Scholz' Kabinett
Im Jahr 2021 sollte ein paritätisch mit Frauen und Männern besetztes Kabinett "keinen besonderen Stolz erzeugen“, meint Paulina Fröhlich. © Getty Images / iStockphoto / NoMad
„Diese Parität sollte Normalität sein“
07:56 Minuten
Das Kabinett von Olaf Scholz besteht aus ebenso vielen Ministerinnen wie Ministern. Für Paulina Fröhlich, Projektleiterin bei einem Thinktank, kein Grund zum Stolz. An anderen Stellen sieht sie Defizite. Und Regionalproporz ist für sie kein Kriterium.
Olaf Scholz hat bei der Vorstellung seines Kabinetts gesagt, es entspreche der Gesellschaft, in der wir leben. Dort machten Männer und Frauen jeweils die Hälfte aus – und deshalb müssten Frauen auch die Hälfte der Macht haben.
Das Kabinett paritätisch mit Männern und Frauen zu besetzen, sei nun auch gelungen - wenn man den Kanzler nicht mitzähle, sagt Paulina Fröhlich. Sie arbeitet beim Thinktank Das Progressive Zentrum und leitet dort den Programmbereich Zukunft der Demokratie.
Im Vergleich zu früheren Kabinetten könne man das loben. „Aber ich würde eher dafür plädieren, dass wir uns umschauen, in den Kalender blicken und feststellen, oh, es ist 2021. Und diese angestrebte Parität sollte Normalität sein und keinen besonderen Stolz erzeugen.“
Nicht richtig fortschrittlich
Bevor die Namen der Ministerinnen und Minister bekannt waren, sei mehrfach der Begriff „Kartoffel-Kabinett“ gefallen. „Mit der Ernennung von Cem Özdemir als Landwirtschaftsminister ist man an einem rein weißen Kabinett noch gerade so vorbei geschrabbelt.“ Aber so richtig vielfältig und fortschrittlich kann man das immer noch nicht nennen.“
Cem Özdemir ist der einzige Minister mit Migrationshintergrund. Vorkenntnisse zu seinem Ressort Landwirtschaft hat er nicht. Bei seinem Parteikollegen Anton Hofreiter wäre das anders gewesen.
Demokratie brauht viele Perspektiven
„Die Fachkompetenz spielt eine große Rolle. Gleichzeitig hat aber auch die Frage nach der Repräsentation eine erhebliche Bedeutung in der repräsentativen Demokratie.“ Zur politischen Repräsentation gehöre auch die Frage nach personenbezogenen Merkmalen wie Alter, Geschlecht oder Hautfarbe, erklärt Paulina Fröhlich.
„Eine besonders junge Ministerin bringt eine andere Perspektive, als eine besonders alte Ministerin. Oder ein schwarzer Abgeordneter ist durch andere Erfahrung geprägt als ein weißer. Man kann das Beispiel natürlich auch mit der Frau mit Doktortitel aus dem Akademikerhaushalt machen und einer Personen aus einem Arbeitermilieu.“ Diese Perspektivenvielfalt sollte Ziel jedes Parlaments oder jeder demokratischen Regierung sein, so Fröhlich. Natürlich sei die Fachkompetenz ebenso relevant.
Regionalproporz ohne Bezug zu Diskriminierung
Und welche Rolle sollte der Regionalproporz spielen? Cem Özdemir beispielsweise ist die einzige Person im Kabinett, die aus Süddeutschland kommt.
Die regionale Herkunft in Deutschland sei kein personenbezogenes Merkmal, welches zu struktureller Diskriminierung führt. Das sollte weniger ins Gewicht fallen als Kategorien, die sich auf Diskriminierungserfahrung beziehungsweise mangelnde Chancengleichheit beziehen, sagt Paulina Fröhlich. Es sei nicht das Ziel, die komplette Gesellschaft haargenau abzubilden, betont sie.
(abr)