Paradoxe Planung
Morgen sollen die Ergebnisse des Architektenwettbewerbs für das Humboldt-Forum bekanntgegeben werden. - Für das Humboldt-Forum oder für das Berliner Schloss? Die Debatte hat gezeigt, dass hier ein massiver Konflikt besteht.
Erinnern wir uns: Die vom damaligen Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Klaus-Dieter Lehmann aufgebrachte Idee eines Museums der außereuropäischen Kulturen hatte den Wiederaufbau des Berliner Schlosses mit einem Schlage politisch durchsetzbar gemacht.
Inzwischen hat aber dieselbe Idee den Schlossgegnern und Anhängern der zeitgenössischen Architektur so viel Auftrieb gegeben, dass sie darüber den Wiederaufbau selbst in Frage stellen, also das neue Gebäude in der Kubatur des alten Schlosses mit den drei Barockfassaden und dem Schlüterhof. Das ist konsequent, denn ein Schloss, das nur aus Fassaden bestünde, das auf vorhandene Möbel und Kunstwerke, ein Schloss, das auf die Rückführung des großen Silberbuffets in den Rittersaal, das auf die Schlüterschen Verbindungen zwischen außen und innen verzichtete, auf Toreinfahrten, Treppenhäuser und Raumfolgen, ein solches Schloss wäre eine Absurdität. Ein Bau, der im Innern nichts, aber auch gar nichts mit den historischen Funktionen und Inhalten des Hauses zu tun hätte, wäre ein echter Schildbürgerstreich. Das "Humboldt-Forum" wäre das Trojanische Pferd, das die Initiatoren des Wiederaufbaus aus rein politischen und nicht aus inhaltlich sinnvollen Gründen hereinließen, andernfalls wären sie an diesem Punkt der Debatte vermutlich gescheitert.
Um zu verstehen, was hier vor sich geht, müssen wir weiter ausholen. Die
positive Besinnung auf die eigene Herkunft steht bei unseren Medienintellektuellen und ängstlichen Politikern immer noch unter Verdacht. Das "Nie wieder Deutschland" der überschießenden Vergangenheitsbewältigung wurde, wenn auch abgeschwächt, zum common sense der paradoxen Nachkriegsidentität: Es gehört zum guten Ton, sich nicht zu sich selbst zu bekennen. Der Schloss-Wiederaufbau ist dagegen ein Versuch, die Brüche und Wunden, die Deutschland und seine Hauptstadt im 20. Jahrhundert erlitten haben, symbolisch zu heilen und sich an eine neue, vorsichtig sich selbst bejahende Identität heranzutasten. Auch dass Berlin ab 1991 wieder Hauptstadt wurde, gehört in diesen erfreulichen Prozess.
Die Kompromissformel vom "Humboldt-Forum" kommt noch aus der alten Nachkriegsidentität und sie hat die Schlossidee mit den Grundsätzen der political correctness kompatibel gemacht. Als Museum für die Kunst und
Kultur Afrikas, Asiens, Nord-und Südamerikas, bestückt aus den Sammlungen der Staatlichen Museen, soll das Schloss ein Gegengewicht zur europäischen Kunstgeschichte bilden, die auf der nahen Museumsinsel zu sehen ist. Das gefällt jenen, die alles suchen und lieben, nur nicht die eigenen, kollektiven Wurzeln. Wo sich 500 Jahre europäischer Bau- und Kunstgeschichte konzentrierten, wünschen sie sich Einbäume aus Ozeanien.
Dafür braucht man in der Tat kein Schloss, auch wenn die betreffenden Sammlungen zum Teil in den Wunderkammern des Schlosses ihren Ursprung haben. Die öffentlich dominierenden Anhänger der zeitgenössischen Architektur hören denn auch nicht auf, es zu bekämpfen, als stünde die Wiedereinführung der Monarchie bevor oder als dürfte, falls sie unterlägen, in Deutschland nie wieder modern gebaut werden. Dabei hat das Berliner Schloss meist nur nebenbei als fürstlicher Wohnsitz gedient. Es war vor allem die Keimzelle des modernen Staates und das Bauvorhaben ist daher ein durchaus der Zukunft zugewandtes Zeichen für die innere Konsolidierung Deutschlands, das 1990 seine staatliche Souveränität wiedergewann.
Die paradoxe Identität der Deutschen lebt in dem knirschenden Kompromiss aus historischen Fassaden und allzu weit hergeholtem Innenleben fort. Die viel näherliegende Möglichkeit etwa, das Schloss teilweise auch innen zu rekonstruieren und, zum Beispiel, zum Sitz des Bundespräsidenten zu machen, wurde nie diskutiert. Lehmanns Nachfolger Hermann Parzinger hat sich derweil immerhin davon überzeugt, dass die Fassade ein minimales historisches Innenleben braucht. Die Nutzungsidee drängt von innen nach außen, die Rekonstruktionsidee von außen nach innen. Die Diskussion wird weitergehen.
Andreas Krause Landt: Verleger und Journalist, geb. 1963 in Hamburg. Studierte in Heidelberg und Berlin Germanistik, Philosophie und Geschichte. Seit 1997 Mitarbeiter der Berliner Zeitung. 1999 erschien sein Buch "Scapa Flow. Die Selbstversenkung der wilhelminischen Flotte", 2005 "Holocaust und deutsche Frage. Ein Volk will verschwinden" in der Zeitschrift Merkur (Heft 680), 2007 "Mechanik der Mächte. Über die politischen Schriften von Panajotis Kondylis" in "Panajotis Kondylis. Aufklärer ohne Mission" (hrsg. von Falk Horst). 2005 Gründung des Landt Verlags in Berlin (www.landtverlag.de).
