Papst in Peru

Versöhnt Franziskus Goldsucher und Kleinbauern?

Man sieht den Papst im weißen Gewand lächelnd im Vordergrund, im Hintergrund unscharf jubelnde Zuschauer, die mit Handys fotografieren.
Papst Franziskus auf seiner Reise durch mehrere Länder Südamerikas. © Francisco Flores Seguel / Agencia Uno / dpa
Von Victoria Eglau |
Die peruanischen Kleinbauern im Amazonas bekommen sensationellen Besuch: Der Papst fliegt in den Regenwald, wo ein Konflikt zwischen illegalen Goldschürfern und Einheimischen brodelt. Franziskus will dort vermitteln.
Der Río Madre de Dios, auf Deutsch "Der Fluss der Muttergottes", schlängelt sich Hunderte von Kilometern lang durch den Regenwald im Südosten Perus. Er ist ein Nebenfluss des Amazonas und sein Wasser war, so sagen die Einheimischen, einmal so klar, dass man bis auf den Grund blicken und den Fischen beim Schwimmen zugucken konnte.
Heute ist der "Muttergottes-Fluss" braun und schlammig: Schuld daran ist der Goldrausch, der die Region Madre de Dios vor gut einem Jahrzehnt erfasst hat, als die Finanzkrise die globalen Aktienmärkte erschütterte und der Preis des Edelmetalls seinen Höhenflug antrat. Die Goldsucher waschen die kostbaren Körner aus dem Flussbett und dem Erdboden.
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Durch Goldanbau zerstörte Umwelt in Madre de Dios© Victoria Eglau
"Der allergrößte Teil der Goldsucher kommt aus anderen Teilen Perus und geht irgendwann wieder. Sie hinterlassen abgeholzte, zerstörte Wälder und eine verschmutzte Umwelt. Viele Einheimische stört das zwar, aber kaum einer beschwert sich, weil viele vom Goldabbau profitieren."

"Se compra oro" - Goldankauf an jeder Ecke

Blas Amaytuma, ein Einwohner der Region, die wie der Fluss "Madre de Dios" heißt, steht am Flussufer im Goldgräber-Städtchen Laberinto. Er deutet auf die Eisenwaren-Handlungen und Werkstätten, die den Goldsuchern ihre Geräte verkaufen und reparieren. Compro Oro, "Ich kaufe Gold", steht an vielen Geschäften, die die schäbigen Schotterstraßen von Laberinto säumen.
Amaytuma selbst will vom Gold nichts wissen. Er ist Chauffeur und fährt Touristen zu den Dschungel-Lodges, wo sie die Tier- und Pflanzenwelt Amazoniens hautnah erleben. Allein mehr als fünfhundert Vogel- und über tausend Schmetterlingsarten gibt es in Madre de Dios. Doch die einzigartige Biovielfalt verträgt sich nicht mit dem illegalen Goldabbau: Schätzungsweise siebzigtausend Hektar Wald sind in der Region bereits gerodet.
Die Touristen sehen sie nicht - die Schneise der Zerstörung, die sich durch den Regenwald zieht: endlos lang und so breit wie mehrere Autobahnen. Tote Erde und mit Quecksilber verseuchte Pfützen und Schlamm, soweit das Auge reicht.
"Die Waldrodung ist ein Desaster – sehr besorgniserregend für unsere Region und für ganz Peru. Der amazonische Regenwald ist doch wie eine grüne Lunge für uns."
...sagt der Bauer Bernardo Huanca Quispe, er spielt auf die Bedeutung des Tropenwaldes als Sauerstoffproduzent an. Huanca Quispe ist Vorsitzender einer Vereinigung von Campesinos, von Kleinbauern, in Madre de Dios. Sie bauen Kakao, Ananas, Bananen und Maniok an und wollen von der lukrativen Goldgewinnung nichts wissen.
Als vor vier Jahren illegale Goldgräber auf ihr Gebiet vordrangen, taten sich die Campesinos der Vereinigung El Progreso mit anderen Bauern zusammen und schmissen die Eindringlinge kurzerhand raus.
"Menschenhandel, Prostitution und Morde – all das bringt der Goldrausch mit sich. Die hohe Kriminalität in dieser Region ist eine Katastrophe. Und für uns Bauern ist das umweltschädliche Goldschürfen eine Gefahr. Das ist doch nicht nachhaltig – wir wollen von unserer Landwirtschaft auf Dauer leben."
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Se compra ora - Goldankauf im Städtchen Laberinto© Victoria Eglau

Die Sensation: Der Papst kommt!

