Parlamentswahlen in der Türkei

AKP gewinnt überraschend deutlich

AKP-Anhänger bejubeln den Sieg ihrer Partei
AKP-Anhänger bejubeln den Sieg ihrer Partei © picture alliance/dpa/Deniz Toprak
Von Thomas Bormann, ARD-Studio Istanbul |
Die Anhänger der AKP von Staatspräsident Erdogan konnten letzte Nacht jubeln, hatte ihre Partei doch landesweit knapp 50 Prozent der Stimmen geholt. Katerstimmung hingegen bei der Opposition: Sie befürchtet weitere Repressionen gegen Politiker und kritische Journalisten.
Großer Jubel in der vergangenen Nacht in der zentralanatolischen Millionenstadt Konya, der Heimat von Ministerpräsident Ahmet Davutoglu: Hier stimmten 74 Prozent der Wähler für seine islamisch-konservative Partei, die AKP. Landesweit kam die AKP immerhin auf knapp 50 Prozent.
Das Kalkül von Staatspräsident Erdogan und der AKP-Führung ist aufgegangen, nämlich: Nach der Wahlschlappe vom Juni die Bürger einfach nochmal wählen lassen anstatt eine Koalition einzugehen und Kompromisse schließen zu müssen. Ministerpräsident Davutoglu klopfte sich quasi selbst auf die Brust und rief seinen Anhängern zu:
"Am 7. Juni wollte man, dass ihr euch duckt und schweigt. Aber ihr wart entschieden und habt euch für das Wohl eures Landes entschieden. Gott sei Dank dafür!"
Ganz staatsmännisch wandte er sich dann auch an jene Hälfte der türkischen Wähler, die gestern Abend nicht für die AKP gestimmt hatten:
"Fühlt Euch bitte nicht als Verlierer. Es gibt keinen Verlierer. Es gibt nur Gewinner. Der Gewinner ist unsere ganze Nation, unsere Republik und unsere Demokratie."
Opposition befürchtet weitere Einschränkungen der Meinungsfreiheit
Für die Opposition sind das leere Worte. Der Chef der Mitte-Links-Partei CHP, Kilicdaroglu, rief die AKP ausdrücklich auf, die Gesetze zu achten. Denn er fürchtet, die AKP werde sich nach ihrem Wahlsieg über Gesetze hinwegsetzen und die Meinungsfreiheit in der Türkei noch stärker einschränken.
Dasselbe befürchtet Selahattin Demirtas, Parteichef der prokurdischen HDP:
"Es herrscht keine Partystimmung. Denn ein bedeutender Teil der Gesellschaft ist nach wie vor sehr besorgt. Die Bürger fragen sich, wie weit es die AKP unter diesen neuen Bedingungen mit ihrem Wahsinn noch treiben kann."
Wahnsinn – damit umschreibt Demirtas die vielen Anschläge gegen Büros seiner Partei, der HDP; den wieder aufgeflammten Kampf im kurdischen Südosten der Türkei und die Strafandrohungen gegen kritische Journalisten, gegen Andersdenkende und gerade auch viele HDP-Politiker.
Hetzkampagnen gegen die Opposition?
Trotz diesem Druck habe die HDP die Zehn-Prozent-Hürde überspringen können und ist nun im türkischen Parlament vertreten, so Demirtas:
"Die Wahlen waren weder frei noch gerecht. Wir haben diese knapp elf Prozent aus einem Wirbelsturm heraus erzielt, ohne einen anständigen Wahlkampf führen zu können. Wenn diese Hetzkampage, die gegen uns geführt wurde, einer anderen Partei widerfahren wäre, sie würde wahrscheinlich heute nicht mehr existieren."
In der Kurden-Hochburg Diyarbakir gab es gestern Abend Zusammenstöße zwischen der Polizei und Demonstranten. Insgesamt verlief der Wahltag in der Türkei aber friedlich und ohne größere Zwischenfälle. In der Hauptstadt Ankara feierten Zehntausende AKP-Anhänger den Wahlsieg ihrer Partei bis tief in die Nacht.
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