Inzwischen hat aber dieselbe Idee den Schlossgegnern und Anhängern der zeitgenössischen Architektur so viel Auftrieb gegeben, dass sie darüber den Wiederaufbau selbst in Frage stellen, also das neue Gebäude in der Kubatur des alten Schlosses mit den drei Barockfassaden und dem Schlüterhof. Das ist konsequent, denn ein Schloss, das nur aus Fassaden bestünde, das auf vorhandene Möbel und Kunstwerke, ein Schloss, das auf die Rückführung des großen Silberbuffets in den Rittersaal, das auf die Schlüterschen Verbindungen zwischen außen und innen verzichtete, auf Toreinfahrten, Treppenhäuser und Raumfolgen, ein solches Schloss wäre eine Absurdität. Ein Bau, der im Innern nichts, aber auch gar nichts mit den historischen Funktionen und Inhalten des Hauses zu tun hätte, wäre ein echter Schildbürgerstreich. Das "Humboldt-Forum" wäre das Trojanische Pferd, das die Initiatoren des Wiederaufbaus aus rein politischen und nicht aus inhaltlich sinnvollen Gründen hereinließen, andernfalls wären sie an diesem Punkt der Debatte vermutlich gescheitert.
Um zu verstehen, was hier vor sich geht, müssen wir weiter ausholen. Die
positive Besinnung auf die eigene Herkunft steht bei unseren Medienintellektuellen und ängstlichen Politikern immer noch unter Verdacht. Das "Nie wieder Deutschland" der überschießenden Vergangenheitsbewältigung wurde, wenn auch abgeschwächt, zum common sense der paradoxen Nachkriegsidentität: Es gehört zum guten Ton, sich nicht zu sich selbst zu bekennen. Der Schloss-Wiederaufbau ist dagegen ein Versuch, die Brüche und Wunden, die Deutschland und seine Hauptstadt im 20. Jahrhundert erlitten haben, symbolisch zu heilen und sich an eine neue, vorsichtig sich selbst bejahende Identität heranzutasten. Auch dass Berlin ab 1991 wieder Hauptstadt wurde, gehört in diesen erfreulichen Prozess.
Die Kompromissformel vom "Humboldt-Forum" kommt noch aus der alten Nachkriegsidentität und sie hat die Schlossidee mit den Grundsätzen der political correctness kompatibel gemacht. Als Museum für die Kunst und
Kultur Afrikas, Asiens, Nord-und Südamerikas, bestückt aus den Sammlungen der Staatlichen Museen, soll das Schloss ein Gegengewicht zur europäischen Kunstgeschichte bilden, die auf der nahen Museumsinsel zu sehen ist. Das gefällt jenen, die alles suchen und lieben, nur nicht die eigenen, kollektiven Wurzeln. Wo sich 500 Jahre europäischer Bau- und Kunstgeschichte konzentrierten, wünschen sie sich Einbäume aus Ozeanien.
Dafür braucht man in der Tat kein Schloss, auch wenn die betreffenden Sammlungen zum Teil in den Wunderkammern des Schlosses ihren Ursprung haben. Die öffentlich dominierenden Anhänger der zeitgenössischen Architektur hören denn auch nicht auf, es zu bekämpfen, als stünde die Wiedereinführung der Monarchie bevor oder als dürfte, falls sie unterlägen, in Deutschland nie wieder modern gebaut werden. Dabei hat das Berliner Schloss meist nur nebenbei als fürstlicher Wohnsitz gedient. Es war vor allem die Keimzelle des modernen Staates und das Bauvorhaben ist daher ein durchaus der Zukunft zugewandtes Zeichen für die innere Konsolidierung Deutschlands, das 1990 seine staatliche Souveränität wiedergewann.
Die paradoxe Identität der Deutschen lebt in dem knirschenden Kompromiss aus historischen Fassaden und allzu weit hergeholtem Innenleben fort. Die viel näherliegende Möglichkeit etwa, das Schloss teilweise auch innen zu rekonstruieren und, zum Beispiel, zum Sitz des Bundespräsidenten zu machen, wurde nie diskutiert. Lehmanns Nachfolger Hermann Parzinger hat sich derweil immerhin davon überzeugt, dass die Fassade ein minimales historisches Innenleben braucht. Die Nutzungsidee drängt von innen nach außen, die Rekonstruktionsidee von außen nach innen. Die Diskussion wird weitergehen.
Andreas Krause Landt: Verleger und Journalist, geb. 1963 in Hamburg. Studierte in Heidelberg und Berlin Germanistik, Philosophie und Geschichte. Seit 1997 Mitarbeiter der Berliner Zeitung. 1999 erschien sein Buch "Scapa Flow. Die Selbstversenkung der wilhelminischen Flotte", 2005 "Holocaust und deutsche Frage. Ein Volk will verschwinden" in der Zeitschrift Merkur (Heft 680), 2007 "Mechanik der Mächte. Über die politischen Schriften von Panajotis Kondylis" in "Panajotis Kondylis. Aufklärer ohne Mission" (hrsg. von Falk Horst). 2005 Gründung des Landt Verlags in Berlin (www.landtverlag.de).