Kein Zweifel - die peruanische Amazonasregion Madre de Dios nahe der Grenze zu Brasilien und Bolivien ist ein Brennpunkt ökologischer und sozialer Konflikte, und es ist alles andere als ein Zufall, dass nun der Papst hierherkommen wird. Franziskus‘ Besuch steht im Einklang mit seiner 2015 verfassten Enzyklika Laudato si‘, in der er seine Sorge um die Umwelt und die natürlichen Lebensgrundlagen der Menschen zum Ausdruck gebracht hat.
"Es ist sensationell, dass der Papst kommt. Sicher wird er hauptsächlich über die Umweltzerstörung sprechen, über die Vernichtung des Regenwalds und den Klimawandel, unter dem fast die ganze Welt leidet."
Das hofft Bauer Bernardo Huanca Quispe. Eine Veränderung des Klimas spürt auch er, und macht die Entwaldung dafür verantwortlich. Die Campesinos hätten mit mehr Dürreperioden zu kämpfen und die Hitze sei extremer geworden – deswegen könnten sie tagsüber nicht mehr so lang auf den Plantagen arbeiten. David Martínez, der örtliche katholische Bischof, der Papst Franziskus in Madre de Dios empfangen wird, wird mit den ökologischen und sozialen Folgen des Goldrausches tagtäglich konfrontiert. Für ihn steht fest:
"Der illegale Goldabbau wird als zentrales Problem unserer Region angesehen, aber eigentlich ist er ein Problem dieses Landes. Es geht um eine Menge chancenloser Peruaner, die irgendwie versuchen, über die Runden zu kommen. Der Staat hat die Kontrolle über den Goldabbau verloren. Und wenn er ihn ausmerzen würde, dann würden die rund 60-tausend Goldschürfer etwas anderes tun – etwa Bäume fällen und verkaufen – um zu überleben."
Madre de Dios ist ein Magnet für Migranten aus anderen Teilen Perus. Vor allem Menschen aus dem kargen, armen Andenhochland haben sich in den vergangenen Jahrzehnten im Amazonasgebiet niedergelassen, auf der Suche nach einem besseren Leben als Kleinbauer, Holzfäller oder Kautschuksucher, in den meisten Fällen aber als Goldgräber.
Im kleinen Hafen des Städtchens Laberinto starten schmale, lange Motorboote aus Holz, die Goldsucher auf den Fluss hinausbringen – zu den Abbaustätten. Mit Schwimmbaggern oder Saugschläuchen holen die Männer Sand und Kies vom Flussgrund, aus dem sie die Goldkörnchen mit Hilfe des giftigen Schwermetalls Quecksilber lösen.
Da die Goldwäscher meist in Ufernähe tätig sind, zerstören sie an vielen Stellen die Flussränder – die Überschwemmungsgefahr in der Region Madre de Dios ist dadurch in den vergangenen Jahren gestiegen.
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Boote, die die Goldschürfer zu den Abbaustätten fahren© Victoria Eglau
Mit dem Motorboot gelangt man auch zur Goldgräber-Siedlung Fortuna. Gut vierzig Familien leben hier in einfachen, aber adretten Holzhäusern in Flussnähe. Vor 40 Jahren kamen sie aus dem Hochland in die Amazonasregion, auf der Suche nach Fortuna, nach Glück. Jahrzehntelang holten sie das Gold auf herkömmliche Weise aus dem Fluss und aus dem Erdboden.
Doch inzwischen haben sechzehn Siedlungsbewohner beschlossen, umweltschonend zu arbeiten und auf Quecksilber zu verzichten – und dafür haben sie eine eigene Firma gegründet, mit Namen Fortuna Milagritos.
"Unser Ziel ist, sauberes Gold zu produzieren. Wir alle wollen ein besseres Produkt, um dafür auf ausländischen Märkten einen höheren Preis zu erzielen," erklärt Firmenchef Luís Quispe Huamán.

