Parlamentswahl in der Türkei

Warum Erdogans AKP nun die "Kriegsdividende" bekommt

AKP-Anhänger in Istanbul nach Bekanntgabe der ersten Ergebnisse bei der türkischen Parlamentswahl
AKP-Anhänger in Istanbul nach Bekanntgabe der ersten Ergebnisse bei der türkischen Parlamentswahl © dpa / picture alliance / Cem Turkel
Von Reinhard Baumgarten |
Die AKP verdankt ihren Wahlsieg vor allem der kriegerischen Rhetorik der vergangenen Wochen, meint Reinhard Baumgarten. Damit konnte sie am rechten Rand verlorene Stimmen zurückgewinnen. Die Spannungen im Land dürften nun weiter zunehmen.
Der Aufwand hat sich gelohnt. Die Bombardierungen der PKK-Stellungen; die Polarisierung der Gesellschaft; die Übernahme oppositioneller Sender und Zeitungen; die Diskreditierung der prokurdischen HDP. Die Wähler haben den "Fehler vom 7. Juni" korrigiert. Genau das war der Wahlausgang vor fünf Monaten: ein Fehler.

Friedensprozess bleibt auf der Strecke

Diese Kurzanalyse stammt vom Präsidenten höchstselbst. Das ist jener 61-jährige Mann, der qua Verfassung zur Überparteilichkeit verpflichtet ist. Recep Tayyip Erdogan kann mit dem Wahlausgang zufrieden sein. Seine AKP hat die Verluste vom Juni weitgehend wettgemacht. Sie ist wieder alleine an der Macht. Zwischen dem 7. Juni und dem 1. November sind Hunderte Menschen gestorben, ist der Friedensprozess mit der PKK auf der Strecke geblieben, hat sich die Spirale der Gewalt wild gedreht. Nun könnte alles besser werden, weil die Wähler den von Erdogan festgestellten "Fehler" ja korrigiert haben. Es wird aber nicht alles besser.
Es wird nur wenig bis gar nichts besser. Das Land bekommt eine mutmaßlich "stabile" Regierung. Aber wofür wird diese Regierung stehen? Für Frieden, Rechenschaftspflicht, Berechenbarkeit, Bekämpfung der Korruption? Die AKP hat ihre im Juni verlorenen Stimmen am rechten und nationalistischen Rand wieder eingesammelt. Sie hatte die Stimmen bei der vorigen Wahl verloren, weil sie sich auf einen zaghaften Friedensprozess mit der PKK eingelassen hatte. Die Friedensdividende hatte bei der Juni-Wahl aber vor allem die HDP eingestrichen. Erdogan und seine AKP bekommen nach Wochen der Gewalt nun die Kriegsdividende.

AKP setzt auf Konfrontation

Die Politik der Kompromisslosigkeit und der eisernen Faust zahlt sich in Abgeordnetensitzen aus. Die ganz Rechten und Ultranationalisten mussten viele Stimmen an die AKP abgeben, weil die AKP nach der Juni-Wahl nicht auf Frieden und Ausgleich, sondern auf Konfrontation und Krieg gesetzt hatte. Die PKK hat ihren Beitrag zu diesem Wahnsinn geleistet. Der Ausgang der Wahl verheißt Gutes - für jene, die den starken Anführer Erdogan und dessen Qualitäten schätzen. Aber der Wahlausgang verheißt nichts Gutes für jene, die ihn ob seiner autokratischen Tendenzen und seinem Streben nach Macht kritisieren und politisch bekämpfen.
Die innertürkischen Spannungen dürften eher zu- als abnehmen. Die Türkei hätte mit einer Koalitionsregierung die Möglichkeit gehabt, eklatante Fehler vor allem der Außen- und Wirtschaftspolitik zu korrigieren. Nun heißt es: Weiter so, AKP! Und Erdogan wird aus seinem "Amt der Überparteilichkeit" nach diesem Wahlerfolg die AKP-Politik noch mehr bestimmen. Denn es waren seine Entscheidungen der vergangenen Monate, die zur innertürkischen Eskalation beigetragen und entscheidend geholfen haben, verloren gegangene Wähler wieder einzufangen.
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