"Habe daran geglaubt, dass es ein Publikum für meine Geschichte gibt"
Mit 81 Jahren hat die US-amerikanische Dokumentarfilmerin Eleanor Coppla - Frau von Francis Ford und Mutter von Sofia - ihren ersten Spielfilm gedreht. Im Interview erzählt sie, wie schwer es war, für "Paris kann warten" Geldgeber zu finden.
Patrick Wellinski: Wie kam es eigentlich zur Genese Ihres Spielfilmdebüts "Paris kann warten"? War da eingangs der Wunsch einfach einen Spielfilm zu machen oder war da bereits diese konkrete Geschichte, die verfilmt werden musste?
Eleanor Coppola: Zunächst einmal war da diese Geschichte, die ich hier erzähle. Sie ist mir sehr ähnlich selber passiert. Da war diese Möglichkeit mit jemanden nach Paris zu fahren, der aber permanent Umwege fuhr. Und ich war sehr fasziniert von dieser Lässigkeit, wie da jemand, das gute, schöne Leben feiern konnte und sich komplett hat treiben lassen. Sie wissen schon: einfach mal anhalten, sich die Zeit nehmen irgendwo im Hinterland spontan zu Mittag zu essen, sich ein Eis holen oder einfach ein Museum zu besuchen. Solche Sachen.
Diese kleine Reise erlebte ich als kompletten Gegensatz zu meinem eigenen Verhalten. Ich war so gestresst, hab permanent auf mein Smartphone guckt, hab meine Zeitpläne und Termine sortiert und kontrolliert. Und dann sind noch ganz andere Dinge passiert, die mich sehr bewegt haben. Als ich dann zurück zu Hause war, habe ich einer Freundin von dem Trip erzählt, und die meinte sofort: Das ist der Stoff für einen Kinofilm!
Völlig überraschend ergab das auch für mich plötzlich Sinn. Klar, das hatte schon etwas Filmisches, der Roadtrip, die kleinen Stationen, die ich erlebt habe, das kann man machen, dachte ich. Ich hatte gerade ein Buch veröffentlicht und habe nach einem neuen Projekt gesucht. Naja und dann habe ich begonnen das Drehbuch zu schreiben, etwas, das ich übrigens noch nie gemacht habe. Und ich habe 45 Seiten geschrieben, und das erstmal ein paar Freunden gezeigt, sie um ihre Meinung gebeten. Sie haben sehr positiv reagiert, haben mich ermutigt, weiter zu machen. Das hat mir dann auch Spaß gemacht, diese Figurenentwicklung, die Konstruktion der Dialoge, das war eine sehr erfüllende Arbeit.
"Ich habe mich nie in der Rolle der Regisseurin gesehen"
Wellinski: Und dann wollten Sie das Ganze auch selber drehen?
Coppola: Naja, nicht ganz. Erst begann der frustrierende Teil des Finanzierens. Ich wollte eine Regisseurin finden und vielleicht ein oder zwei Stars mit an Bord holen, um dann mit diesem Paket zu den Produzenten und Filmfinanzierern zu gehen, um ihnen das ganze Projekt zu verkaufen. Aber ich habe keine Regisseurin gefunden, die mich überzeugen konnte. Ich wollte, dass der Film einen gewissen Stil hat. Die Suche war schwer.
Und mein Ehemann, Francis, der saß eines Morgens beim Frühstück und sah mich so aufgeschmissen und meinte nur, wieso machst du es nicht einfach selber. Das traf mich wie ein Blitz. Ich war geschockt! Ich habe mich nie in der Rolle der Regisseurin gesehen. Aber dann dachte ich mir, warum nicht. Also habe ich mich vorbereitet, habe sogar Unterricht im Regieführen und Schauspielen genommen. Und dann hat es dennoch sechs Jahre gedauert, um den Film zu finanzieren.
Wellinski: Und hat es Sie eigentlich überrascht, dass die Finanzierung so lange gedauert hat?
Coppola: Nun ja, man muss dazu wissen, das war kein Verkaufsschlager, ich war eine Debütantin, mit meinem eigenen Drehbuch, die noch dazu selber Regie führen wollte – da klatscht niemand in die Hände und gibt dir einen Sack voll Geld. Man muss auch wissen, dass die meisten Bankiers und Produzenten Männer sind, die ganz klare Vorstellungen davon haben, was einen guten Film ausmacht. Und mein Skript hatte das alles nicht. Keine Aliens, Roboter, keine Spezialeffekte oder Schusswechsel mit wilden Verfolgungsjagden. Es gibt kein Entführungen, keine dysfunktionale Familie, niemand stirbt oder hat Krebs und es gibt es auch keinen Sex.
