Parteistiftungen

Die Betriebskosten der Demokratie

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Von Caroline Nokel |
Rund eine halbe Milliarde Euro erhielten die sechs großen politischen Stiftungen 2014 aus dem Bundeshaushalt, darunter die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung.Inwieweit werden die Stiftungen ihrem Bildungsauftrag gerecht? Welche Distanz haben sie zu den Parteien? Kommen die Steuermillionen wirklich da an, wo sie hingehören?
Überall ist Sparen angesagt – nur hier nicht: 468 Millionen Euro erhielten die sechs parteinahen Stiftungen im vergangenen Jahr aus dem Bundeshaushalt.
Friedrich-Ebert-Stiftung. Konrad-Adenauer-Stiftung. Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit. Hanns-Seidel-Stiftung. Heinrich-Böll-Stiftung. Rosa-Luxemburg-Stiftung
Allein in den letzten zehn Jahren stiegen die Mittel, die die politischen Stiftungen aus Steuergeldern erhielten, um 50 Prozent. Warum? Und was geschieht eigentlich mit dem Geld?
2000 Mitarbeiter im In- und Ausland. Seminare, Tagungen, Kolloquien. Akademien. Forschungsvorhaben. Begabtenförderung. Archive. Projekte. Politikberatung.
468 Millionen Euro. Zum Vergleich: Die Parteien bekommen zusammen nur rund ein Drittel dieser Summe an staatlicher Finanzierung. Ist der Betrag also angemessen, der da Jahr für Jahr den Stiftungen überwiesen wird? Oder ist etwas dran am Vorwurf des "Selbstbedienungsladens"?
Das rasante Ansteigen des Budgets der politischen Stiftungen allein sei noch kein Grund zur Sorge, erklärt der Direktor des Instituts für deutsches und internationales Parteienrecht und Parteienforschung, Martin Morlok:
"Das als solches ist zwar Anlass zu fragen, aber ist nicht unbedingt ein Anlass dafür, dass man sagt, da ist was im Argen. Der Staat gibt sein Geld nach Bedarf aus. Wenn irgendwo der Bedarf größer wird, dann gibt man da überproportional viel Geld rein als woanders."
Steigt also der Bedarf der politischen Stiftungen kontinuierlich? Um das beurteilen zu können, lohnt ein Blick auf die verschiedenen Säulen ihrer Arbeit. Martin Morlok:
"Zum ersten betreiben sie politische Bildung im Inland. Das bedeutet insbesondere, dass sie Parteimitglieder schulen, dass sie Ratsmitglieder ins kommunale Haushaltsrecht einführen, sozusagen das notwendige Handwerk der Demokratie den Leuten beibringen. Das geht auch schon in den schulischen Bildungsbereich hinein. Das ist der eine Bereich. Diese Mittel kommen pauschal aus dem Innenministerium. Dann gibt es Stipendien. Alle Parteistiftungen haben eigene Studienförderungswerke. Dafür bekommen sie auch das Mittel vom Bundesbildungsministerium. Und schließlich betreiben sie Auslandsarbeit, das ist ein wichtiger Teil, auch ein erfolgreicher Teil der Außenpolitik, wenn man die Vergangenheit ansieht, das sind Mittel vom Auswärtigen Amt."
Nicht zu vergessen die Projekte in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit, die jeweils den größten Anteil des Budgets ausmachen. Sie werden finanziert vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Doch um die Auslandsarbeit soll es in dieser Sendung nicht gehen.
Martin Morlok: "Wenn die Mittel für Stipendien für Studenten erhöht worden sind, da wird man sagen, das ist jetzt nicht so schlimm, das ist nicht unbedingt eine Selbstbedienung der Parteien."
Das Budget für Stipendien ist von 2013 zu 2014 bei allen sechs Stiftungen um eine bis drei Millionen Euro gestiegen.
"Wenn die Mittel für die Parteistiftungen im Inland erhöht worden sind, dann wird man fragen: 'Warum überproportional mehr?'"
Die Stiftungen erhalten für ihre politische Bildungsarbeit so genannte Globalzuschüsse aus dem Innenministerium. Sie sind nicht an Projekte gebunden wie die anderen Zuwendungen. Diese Globalzuschüsse stiegen zuletzt deutlich an. Der Haushaltsausschuss des Bundestages bewilligte insgesamt knapp 116 Millionen Euro, das sind zirka 16 Millionen Euro mehr als im Vorjahr. Martin Morlok:
"Man hat ja den Verdacht, dass dann, wenn jemand in die eigene Tasche wirtschaften kann, dass man dann besonders großzügig ist. Und wenn die Politiker, Parteipolitiker über Parteistiftungen entscheiden, liegt dieser Verdacht natürlich auch nahe."