Öko-Gold gegen Umweltverschmutzung

Für ihr einzigartiges Projekt haben die Goldgräber von Fortuna Milagritos kürzlich eine kräftige Finanzspritze vom peruanischen Umweltministerium bekommen: umgerechnet gut 50.000 Euro. Mit Hilfe dieser Unterstützung bauen sie zurzeit eine Anlage, in der sie ihr Öko-Gold produzieren wollen. Dafür plant die Firma, sogenannte Rütteltische anzuschaffen, die mit ihren Vibrationen die Goldpartikel vom Sand trennen.
Noch bis vor kurzem haben die Männer von Fortuna Milagritos Quecksilber für die Goldgewinnung verwendet – so wie es Zehntausende anderer Goldwäscher in Madre de Dios auch tun. Und wenn Ermitaño Inca Huamani, ein Mitarbeiter der neugegründeten Firma, ehrlich ist, dann glaubt er bis heute nicht an die schädliche Wirkung dieses Schwermetalls:
"Ich persönlich arbeite seit 40 Jahren mit Quecksilber und bin quietschlebendig. Was soll das also bedeuten, wenn gesagt wird, dass das Quecksilber den Menschen schadet? Es heißt, dass die Fische vergiftet sind – das ist eine Lüge! Aber damit so etwas nicht mehr behauptet wird, werden wir künftig ohne Quecksilber Gold gewinnen."
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Biologe Cesar Ascorria Guanira untersucht Quecksilberbelastung© Victoria Eglau
Wer mit César Ascorra Guanira spricht, begreift, dass die Verseuchung einiger Fischarten längst Wirklichkeit ist. Der peruanische Biologe erforscht seit 2006 die Folgen des Einsatzes von Quecksilber und der Zerstörung des Regenwaldes für Natur und Menschen. Ascorra Guanira ist Direktor des Forschungszentrums Centro de Innovación Amazónica in Puerto Maldonado, der Hauptstadt des Departements Madre de Dios. Der Experte beschreibt, wie das beim Goldabbau verwendete Quecksilber in die Nahrungskette gelangt.
"Es verdunstet und steigt in die Atmosphäre auf und wird vom Wind davongetragen. Irgendwo anders gelangt es dann mit dem Regen in die Flüsse. Quecksilber ist schwer und sinkt auf den Grund. Dort wandeln Bakterien das anorganische in organisches Quecksilber um, sogenanntes Methylquecksilber, das weitaus schädlicher ist. Kleine Fische nehmen es zu sich, die von größeren Fischen gefressen werden, die wiederum von Menschen konsumiert werden."

