Parodie oder psychologische Figur

Von Bernd Sobolla |
Wie Hitler im Film gezeigt werden kann, damit beschäftigte sich eine Tagung im Berliner Filmmuseum, zu der die Deutsche Kinemathek und der Bundeszentrale für politische Bildung eingeladen hatten. Filme wie "Der Untergang" von Oliver Hirschbiegel oder "Mein Führer" von Dani Levy stießen auf Kritikerschelte wie Publikumsinteresse.
Auszug aus Filmszene "Mein Führer": " Ohne Liebe ist der Mensch ein Vakuum. Ohne Liebe ist die Welt ein Loch. Ohne Eva bin ich selbst ein halber Mensch. Du bist das Schönste, du bist mein Schatz. "

In Dani Levys "Mein Führer – Die wahrste Wahrheit über Adolf Hitler" durfte der Führer alias Helge Schneider seiner Geliebten ein Ständchen singen. Und auch sonst erlebte man Hitler in vielen ungewohnten Situationen, mit einem Kriegsschiff in der Badewanne oder wie ein Hund auf allen Vieren. Rund 800.000 Zuschauer fanden das komisch, die meisten Kritiker nicht. Immerhin kann sich Dani Levy damit trösten, in einer Reihe der Gescholtenen zu stehen, in der sich auch der Historiker Joachim C. Fest befindet. Darauf wies Margrit Frölich von der Evangelischen Akademie Arnoldshain hin:

" Vor genau 30 Jahren erschien Joachim Fests Dokumentarfilm "Hitler eine Karriere" zu der gleichnamigen umfangreichen Biografie in den Kinos. Und in diesem Film hatte Fest eines versucht: Er hatte Bildmaterialien der Wochenschauen, sozusagen dokumentarisches Archivmaterial von Bildern montiert mit seiner eigenen Kommentarstimme unterlegt. Und in diesem Kommentar, so meinten viele Kritiker auch erkennen zu können, also die gleichzeitige Abscheu, aber auch eine Faszination sozusagen mit seinem Untersuchungsobjekt. "

Während des Dritten Reiches entstanden in Deutschland keine fiktionalen filmischen Bilder von Hitler. Im Gegensatz zu Stalin zum Beispiel, dem daran gelegen war, dass man ihn auch als fiktionale Figur, nämlich als Väterchen Stalin inszenierte. Auch Hollywood hielt sich lange Zeit zurück. Dann, 1939, noch vor Charly Chaplins "Der große Diktator" drehten die "Three Stooges" erste Kurzfilmparodien auf den Nationalsozialismus. Im Wesentlichen findet man zu Hitler drei Genres: historische Dramen, komische oder subversive Werke und Filme, die Hitler thematisieren, ihn aber nicht oder fast nicht zeigen.

Für Hans-Jürgen Syberberg zum Beispiel war Hitler eher ein allgegenwärtiges deutsches Phänomen. In seinem Siebeneinhalb-Stunden-Film "Hitler – Ein Film aus Deutschland" zeigt er den Führer nur in einer winzigen Szene als Person. Auffallend auch, dass viele Werke über Hitler fast völlig vergessen sind, obwohl Stars wie Alec Guinness, Anthony Hopkins oder Robert Carlyle Hitler spielten. Im Dokumentarfilm standen in den 50er und 60er Jahren die Schrecken des Krieges und der Vernichtungspolitik im Zentrum. Der Privatmann Hitler war nicht von Interesse. Die Filmforscherin Judith Keilbach von der Freien Universität Berlin meint sogar:

" Dass man Hitler vielleicht nur als Leerstelle inszenieren kann. Ich könnte mir vorstellen, das ein bisschen zuzuspitzen im Hinblick auf die dokumentarischen Formen, indem ich sage, dass es keine authentischen Dokumentarbilder von Hitler gibt. "

Denn alles um Hitler herum wurde von Goebbels und seinen Helfern inszeniert. Und doch gelang es zum Beispiel dem russischen Dokumentarfilmemacher Mikhail Romm in "Der gewöhnliche Faschismus" durch seinen ironischen Kommentar die Erhabenheit dieser Bilder zu durchbrechen.

Auszug aus Filmszene "Der gewöhnliche Faschismus": " Auch hier wird die Einigkeit zur Schau gestellt, und zwar beim Bau der Autobahn. Man könnte annehmen eine harmlose Angelegenheit. Aber die Autobahnen hatten strategische Bedeutung. Das war der erste Schritt zum Krieg. Gleich wird Hitler eine Rede halten. In seinem gewohnten Stil: Er beginnt scheinbar unsicher, aber dann schraubt er sich hoch bis zum Schreien / Und dieses … soll ein Riesenwerk zeigen, / er brüllt die einfachsten Dinge, / unsere Fähigkeit, unsere Entschlusskraft. Deutsche Arbeiter, an das Werk! / Heil! / Alles hätte man wesentlich ruhiger sagen können. Immerhin, er fand Anklang. "

Doch spätestens seitdem Guido Knopp im Fernsehen die Deutungshoheit über Hitler, seine Bilanzen, Frauen, Helfer und Krieger übernommen hat, hat sich das Interesse von Inhalten und Personenbeschreibungen hin zum Ereignis-TV verschoben. Für den Regisseur Boris Schafgans wird so eine Langzeitdramaturgie entwickelt:

" … in der die Themen Schauspielern gleich auf die Bühne treten, agieren und wieder abtreten, um Platz für die nächste Truppe zu schaffen. In der Reihenfolge fällt als Nächstes auf, dass jedes Thema in einer ganz bestimmten Form präsentiert wird. (…) Da ist Hitler der Superstar, sensationell, Urheber alles Bösen, aber irgendwie auch Objekt, Gegenstand einer Bilanz. So als würde ein politisches Magazin hingehen und einen bisher ungeahnten Skandal aufdecken. "

Weitgehend einig sind sich die Filmwissenschaftler, dass Guido Knopp oft Bilder und Sound verändert und darüber hinaus in unterschiedlichen Zusammenhängen einsetzt, so dass von einer dokumentarischen Arbeit nicht mehr gesprochen werden kann. Das ist dann schon fast so komisch wie Hitler im Internet. Dort erlebt der Führer einen Superboom. Allerdings hauptsächlich als Satirefigur: Eine Website versammelt Katzen, die wie Hitler aussehen, der Führer hält Beschwerdereden gegen Leasing-Unternehmen und tritt in Talkshows auf. Über 39.000 Einträge findet man unter dem Stichwort "Hitler" allein bei "Youtube". Dort singt, tanzt und rappt der Führer was das Zeug hält. Das trägt zumindest zur Endmystifizierung bei.

Die Tagung "Hitler darstellen" hat gezeigt, was für ein riesiges Spektrum um die Figur Adolf Hitler existiert. Allerdings wurde nicht ausreichend klar, warum so selten eine überzeugende Darstellung von Adolf Hitler gelingt. Wer die deutsche Filmgeschichte verfolgt, findet nicht einen Film über Adolf Hitler, der von der Kritik auch nur wohlwollend aufgenommen worden wäre. Und auch international wird immer nur auf Charly Chaplin, Mel Brooks und Ernst Lubitsch verwiesen. Das alles ist tiefe Vergangenheit.