Papst in der Türkei

Franziskus auf Versöhnungstour

Der türkische Staatspräsident Erdogan beim Empfang von Papst Franziskus in Ankara.
Der türkische Staatspräsident Erdogan hat in Ankara Papst Franziskus empfangen. © picture alliance / dpa / Filippo Monteforte
Moderation: Ute Welty |
Mit seiner Reise will Papst Franziskus auch auf die Muslime in der Türkei zugehen. Sein Ruf im Land sei gut, sagt der Jesuitenpater Felix Körner. Franziskus könne es schaffen, Brücken zu bauen.
Der Besuch von Papst Franziskus in der Türkei steht nach Ansicht des Jesuitenpaters und Islamwissenschaftlers Felix Körner unter einem einfacheren Vorzeichen als der Besuch seines Vorgängers Benedikt XVI. im Jahr 2006. Papst Franziskus könne es schaffen, Brücken zu bauen, sagte der Professor der Päpstlichen Universität Gregoriana am Samstag im Deutschlandradio Kultur.
Auch Benedikt habe es geschafft, mit seinem Besuch Versöhnung zu schaffen, aber Franziskus habe schon vor seinem Besuch einen sehr guten Ruf und eine gute Presse in der Türkei gehabt, so der Pater. "Sie finden es faszinierend, dass da ein Mann ist, der seine Religion glaubwürdig lebt, bescheiden lebt und Impulse aus der Religion in seine Kirche, aber auch in die ganze Welt sendet, die glaubwürdig sind.
Klare Botschaft: Jede Religion soll Friedensbringer sein
Gleichzeitig schaffe der Papst es, die klare Botschaft zu vermitteln, dass das Christentum und jede Religion Friedensbringer sein solle. Damit beziehe er den Islam ein, ohne Schuldzuweisungen zu implizieren. "Er ist sich sehr bewusst und sagt es auch: Auch die meisten Muslime leiden unter der islamistischen Gewalt", betonte Körner. So habe Papst Franziskus in einer seiner programmatischen Schriften im vergangenen Jahr erklärt, dass ein richtig verstandener Islam Gewalt ebenfalls ablehne. Auch unter muslimischen Theologen laufe nun der Prozess, Gewalt deutlicher unter Bezug auf den Islam zu verurteilen.