Ich hatte also oberflächlich betrachtet nichts, was einen potentiellen Geldgeber interessieren würde. Aber ich habe daran geglaubt, dass es ein Publikum für meine Geschichte gibt. Deshalb habe ich begonnen das Geld zusammenzukratzen. Ich habe hier ein bisschen was bekommen, und da und dann aus Japan ein bisschen was, weil die so interessiert sind an schönen französischen Landschaften. Und irgendwann hatte ich dann genug Geld für "Paris kann warten".
"Eine Geschichte über unsere Unzulänglichkeiten"
Wellinski: Sie hatten ja schon erwähnt, dass die Geschichte sehr persönlich ist. Wie schwer war es dann beim Schreiben, eine gewisse Spannung zwischen der Hauptfigur Anne und ihre Reisebegleiter Jacques aufrechtzuerhalten, weil das ja letztlich der Motor der ganzen Geschichte ist, da ist was zwischen den beiden aber sie buchstabieren das nie aus.
Coppola: Die richtige Balance zu finden, war die ganz große Herausforderung. Wäre Jacques ein Arschloch, dann wäre die Geschichte unglaubwürdig. Und wenn er aber zu nett und zu perfekt wäre, dann würde das gleiche passieren. Ich wollte eine Geschichte über unsere Unzulänglichkeiten drehen. Annes Ehemann hat seine Makel. Auch Jacques ist wie gesagt nicht perfekt. So dass am Ende, die zentrale Figur, Anne, um die es ja geht, verstehen muss, dass ihr Ehemann nicht die Lösung all ihrer Probleme ist, aber auch der charmante Franzose kann nicht ihr Retter sein.
Wellinski: Wie würden Sie denn Anne dann am Beginn ihres Films beschreiben. Was geht in ihr vor? Ist sie einsam? Ist sie auf der Suche?
Coppola: Sie ist zunächst in der Routine gefangen, in die sich die besten Ehen manchmal hinein manövrieren können. Aber sie ist eben auch in einer Übergangsphase. Die Tochter ist ausgezogen und ans College gegangen. Ihr Geschäft wurde geschlossen. Und sie fragt sich: Was soll ich jetzt machen? Was ist mein nächster Schritt, meine nächste Aufgabe? Und sie guckt ihren Ehemann an und will, dass er ihr dabei hilft und ihr den Weg weist. Aber er ist so beschäftigt und abgelenkt, dass er diese Signale nicht lesen kann oder will. Sie hat Ohrenschmerzen, vielleicht ist das schon ja ein Signal, aber er ignoriert das. Anne sagt das auch nie direkt, sie hofft, dass er schon versteht, aber er merkt das eben nicht. Und deshalb wird diese Reise für sie ein Moment der Reflexion. Sie hält an, denkt nach, über sich und darüber was noch auf sie zukommen könnte.
Coppola: Sie ist zunächst in der Routine gefangen, in die sich die besten Ehen manchmal hinein manövrieren können. Aber sie ist eben auch in einer Übergangsphase. Die Tochter ist ausgezogen und ans College gegangen. Ihr Geschäft wurde geschlossen. Und sie fragt sich: Was soll ich jetzt machen? Was ist mein nächster Schritt, meine nächste Aufgabe? Und sie guckt ihren Ehemann an und will, dass er ihr dabei hilft und ihr den Weg weist. Aber er ist so beschäftigt und abgelenkt, dass er diese Signale nicht lesen kann oder will. Sie hat Ohrenschmerzen, vielleicht ist das schon ja ein Signal, aber er ignoriert das. Anne sagt das auch nie direkt, sie hofft, dass er schon versteht, aber er merkt das eben nicht. Und deshalb wird diese Reise für sie ein Moment der Reflexion. Sie hält an, denkt nach, über sich und darüber was noch auf sie zukommen könnte.
"Mein Film ist auch ein Märchen"
Wellinski: "Paris kann warten" ist für mich auch ein Film über den kleinen aber feinen Unterschied zwischen Liebe und Romanze. Was ist denn der Unterschied?
