vor. In der Regenzeit werden Erdrutsche ihn immer wieder verstopfen. Außerdem müssen wir die Wassermassen des Chagres ein für alle mal bändigen, sonst bleibt dieser Fluss für immer ein unsicheres Moment. Wenn wir ihn aber aufstauen, sind wir das Problem für immer los und gleichzeitig können die Schiffe den See als Fahrwasser benutzen. Sicher, wir brauchen dazu Schleusenanlagen, aber dann haben wir einen Kanal, der für immer sicher ist."
Ein welthistorisches Ereignis ohne Feierlichkeiten
Gustave Eiffel, der Erbauer des Eiffelturms, entwarf die gewaltigen Schleusentore. 56.000 Männer aus 97 Nationen schafften weitere zehn Jahre lang Erdreich aus dem Kanalbett. Dass der Bau noch einmal über fünfeinhalb Tausend Tote, meist Schwarze, gefordert und zahlreiche Krüppel unversorgt zurückgelassen hatte, erfuhr in den USA kaum jemand. Doch als am 15. August 1914 das erste Schiff den Kanal passierte, geschah das ganz ohne Feierlichkeiten. Stefan Rinke:
"Ein welthistorisches Ereignis, das im europäischen Gedächtnis keine Rolle spielt, weil es überdeckt wird vom Ersten Weltkrieg. Die USA schreiten in die Zukunft im August 1914 mit dieser Verwirklichung eines Menschheitstraums und die Europäer stürzen ab, indem sie in die Grabenkriege sich begeben und dort gegenseitig umbringen."
Der Panamakanal stand am Anfang des "amerikanischen Jahrhunderts". Heute ist er für den modernen Frachtverkehr zu eng geworden. Ein internationaler Konzern hat mit dem Ausbau begonnen. Gleichzeitig entwickelt ein chinesischer Investor Ideen für ein Konkurrenzprojekt, in Nicaragua. Das könnte dann vielleicht der Auftakt werden für ein "chinesisches Zeitalter".
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