Allach bei München
Generalhersteller von Leopard-Panzern ist Krauss-Maffei Wegmann mit Hauptsitz in Allach bei München. (Symbolbild) © Getty Images / Günter Vahlkampf
Der Lärm der Leoparden
06:12 Minuten
Deutschland liefert Leopard-2-Panzer an die Ukraine. Getestet werden die auch auf einem Parcours bei München - und das schon seit Jahrzehnten. Gegen den Lärm wehren sich nun Anwohner. Der Vorwurf: Eine Baugenehmigung für die Teststrecke gab es nie.
Wenn Gerhard Moosburger auf seiner Terrasse steht, hört er fast an jedem Tag dieses dumpfe Geräusch. Rollende Panzer, die über Hindernisse fahren, drehen, starten, stoppen. Teils Samstag am Vormittag und wochentags ab 7 Uhr in der Früh. Wenn es noch mehr werde, sei es nicht mehr auszuhalten, sagt er. „Wann wollen die noch fahren? Morgens um 7 fahren sie schon und bis 17 Uhr fahren sie auch öfter.“
Wie groß die Lärmbelastung genau ist, kann er nicht genau sagen. Aber dass es laut ist, schon. Seine Nachbarin und die Mitstreiter der Bürgerinitiative "Schule statt Panzer" empfinden das ähnlich.
„Wenn der Wind ungünstig steht, kann es passieren, dass du dein eigenes Wort im Garten nicht mehr verstehst“, sagt Moosburgers Nachbarin. „Wenn man davon ausgeht, dass so ein Panzer mit 130 Dezibel fährt – wir sind hier 200 Meter von der Strecke weg – dann kann man sich vorstellen, wie laut es tatsächlich ist.“
Petition gegen die Panzerteststrecke
2020 startete die Bürgerinitiative „Schule statt Panzer“ eine Petition an den bayerischen Landtag. Ihre Anwälte haben das Münchner Referat für Klima und Umwelt (RKU) dazu aufgefordert, die Panzerteststrecke von Krauss-Maffei Wegmann stillzulegen. Der Grund: Die Strecke wurde nie genehmigt.
„Ich habe immer das Gefühl, dass noch vor ein paar Jahren die Stadt München gesagt hat, das gehört hierher“, so Moosburger. „Ich glaube, dass man jetzt bei der Stadt München und dem RKU einsieht, das muss man prüfen. Ist das alles so in Ordnung? Wo liegen die gravierenden Fehler?“
Zugespitzt hat sich die Situation durch eine mehrgeschossige Wohnanlage direkt gegenüber des Firmengeländes – ein massiver Wohnblock, der den Schall zusätzlich reflektiert.
Anwälte: Hätte Genehmigung gebraucht
Fakt ist: Als die Strecke 1964 gebaut wurde, gehörte das Gelände am nördlichsten Stadtrand München zu dem am wenigsten bebauten Flächen der Stadt. Eine Baugenehmigung habe man damals nicht benötigt, heißt es vonseiten der Rüstungsfirma.
Ganz klar ist das nicht: Anwälte sind überzeugt, dass die Anlage hätte genehmigt werden müssen und deshalb nicht legal sei, auch nach Bundesemissionsschutzgesetz. Das dem bayerischen Umweltministerium für Umweltschutz unterstellte Landesamt für Umweltschutz (LFU) stellte im März 2020 nach fast 60 Jahren ebenfalls fest: Der Testparcours von einem Kilometer Länge ist illegal und den beantragten Fahrten von 60 und 65 Testrunden pro Panzertestfahrt könne nicht zugestimmt werden.
In der riesigen Kantine der Rüstungsfirma, gebaut 1939 im Dritten Reich und denkmalgeschützt, wird seit der Petition der Bürgerinitiative und Androhung der Schließung der Panzerteststrecke heftig diskutiert. Anwohner wurden zu Informationsveranstaltungen eingeladen.
Teststrecke außerhalb eine Lösung?
Hubert Otto, der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende von Krauss-Maffei Wegmann, empört sich: „Wenn man über 50 Jahre lang nie etwas hört, dass es illegal wäre – bei jedem Bauantrag, der gestellt wird, muss man ja Pläne von der Umgebung und allem einreichen – und nie hat es ein Problem gegeben und jetzt auf einmal gibt es eines.“
Vorschläge für eine Teststrecke außerhalb des Münchner Stadtgebiets, zum Beispiel in Niederbayern, lehnt Betriebsrat Otto ab. Das Problem werde so nur verlagert, nicht gelöst, ist er überzeugt.
Ein Mitarbeiter der Rüstungsfirma weist darauf hin, es sei von Firmenseite bereits eingelenkt worden: „Die Rundenanzahl wurde schon reduziert auf ein Minimum.“ Ein anderer betont: „Um die Qualität zu sichern, muss man das Fahrzeug testen, in jeder erdenklichen Lage testen und fahren.“ Das sei existenziell für die Firma.
Konzern: Arbeitsplätze in Gefahr
Der Geschäftsführer von Krauss-Maffei Wegmann warnt, dass sein Rüstungsbetrieb ohne die Teststrecke „bestehende Lieferverpflichtungen beim Leopard 2 oder dem Puma nicht mehr einhalten“ könne – so Ralf Ketzel gegenüber dem Münchner Merkur.
Mittelfristig ginge es zudem um die Frage, wie Krauss-Maffei Wegmann seine Kompetenz und damit die Firma generell am Münchner Standort halten könne. Dabei spricht er von rund 500 gefährdeten Stellen und nicht mehr – wie noch 2021 – von 1650 Arbeitsplätzen. Eine Interviewanfrage des Deutschlandfunks dazu wurde abgelehnt. Der Konzern wird in seinem Protest unterstützt von der Gewerkschaft IG Metall München.
„Wenn hier die Produktion nicht mehr stattfindet, warum soll dann Krauss-Maffei Wegmann die teure Fläche in München dafür benutzen, die Entwicklung und Forschung hier sitzen zu haben“, sagt Stefanie Krammer von der IG Metall München. „Dann ziehen die ganz weg.“
Umweltreferat muss entscheiden
Mit Arbeitsplätzen habe das nichts zu tun, meint hingegen Anwohner und Kritiker Moosburger. „Wir sind auch keine Pazifisten, das ist nicht das Thema: Wollen oder wollen wir die Panzer nicht.“ Das Thema klammerten sie aus, weil es mit dem eigentlichen Anliegen nichts zu tun habe. „Es geht uns wirklich nur um Gesetz und Recht“, beteuert Moosburger.
In Wohngebieten mit Gewerbebetrieb sind laut gesetzlichen Vorgaben tagsüber nur 60 Dezibel und nachts 45 Dezibel zulässig. Wie es an der Grenze von Wohngebieten zu Industriegebieten gehandhabt wird, das muss jetzt das Münchner Umweltreferat unter Leitung der Grünenpolitikerin Christine Kugler entscheiden.