Wie nachhaltig können die Spiele wirken?
Am Mittwoch beginnen in Rio die Paralympics mit rund 4300 Athleten. Doch die Organisatoren müssen wegen der angespannten Haushaltslage Brasiliens mit massiven Kürzungen leben. So dürfte ein langfristiger gesellschaftlicher Wandel nur schwer zu erreichen sein, befürchtet Ronny Blaschke.
Ausverkaufte Wettkampfstätten, engagierte Helfer, mehr als drei Milliarden Fernsehzuschauer. Die Paralympics 2012 in London gelten als Meilenstein des Behindertensports. Drei Viertel der Briten gaben in einer Umfrage an, Behinderungen nun positiver zu sehen. Achtzig Prozent der Befragten mit einem Handicap möchten künftig selbst mehr Sport treiben. Worüber sich Philip Craven, der Präsident des Internationalen Paralympischen Komitees, freut. Trotzdem bleibt er skeptisch, was er schnelle Erfolge betrifft.
"Die Paralympics sind eine besondere Gelegenheit. Die Wahrnehmung in der Gesellschaft lässt sich nicht durch schärfere Gesetze verändern, sondern nur durch positive Erfahrungen. Das Wort "behindert" klingt sehr negativ. Doch wenn das Fernsehen die Wettkämpfe überträgt, und wenn die Athleten des Gastgebers Erfolg haben, dann werden viele Menschen ihre Haltung überdenken. Die Vorbereitungen der Paralympics dauern sieben Jahre. Aber wichtig ist es, die Transformation auch danach voranzutreiben. Es könnte zwanzig oder dreißig Jahre dauern, um einen wirklichen Wandel zu erkennen."
Athen, Sidney, Sotschi - wie sieht die Bilanz aus?
Diese Transformation wird selten dokumentiert. Nach den Paralympics 2000 in Sydney erweiterte die australische Regierung die Bauvorgaben für Barrierefreiheit, aber: die Sportförderung wurde zurückgefahren. In Athen profitieren Besucher mit einer Behinderung noch heute von der Infrastruktur für die Spiele 2004, aber der Behindertensport führt ein Schattendasein.
In Sotschi wurden für die Winterspiele 2014 Musterbauten geschaffen, aber diese Anlagen werden heute kaum noch genutzt. Die frühere Biathletin Verena Bentele ist seit 2014 Behindertenbeauftragte der Bundesregierung.
"Ich als Beauftragte kann da vielleicht auch nicht so viel machen, wie es ein großer Sportverband wie der DOSB beziehungsweise auch die deutsche Bundesregierung können. Da wirklich nachhaltig auch mal dranzubleiben und darüber zu berichten. Und da vielleicht in einem engen Austausch mit dem jeweiligen Land zu bleiben, das solche Sportereignisse austrägt, finde ich, wäre ein gutes Projekt auch der nachhaltigen Entwicklungszusammenarbeit der Zukunft.
Weil: Zum Beispiel in Peking ist es schon so, dass ich im Nachhinein immer wieder von Leuten erzählt bekomme, Menschen mit Behinderung werden weniger versteckt in China. Aber das eben auch noch mal mit mehr Belegen nachgewiesen zu haben, denke ich, wäre wirklich eine schöne und wichtige Geschichte."
Fast 30 Millionen Menschen leben mit einer Behinderung
In Brasilien leben fast dreißig Millionen Menschen mit einer Behinderung. Der Staat gehörte zu den ersten Unterzeichnern der UN-Behindertenrechtskonvention. Seine Gesetze sind fortschrittlich: für Barrierefreiheit oder für Quoten auf dem Arbeitsmarkt. Doch für behinderte Menschen in den Favelas sind Bildung, Medizin oder Rollstühle fast unerreichbar.
In einer Studie gaben achtzig Prozent der Menschen mit Behinderung an, dass sie sich nicht respektiert fühlen. Und diese Zahl dürfte weiter wachsen, denn die Ungleichheit zwischen Arm und Reich wird größer. Andrew Parsons, Präsident des Brasilianischen Paralympischen Komitees, rückt die Infrastruktur in den Mittelpunkt.
"Ich glaube, dass die Bewegungsfreiheit für behinderte Menschen in Rio besser wird. Im vergangenen Jahr wurde ein Gesetz zur Inklusion verabschiedet. Wir haben eine neue Metrolinie und viele modernisierte Stadtbusse. Wir stoßen viele Programme an, um bei Jugendlichen das Bewusstsein gegenüber Behinderungen zu verändern. In Sao Paulo ist ein modernes Trainingszentrum entstanden, für 15 paralympische Sportarten. Davon soll nicht nur der Leistungssport profitieren. Wir möchten dieses Zentrum auch für Athleten aus anderen lateinamerikanischen Ländern öffnen. Und warum nicht auch für Sportler aus anderen Ecken der Welt."
Es scheint vor allem der Spitzensport zu profitieren. Die Brasilianer verfügen über den einträglichsten Sponsorenvertrag aller Paralympischen Komitees weltweit. Die Bank Caixa überweist umgerechnet 8,3 Millionen Euro im Jahr. Nun während der Spiele sollen insgesamt 700.000 Euro an brasilianische Medaillengewinner überwiesen werden.