Coppola: Eigentlich gehen ja beide Hand in Hand. Aber mein Film ist ja auch ein Märchen. Gerade wenn wir diesen Trip durch die Augen der Frau betrachten. Es ist diese Fantasie, dass man am Scheideweg steht und dann kommt da plötzlich ein Mann, der sich komplett auf dich einlässt, der auf alles achtet, dir zuhört. Und wenn du sagst, die Rose ist meine Lieblingsblume, dann hast du wenig später einen ganzen Strauß davon auf deinem Tisch. Jemand der dich wertschätzt, der meint, alles was du machst, sei genauso richtig. Jemand, der auf deine Fotos guckt und sagt, du bist aber talentiert. Jacques ist dieser Mann. Er ermutigt sie. Er akzeptiert Anne als den Menschen, der sie gerade ist. Das ist natürlich eine weibliche Fantasie. In der männlichen Variante wäre die Frau die Erlöserin, aber das haben wir schon zu häufig gesehen.
Wellinski: Die Art und Weise, wie Sie ihre Geschichte erzählen, das hat eher etwas Europäisches. "Paris kann warten" ist für mich weniger ein klassischer amerikanischer Film. Ist das europäische Kino für Sie eine Inspiration gewesen?
Coppola: Vielleicht, wenn es um den Rhythmus der Erzählung geht, dann ja. Ich erzähle langsamer. So wie französische Filme gerne erzählen. Amerikanisches Kino ist wesentlich schneller erzählt, viele Schnitte, schnelle Bewegungen. Dass mein Film, dann aber doch kein "französischer" Film geworden ist, habe ich erfahren als ich kaum Geld aus Frankreich auftreiben konnte. Für die Franzosen fehlt meinem Film das Politische, die drängende Aktualität, die der Handlung etwas Gegenwärtiges verleiht. Meine Figuren reden nicht über die Politik, sie sind in ihrer eigenen Blase, abgeschnitten von den täglichen Schlagzeilen.
"Ich wollte, dass die Speisen eine eigene Filmfigur werden"
Wellinski: Es ist dann doch vielleicht Französisch unter dem Aspekt von Genuss. Es gibt viele Szenen in denen Jacques und Anne essen. Und sie zeigen sehr genau, wie das Essen aussieht. Und es sieht großartig aus! Das ist etwas, das man heute auch Foodporn nennt. Wieso war ihnen die Darstellung des Essen und der Mahlzeiten so wichtig?
Coppola: Essen kann ja auch sehr sexy sein. Auch allein der Akt des Essens kann ja schon viel über einen sagen. Aber ich wollte auch, dass die Speisen im Film zu einer ganz eigenen Filmfigur werden. Aber ich mag Essen auch, so einfach ist das. Und ja, auch ich fotografiere sehr gerne schön aussehendes Essen.
Coppola: Essen kann ja auch sehr sexy sein. Auch allein der Akt des Essens kann ja schon viel über einen sagen. Aber ich wollte auch, dass die Speisen im Film zu einer ganz eigenen Filmfigur werden. Aber ich mag Essen auch, so einfach ist das. Und ja, auch ich fotografiere sehr gerne schön aussehendes Essen.
Wellinski: Eine letzte Frage, die sie sicherlich ganz häufig gestellt bekommen. Hat denn Ihre Familie mittlerweile den Film gesehen und wenn ja, wie hat sie reagiert?
Coppola: Ja, meine Familie hat den Film gesehen. Meine Kinder waren echt erstaunt. Sie sagten: "Mom, du hast wirklich einen Spielfilm gedreht? Nicht schlecht!" Als Filmemacherin haben sie mich nie wirklich wahrgenommen. Und mein Ehemann, Francis, war sehr zufrieden, dass der Film am Ende überhaupt entstanden ist, weil er ja die ganzen Schwierigkeiten mitbekommen hat. Er hat sich gefreut, dass mir das Projekt nicht um die Ohren geflogen ist. Mit solchen Niederlagen kennt er sich ja sehr gut aus. Er hat mir auch mit ein paar rechtlichen Fragen geholfen, die gerade im Schnitt und der letzten Mischung aufgetaucht sind.
Und obwohl er anfangs gar nicht so begeistert war, dass ich genau diesen Stoff verfilmen möchte, und häufig sagte, dass ich da nur enttäuscht werden würde, ist er jetzt – glaube ich – ziemlich stolz. Der Film läuft bereits ein paar Wochen in den Vereinigten Staaten. Und Francis sitzt seitdem morgens am Rechner und kontrolliert die Einspielergebnisse und freut sich, dass mir am Ende eben nicht das Herz gebrochen wurde.