"In Zypern herrscht wieder Zuversicht"
Am Sonntag wird in Zypern ein neues Parlament gewählt. Brav und stetig habe sich das Land aus der Krise herausgearbeitet, berichtet Thomas Bormann: Sollte demnächst auch noch die Wiedervereinigung der seit 42 Jahren geteilten Insel gelingen, wäre das eine Sensation.
Wahlspot Nikos Anastasiades: "Der Weg, der uns bevorsteht, ist sicherlich nicht leicht, aber mit einigen Kursänderungen, mit starkem Willen, mit Hartnäckigkeit und Eintracht werden wir ein besseres Zypern schaffen!"
Isabella Kolar: "Wir bündeln Kräfte", das war der Wahlslogan der konservativen Partei Demokratische Sammlung im Februar 2013. Eine Wahl, aus der Nikos Anastasiades als Sieger und Präsident Zyperns hervorging. Thomas Bormann, unser Korrespondent für die Region, Sie kommen gerade aus Zypern zurück, sind dort immer wieder. Was hat sich in Nikos Anastasiades' ja mittlerweile über dreijähriger Amtszeit auf der Insel verändert?
Thomas Bormann: Ich muss sagen, vieles. Vor allem haben die Zyprer doch ihren Optimismus wiedergefunden. Es herrscht wieder Zuversicht, dass es wieder aufwärts geht, auch mit der Wirtschaft auf Zypern. Vor drei Jahren, das fiel zufällig in den Amtsbeginn von Nikos Anastasiades, hatte Zypern die schlimmste Krise seit dem Zypern-Krieg 1974 erlebt, nämlich den Bankencrash im Frühjahr 2013. Damals stand das Land direkt am Ruin, direkt vor der Pleite. Ähnlich wie in Griechenland, musste ein Sparprogramm beschlossen werden, Zypern musste unter den Euro-Rettungsschirm, und ähnlich wie in Griechenland mussten die Löhne gesenkt werden. Aber anders als in Griechenland reichte in Zypern eben ein Sparprogramm, um das Land praktisch wieder aus der Krise herauszuführen. Und jetzt haben wir schon wieder Wirtschaftswachstum auf Zypern. Die Zahl der Arbeitslosen geht zurück, also es herrscht wieder die Zuversicht, die man aus den 80er-, den 90er-Jahren, den Zweitausenderjahren von den Zyprern kannte.
Kolar: Und ist diese Zuversicht das Ergebnis der Tatsache, dass Zypern Ende März den Euro-Rettungsschirm verlassen hat?
Bormann: Ja, durchaus auch, denn vorher gab es auf Zypern sogenannte Kapitalverkehrskontrollen, und das bedeutete, dass die Zyprer nur einen gewissen Bargeldbetrag pro Tag von ihrem Konto abheben durften. Das war am Anfang sehr wenig, nur hundert Euro pro Tag, später wurde es dann immer mehr. Die Zyprer durften dann jahrelang keine großen Geldsummen ins Ausland überweisen, das war schwierig. Wenn man zum Beispiel in den Urlaub fahren wollte und vielleicht in Frankreich oder Deutschland oder Schweden sich eine Ferienwohnung mieten wollte oder wenn die Kinder im Ausland studieren und man die Studiengebühren bezahlen will – das waren also alles so Hindernisse im Alltag. All diese Kapitalverkehrskontrollen sind vorbei, und auf Zypern fühlt man sich quasi wieder frei und wie gleichberechtigte EU-Bürger, die eben frei umherreisen können mit so viel Geld, wie sie wollen und haben.
"Ex-Pleiteinsel" aus dem Gröbsten raus
Kolar: Also habe ich Sie richtig verstanden, dass Zypern, die ehemalige "Pleiteinsel", somit aus dem Gröbsten raus ist?
Bormann: Ja, das kann man so sagen. Sie haben es also geschafft, die Banken zurechtzustutzen. Die hatten ja das Land in die Krise gestürzt mit ihren Milliardenspekulationen, und die Banken sind jetzt doch streng unter staatliche Kontrolle gestellt worden und können nicht mehr diese üppigen Finanzdienstleistungsgeschäfte weltweit anbieten, sondern das läuft heute alles in einem engen Rahmen. Außerdem hat sich die zyprische Wirtschaft breiter aufgestellt. Sie war vor 2013 sehr auf diese Bankgeschäfte konzentriert. Inzwischen besinnt man sich auch wieder darauf, dass der Tourismus noch weiter ausgebaut werden kann. Man wirbt dafür, dass man auf Zypern eben das ganze Jahr über Urlaub machen kann. Schon jetzt im Mai kann man dort bei 35 Grad einen richtigen Hochsommerurlaub verleben, und das wird gut vermarktet. Man sieht auch, dass es gut besucht ist, Zypern. Die Strände sind voll, die archäologischen Ausgrabungsstätten, die es dort gibt, die Klosteranlagen, all das wird von vielen Touristen besucht. Der Tourismus läuft. Außerdem wird die Schifffahrtsbranche ausgebaut, man steigt in den Energiesektor ein – also, die zyprische Wirtschaft ist breiter aufgestellt und man sieht jetzt in den zyprischen Zeitungen auch wieder mehr Stellenanzeigen, die Arbeitslosigkeit geht deutlich zurück, und die Regierung rechnet damit, dass es in diesem Jahr ein Wirtschaftswachstum von zwei bis zweieinhalb Prozent gibt. So ist also Zypern jetzt aus der Krise praktisch raus.