Quecksilber im Wasser, im Fisch, im Menschen

Fisch ist ein Grundnahrungsmittel im peruanischen Amazonasgebiet. Einer neueren Studie zufolge sind in der Region Madre de Dios die Hälfte der Bewohner mit Quecksilber belastet, und zwar nicht nur Goldgräber, sondern auch viele Menschen, die weit von den Abbaustätten entfernt leben.
Am stärksten betroffen sind laut César Ascorra Guanira die indigenen Gemeinschaften, da sie traditionell besonders viel Fisch essen. Der Biologe berichtet über Fälle von Mikrozephalie, Schädelfehlbildungen bei Neugeborenen, aber das sei in Madre de Dios ein Tabu-Thema.
"Leg dich nicht mit den Goldunternehmern an, sagen die Leute hier, denn sie haben Geld, sie haben Macht, und wovon sollen wir ohne das Gold leben?"
Die Zustände sind bekannt: im Mai 2016 rief Perus damaliger Präsident wegen der Quecksilber-Verseuchung vorübergehend den Notstand in Madre de Dios aus. Aber geändert hat sich deshalb nichts am Problem der illegalen Goldgewinnung in Amazonien. Von Zeit zu Zeit heben Polizei und Umweltbehörden Lager von Goldsuchern aus und zerstören ihre Arbeitsgeräte. Doch diese Operationen sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Der peruanische Staat hat ganz offensichtlich keinen Plan, um den anarchisch wuchernden Goldabbau in eine legale, kontrollierte und umweltverträgliche Aktivität umzuwandeln. Javier Jahncke von der bergbaukritischen NGO Red Muqui in Lima prangert die Ambivalenz der Politik an:
"In der Tat arbeiten die meisten Goldschürfer illegal. Aber viele Goldförder-Konzessionen hat der Staat erteilt, sie sind legal. Das heißt, illegale Goldsucher arbeiten möglicherweise für Unternehmer, die eine Genehmigung vom Staat haben. Einem Staat, der zugleich nichts dafür tut, dass der Goldabbau unter besseren Bedingungen praktiziert wird. Und das liegt am Druck, den die Goldunternehmer-Lobby auf die Politik ausübt."
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Kleinbauern-Gemeinschaft El Progreso setzt auf Kakaoanbau© Victoria Eglau
Die Kleinbauern von El Progreso, die nur ein paar Dutzend Kilometer entfernt von den zerstörten Flächen im Regenwald leben, stehen unter Druck. Zwar konnten die Campesinos die Goldschürfer von ihrem Land fernhalten, aber ihre Situation ist dennoch schwieriger geworden – etwa, weil sie Hilfskräfte kaum noch bezahlen können. Das lukrative Goldschürfen hat die Löhne in der Region in die Höhe getrieben.
Rufino Huanca Tacuzi läuft durch die üppige Vegetation seiner Parzelle und begutachtet die in Gelb- und Rottönen leuchtenden Kakaofrüchte, die an niedrigen Bäumen hängen. Kakao bauen er und die anderen Bauern erst seit ein paar Jahren an – um in ihrem vom Goldrausch bedrohten Umfeld eine zusätzliche Einnahmequelle zu haben.
"Die Kakaofrucht braucht viel Feuchtigkeit, aber wir haben kein Bewässerungssystem, also ist Schatten wichtig. Als Schattenspender habe ich Guavenbäume gepflanzt."

Papst Franziskus: Die Natur schützen, die Armut bekämpfen

El Progreso und andere Bauern-Vereinigungen werden von der Hilfsorganisation Caritas international dabei unterstützt, die Produktion von Kakaobohnen zu perfektionieren, um sie zu einem guten Preis verkaufen zu können. Die lokale Caritas leistet auch technische Hilfe und Beratung bei der Anpflanzung sogenannter Agroforstsysteme, in denen Kakao- und andere Nutzpflanzen, etwa Bananenstauden, mit Wald kombiniert werden. Der Agraringenieur Juan José Díaz Viteri:
Für die Campesino-Familien bedeutet das eine Absicherung für die Zukunft. Falls nötig, können sie später mal einen Baum fällen und das Holz verkaufen. Heute tragen die Bäume zum Teil Früchte und helfen außerdem, die Bodenqualität zu verbessern. Die Agroforstsysteme sind auch eine Absicherung gegen Überschwemmungen. Ein bepflanzter Boden wird nicht vom Regen davongetragen.
In der Region Madre de Dios, in der tagtäglich viele Hektar Regenwald zerstört werden, leisten die Campesinos so ihren Teil zur Wiederaufforstung. Alejandrina Mamani Quispe von der Bauern-Vereinigung Santa Rosa sagt nicht ohne Selbstbewusstsein:
"Indem wir alle diese Pflanzen und Bäume pflanzen und pflegen, tragen wir zum Schutz der Umwelt bei."
In der Amazonasregion Madre de Dios müssen viele Interessen versöhnt werden: die der Bauern, die der kleinen Goldschürfer und die der lokalen Bevölkerung. Der örtliche Bischof Martínez sieht den Besuch von Papst Franziskus in direktem Zusammenhang mit Punkt 139 seiner Öko-Enzyklika: Um die Armut zu bekämpfen und sich zugleich um die Natur zu kümmern, sei ein ganzheitlicher Zugang notwendig, heißt es da.
"Der Papst sagt: Man muss den Schrei der Erde, aber auch den Schrei der Armen hören. Das tut man in unserer Region zweifellos. Franziskus kommt, um uns Hoffnung zu machen."
Bischof David Martinez vor einem Poster von Papst Franziskus
David Martinez, Bischof von Madre de Dias, freut sich auf Papst Franziskus© Deutschlandradio / Victoria Eglau
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