Das Gespräch im Wortlaut:
Ute Welty: Vielleicht ist der Zeitpunkt heikel, vielleicht genau richtig. Drei Tage lang besucht Franziskus die Türkei, ist das Oberhaupt der katholischen Kirche zu Gast in einem muslimischen Land. Und direkt zu Anfang dieser Reise hat Franziskus das getan, was er vielleicht am besten kann, er hat Klartext geredet und die Angriffe der Terrormiliz Islamischer Staat auf Christen und andere religiöse Minderheiten im Irak und in Syrien verurteilt. Aber zwischen Türken, Europäern und Amerikanern gibt es durchaus Unterschiede, was den Kampf gegen den IS und die probaten Mittel dafür angeht. Ein Kenner aller Seiten ist Pater Felix Körner, Professor an der Theologischen Fakultät der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom und seines Zeichen jesuitischer Theologe und Islamwissenschaftler. Guten Morgen!
Felix Körner: Guten Morgen, ich grüße Sie!
Welty: Acht Jahre ist es jetzt her, dass ein Papst die Türkei besucht hat, das war 2006, Benedikt XVI., unterschiedliche Päpste zu unterschiedlichen Zeiten – lassen sich diese Reisen, diese Missionen trotzdem vergleichen?
Körner: Ja, natürlich gibt es einige Parallelen, aber auch im Vergleich kann man ja immer so ein paar Eigenakzente dann sehen. Also Papst Benedikt kam ja im selben Jahr, in dem er diese Regensburger Rede gehalten hatte, und da kam eine Formulierung im Zitat nur vor, aber die natürlich trotzdem die muslimische Welt in Aufregung versetzt hatte, also: Zeig mir doch, was dein Prophet, sagt ein Christ einem Moslem, an Neuem gebracht hat, und da wirst du nur Ausbreitung der Religion mit dem Schwert finden. Und das hat auf türkischer Seite, genau wie in anderen islamischen Ländern, Verstimmung hervorgerufen, und da musste Papst Benedikt eben erst mal ein Versöhnungszeichen setzen, und das ist sehr schön geglückt. Damals hat man ja dann vom Frieden von Istanbul gesprochen, als er in der Moschee zusammen mit dem Mufti von Istanbul stand und betete.
Jetzt bei Papst Franziskus gibt es keine vorausgehenden Verstimmungen, im Gegenteil, Papst Franziskus hat einen sehr guten Ruf und auch eine gute Presse in der Türkei, also sie finden faszinierend, dass da ein Mann ist, der seine Religion glaubwürdig lebt, bescheiden lebt und der Impulse aus der Religion in seine Kirche, aber auch in die ganze Welt sendet, die glaubwürdig sind. Also die Türken sehen ihn positiv und verwenden auch manchmal so Zitate von ihm, um zu sagen, was sie ja als gläubige Menschen auch wollen. Und deswegen haben wir also andere Vorzeichen, aber wir haben natürlich ganz ähnliche Botschaften: Das Christentum und jede Religion sollen Friedensbringer sein – und das hat er sehr schön gestern Abend auch zweimal betont, sowohl in der Religionsbehörde als auch vorher bei Erdogan. Und er hat auch sehr treffend gesagt, wir leiden mit den an den Anschlägen zu Schaden Kommenden – Jesiden, Christen und anderen. Das heißt auch, er ist sich sehr bewusst und sagt es dann eben auch, auch die meisten Muslime leiden unter der islamistischen Gewalt.
Franziskus sucht den interreligiösen Dialog
Welty: Da gibt es ja ein jüngstes, ein trauriges Beispiel eben aus Nigeria, der Anschlag auf die Moschee dort mit seinen vielen Opfern wird den Papst sicherlich bewegt haben. Inwieweit kann so ein gemeinsamer Moment der Trauer und des Innehaltens vielleicht auch helfen, Brücken zu bauen zwischen Christen und Muslimen?
Körner: Ganz genau. Also das Wort, das eigentlich sogar schon Papst Benedikt vorgegeben hat, ist, dass interreligiöser Dialog aus katholischer Sicht immer zwei Dynamiken hat. Die eine Dynamik ist, das nannte er damals in England, Face to Face, also wir schauen uns als gläubige Menschen an und stellen uns Fragen und können uns gegenseitig bereichern und reinigen, wie er sagte. Und dann gibt es aber eine zweite Dynamik, die heißt Side by Side, wir stehen auch Seite an Seite vor dem einen Herrn und vor unseren Gesellschaften und können eben auch miteinander Zeugnis ablegen.
Jetzt hat Papst Franziskus in seinem, sagen wir mal, programmatischen Schreiben letztes Jahr – Evangelii Gaudium heißt es – gesagt, ein richtig verstandener Islam lehnt Gewalt ebenfalls ab. Also er sagt auch, man muss eben die Texte und die Frühgeschichte jeder Religion auch heute richtig zu lesen wissen. Damit stimmt er überein mit der Mehrheit der Muslime, die genauso Gewalt ablehnen, aber es fehlte halt bis August letzten Jahres eine eindeutige mutige Verurteilung von muslimischer Seite der Gewalttaten im Fall von IS oder jetzt genauso natürlich von Boko Haram in Nigeria. Und seit August gibt es aber eine Reihe von sehr deutlichen Stellungnahmen, wo dann eben auch gesagt wird, selbst die Anwendung von Körperstrafen und die Anwendung irgendwelcher anderer Gewalt hat ganz klare Bedingungen im Islam, und deswegen könnt ihr überhaupt nicht beanspruchen, sagen Muslime zu anderen Muslimen, im Namen des Islam zu handeln oder auf der Grundlage des Korans.
Mitglieder der islamistischen Terrorgruppe Boko Haram (Bild: AFP)
Auch sie berufen sich auf den Koran: Mitglieder der Terrorgruppe Boko Haram.© AFP
Welty: Trotzdem noch mal die Frage: Inwieweit besteht zum Beispiel jetzt auch die Gefahr, dass sich die Schreckensbilder verfestigen? Der türkische Präsident Erdogan hat ja seinerseits eine zunehmende Islamphobie beklagt.
Körner: Ganz genau. Erst mal muss man sagen, Papst Franziskus kennt die Problematik, er hat auch in seiner Ansprache an Erdogan – vielleicht ist es in den Übersetzungen nicht so gut rübergekommen – sogar das Wort verwendet: Wir sehen auch irrationale Phobien. Das war ganz klar eine Anspielung darauf, dass es eben auch eine irrationale Angst vor Religionen geben kann – es gibt ja manche Leute, die reden inzwischen auch schon von einer Christenphobie –, also so was kann es geben.
Aber, ganz richtig haben Sie es auch eben gesagt, was im Augenblick geschieht, macht auch eine Angst vor dem Islam noch mal besonders nachvollziehbar. Das heißt nicht, dass sie richtig ist, aber diese Angst muss jetzt wirklich uns dazu bringen, zu sagen, miteinander als muslimische Vordenker, Leitungskräfte, Theologen, uns Christen zusammenzuformulieren, wie kriegen wir es klar, in unsere eigenen Gläubigen und in die Öffentlichkeit überhaupt hinein, dass die Verpflichtung eines Menschen durch Gott immer auch eine Verpflichtung zum klaren Gewaltverzicht ist, und dazu miteinander auf Versöhnung hin zu arbeiten.
Und da kratzt im Moment halt noch an manchen Stellen die Eigenreflexion, weil man islamischerseits so einen Reflex hat, wenn ich ein gemäßigter Moslem bin, dann sage ich zu Terroristenanschlägen gar nichts, weil das ja keinen wahren Muslime sind, und was soll ich dann dazu noch sagen, die kann ich ja nicht verurteilen, für die bin ich gar nicht verantwortlich. Gut, aber sie berufen sich halt leider doch auf die Frühgeschichte des Islam und den Grundtext Koran, und deswegen muss man hier auch klare Distanznahmen vornehmen, und da kann eben auch eine breite Front von muslimischen Theologen was tun. Aber in diesem Prozess sind wir eben auch im Gespräch mit islamischen Theologen, noch deutlicher Gewaltverurteilung, und zwar nicht nur mutig, sondern auch gut argumentiert auf islamischer Eigenbasis.
Welty: Und Papst Franziskus wird sicherlich auch heute dafür die richtigen oder dazu die richtigen Worte finden. Jesuitischer Theologe und Islamwissenschaftler Pater Felix Körner war das hier im Interview in "Studio 9". Danke dafür!
Körner: Alles Gute Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr zum Thema