Kolar: Also von der Pleiteinsel zur Musterinsel. Am kommenden Sonntag wird nun ein neues Parlament gewählt. Sind Veränderungen zu erwarten?
Bormann: Nein, die sind nicht zu erwarten. Nach wie vor wird, das sagen alle Umfragen, die konservative Partei, der ja auch Nikos Anastasiades, der Präsident, entstammt, stärkste Fraktion bleiben und mit einer anderen Mitte-rechts-Partei die Koalition fortführen. Die größte Oppositionspartei ist und bleibt die kommunistische Partei, die ist traditionell sehr stark und wird auch so auf 30 Prozent kommen. Insgesamt gibt es aber auf der Insel Zypern so eine Art Konsenskultur, dass also auch Regierung und Opposition zusammenarbeiten. Die haben da keine Scheu, auch mal gemeinsam etwas zu beschließen, und das war vielleicht auch so ein bisschen mit des Rätsels Lösung, warum es Zypern so schnell geschafft hat, aus der Krise herauszukommen, vor allem, wenn man es mit dem großen Bruder vergleicht, nämlich Festland-Griechenland, das ja nun seit sechs Jahren in der Krise steckt und wo praktisch keine (Aus-)Sicht auf Besserung ist.
Wiedervereinigung noch im Jahr 2016?
Kolar: Wir hören ja gleich in unserem Feature Stimmen zur Wiedervereinigung auf der Insel. Spielt hier die Position der einzelnen Parteien für die Zyprioten im Wahlkampf eine Rolle?
Bormann: Doch, die spielt durchaus auch eine Rolle, denn Nikos Anastasiadis, der Präsident, hat ja am vergangenen Sonntag noch einmal betont, die Verhandlungen mit den türkischen Zyprern laufen gut, und wir wollen noch im Jahr 2016 zu einer Wiedervereinigung kommen. So also Präsident Anastasiadis zusammen mit seinem türkisch-zyprischen Verhandlungspartner Mustafa Akinci. Das wäre tatsächlich eine Sensation, wenn es gelingt, nach 42 Jahren Trennung die Insel wiedervereinigen zu können. Das ist durchaus ein Thema. Und hier haben wir die Besonderheit in der zyprischen Parteienlandschaft, dass der Koalitionspartner von Nikos Anastasiadis, also die kleinere Mitte-rechts-Partei, gegen eine Lösung ist, so wie sie jetzt ausgehandelt zu werden scheint. Aber die größte Oppositionspartei, eben die Kommunisten, die folgen hier dem Präsidenten. Wenn es um die Wirtschaftspolitik geht, dann kann er sich auf seinen Koalitionspartner verlassen, wenn es um die Wiedervereinigungsverhandlungen geht, kann sich der Präsident auf die Opposition verlassen. So hat er in jedem Fall eine breite Mehrheit. Und die Mehrheit der griechischen Zyprer, die am Sonntag dann ein neues Parlament wählen, die stehen auch hinter diesem Kurs des Präsidenten, dass man eben eine Einigung mit den türkischen Zyprern im Norden findet.
Kolar: Aber wie realistisch ist so eine Wiedervereinigung noch im Jahr 2016? Denn solche Träume von Fast-Wiedervereinigungen gab es in der Geschichte Zyperns ja immer wieder, oder?
Bormann: Ja, das hört man auch, wenn man sich umhört auf den Straßen Zyperns, egal ob im Norden oder im Süden. Dann sagen die Leute, ja natürlich hoffen wir, dass es eine Lösung gibt, aber wir glauben nicht so recht dran. Weil wir haben schon oft gehört, jetzt ist die letzte Chance der Wiedervereinigung, und wenn wir die nicht ergreifen, dann wird es niemals klappen. Das sagt man also jetzt auch wieder. Und letztlich ist die Wiedervereinigung immer daran gescheitert, dass Eigentumsfragen offen waren. Was geschieht mit all den Menschen, die im Zypern-Krieg vor 42 Jahren aus ihren Heimatdörfern vertrieben wurden? Dürfen die zurück? Sollen die ihre Häuser, ihre Grundstücke wiederbekommen? An diesen Fragen ist die Wiedervereinigung immer wieder gescheitert, und jetzt verhandeln also die beiden Volksgruppenführer Anastasiades und Akinci wieder über diese Fragen. Aber sie verstehen sich gut, und deshalb gibt es diesen Optimismus.
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