Ein Mekka für Entdecker
Am Samstag ist Recordstore Day. Er soll Aufmerksamkeit schaffen für die Schallplatte und die vielen kleinen Plattenläden auf dem Globus, die oft von Enthusiasten geführt werden. Ein Beispiel dafür: Superfly Records in Paris.
Mitten im Zentrum von Paris, unweit der Place de la République, liegt, versteckt zwischen hippen Modelabels und billigen Ramschläden, Superfly Records. Seit 2009 gibt es diesen Laden mit seinem überaus gut sortierten Angebot an Jazz, Soul, Funk und vielen vielen Grooves aus aller Welt.
Entwickelt hat er sich aus einem Online-Shop. Irgendwann sagten sich die beiden Betreiber Paulo Goncalves und Emmanuel Boubli, wenn sie selbst als Sammler eine Platte lieber anfassen, sie in den Händen halten und nicht nur im Internet anklicken, dann gibt es genug andere Sammler, die dies auch tun und diese sollten in ihrem Laden eine Anlaufstelle bekommen.
Früher dominierten ältere Käufer
Viele nahmen die Einladung an, auch wenn der Internetshop immer noch ein wichtiger Bestandteil des Ladenkonzeptes ist. Dieses hat sich seit der Eröffnung des Geschäftes kaum verändert. Nur erreichen die beiden Händler inzwischen auch ein ganz anderes Publikum als zu Beginn, wie mir Emmauel Boubli erzählt.
"Das Publikum hat sich in den letzten drei oder vier Jahren sehr verändert. Als wir den Laden 2009 eröffneten, da kamen überwiegend ältere Jazz-Sammler. Sie wussten genau, wonach sie suchen, hatten vielleicht schon andere Pressungen davon. Heute dagegen kommen viele junge Leute, eine ganz andere Generation. Sie kaufen auch ganz anders ein. Sie kaufen eine House-Maxi, eine alte afrikanische Platte und ein HipHop-Album. Für sie gehört das alles zusammen. Das ist auch für uns interessant, denn wir selbst kommen noch aus einer Zeit, in der man nur Jazz oder nur Weltmusik sammelte. Die Kids haben eine viel globalere Anschauung von ihrer Musik. Das ist sehr frisch und auch für uns sehr interessant."
Längst schon hat Paris London den Rang als Mekka der Plattensammler abgelaufen. Wo in London alteingesessene Händler vor steigenden Ladenmieten kapitulieren mussten, haben sich in Paris viele Läden schon über 30 oder 40 Jahre gehalten, ständig kommen neue wie Superfly hinzu. Das Geheimnis liegt im jeweiligen spezialisierten Angebot.
Wer die alten Platten von Led Zeppelin oder Eric Clapton sucht, ist z.B. bei Superfly falsch. Hier stehen rare karibische und afrikanische Platten neben Jazz und Soul. Viele Sammler und DJs haben hier lange Wunschlisten hinterlegt, die nach und nach abgearbeitet werden oder sie lassen sich von den auf der Internetseite und in den sozialen Netzwerken verbreiteten Songs und Alben des Tages zu neuen Wünschen inspirieren. Und es geht auch immer wieder darum, neue und bisher unbekannte Platten für ihre Käufer zu entdecken.
"Sowohl Paulo als auch ich, wir kaufen Platten seit über 30 Jahren an und wir wissen ziemlich genau: wenn man die guten Sachen haben will, muss man überall präsent sein. Natürlich kaufen wir private Sammlungen auf, gehen auf Flohmärkte oder haben unsere Leute, die dort für uns Platten suchen. Aber wir reisen auch nach Japan, Amerika, nach Afrika oder in die Karibik. Wir reisen sehr viel auf der suche nach Platten, auch wenn es mal schwer mit der Familie wird. Wir halten alle Quellen offen."
Eine Platte im eigenen Label pressen
Und was sie für sich selbst und ihre Kunden absolut nicht finden können, das veröffentlichen sie dann auf ihrem eigenen kleinen Label. Viele dieser Platten werden als Originalpressungen für mehrere hundert Euro gehandelt, einige auch über Tausend Euro. Aber das sind keine Argumente für die Plattenhändler.
"Unsere Idee war: wir machen unseren Versand selbst, pressen nur eine Auflage von tausend Stück und veröffentlichen nur die Platten, die wir selbst auch kaufen würden. Bis heute haben wir etwa 20 Platten veröffentlicht. 90% davon sind bei uns ausverkauft. Wir haben also kaum Fehler bis jetzt gemacht."
Dies ist eine dieser von Superfly neu aufgelegten Platten – Bamboo, eine japanische Jazzscheibe von Minoru Muraoka aus dem Jahr 1970. Aber wie verhält es sich für Paulo Goncalves und Emmanuel Boubli mit dem morgigen Recordstore Day? Der ist – wie in Deutschland so auch in Frankreich – längst nicht mehr unumstritten. Was einst als Feier der unabhängigen Plattenfirmen und unabhängigen Händler begann ist in den Augen vieler Sammler längst schon zu einer scheinbaren Gelddruckmaschine mutiert.
"Es ist ein guter Tag für die Plattenläden in Frankreich und wohl auch weltweit. Viele Leute kommen an diesem Tag zu uns, die wir im Rest des Jahres nie wieder sehen. Aber als die großen Plattenfirmen sich eingeschaltet haben, hat sich vieles verändert. Wir zum Beispiel wollen keine Bruce Springsteen-Platten für 30 Euro verkaufen, nur weil Recordstore Day ist. Wenn mir einer dieser Springsteen-Platte für 30 Euro am Montag danach anbietet, würde ich ihm gerade mal 3 Euro dafür geben. Das sind doch nur Ladenhüter! Wir kaufen auch zum Recordstore Day nur die Platten an, an denen wir selbst Interesse haben."