Reinhard Weil: "Das ist immer so'n Totschlagargument mit dem Selbstbedienungsladen. Ich glaub, man muss an der Stelle auch deutlich machen: Hier wurde nicht die Finanzierung der politischen Parteien erhöht, sondern es wurden die Mittel für politische Bildung in der Inlandsarbeit erhöht. Wer sagt 'Selbstbedienungsladen', der sollte aus meiner Sicht mal erklären, wie in einer parlamentarischen Demokratie sonst Entscheidungen herbeigeführt werden sollten, außer dass die dafür gewählten politischen Vertreter im Bundestag darüber entscheiden."
... kontert der Leiter der Politischen Akademie der Friedrich-Ebert-Stiftung, Reinhard Weil. Die beiden großen, Adenauer- und Ebert-Stiftung, erhielten jeweils etwa fünf Millionen Euro mehr als im Vorjahr.
Reinhard Weil: "Fünf Millionen gehen zurück auf eine Entscheidung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages. Die Begründung lautete, dass politische Bildung insgesamt in Deutschland gestärkt werden müsse angesichts des wachsenden Phänomens von Politikverdrossenheit, deutlich zurückgehender Wahlbeteiligung. Wir haben die Phänomene von religiös motiviertem Terrorismus, wir haben die Phänomene von politischem Extremismus."
Bildungsarbeit mit Flüchtlingen
"Nehmt doch einfach eure Stühle. – Wohin? – Nach draußen? – Warum draußen?"
In der internationalen Förderklasse am Kölner Nicolaus-August-Otto-Berufskolleg sind heute Tische und Stühle beiseitegeschoben. Die Klasse hat keinen regulären Unterricht, sondern Projekttag.
"An dieser Station geht es um Diskriminierung. Eins: Bitte lest euch das unten geschriebene Profil durch..."
Elly Schröder: "Die Klasse wird ausschließlich von Flüchtlingen besucht. Die noch nicht lange in Deutschland sind, und die das ganze System ja auch erstmal kennenlernen müssen, um sich hier zurechtzufinden in Deutschland."
... sagt Schulsozialarbeiterin Elly Schröder. Sie hat schon öfter Workshops bei der Friedrich-Ebert-Stiftung für ihre Schüler gebucht:
"Da ist das natürlich ein wunderbares Angebot, weil sie da auch mit der politischen Bildung natürlich konfrontiert werden, aber auch zu Themen, die in ihre Lebenswelt passen: Ob das die Gewaltprävention ist - da haben wir mal ein Projekt mitgemacht - oder die Berufsorientierung. Oder jetzt eben dieses Projekt ‚Suaneva: Sind wir nicht alle ein bisschen anders?'. Was wunderbar da reinpasst, weil diese Schüler aus Kriegsgebieten kommen, aus autoritären Systemen kommen und mit Demokratie das erste Mal konfrontiert sind, wenn sie denn hierhin kommen. Dieses Verstehen von Demokratie, von Toleranz und Meinungsfreiheit und so weiter wird durch so einen Workshop von den Schülern unheimlich gut angenommen, und sie verstehen es auch besser, weil vieles auf einer anderen Ebene nochmal an die Schüler herangetragen wird."
Die Trainer sind nicht viel älter als die Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Viele der Inhalte vermitteln sie durch Rollenspiele. Allein, dass jemand von außen kommt, drückt für die Schüler eine besondere Wertschätzung aus, so Elly Schröder.
Jan Maximilian Gerlach: "Wie nennt man das, wenn Menschen nicht die gleichen Rechte und nicht die gleichen Chancen haben wie andere, da gibt es ein Fachwort, das such ich, kennt ihr das? Habt ihr ‚ne Idee? Ja genau, wiederholst du's nochmal für alle?" − Schüler: "Diskriminierung."
Die Stiftung bietet ihr Jugendbildungsprogramm öffentlich an. Vom Rap-Workshop "Wie sieht unsere Zukunft aus?" über ein Planspiel zur Finanzkrise bis hin zur einwöchigen Berlinfahrt "Demokratiebilanz". Wie so ein Angebot entsteht, erklärt Kerstin Ott, Leiterin des "Forums Jugend und Politik":
"Zum einen beschäftigt uns bei der Programmentwicklung die Frage, welche politischen Themen sind vor allem für junge Menschen so wichtig, dass sie unbedingt informiert sein müssen, um sich 'ne eigene Meinung, ein eigenes Urteil zu bilden und einbringen zu können in politische Entscheidungen. Das andere ist natürlich auch, dass wir als politisches Jugendbildungsprojekt der Friedrich-Ebert-Stiftung glauben, dass Demokratie am besten funktioniert als soziale Demokratie, das heißt, wenn alle Menschen gute und gleiche Chancen haben, sich in Politik und Gesellschaft einzubringen...wo wollen wir Akzente setzen."
Freya Peez: "Wird dich die Polizei fair behandeln, wenn du sie um Hilfe fragst? Kannst du deine Partnerin oder deinen Partner ohne Angst auf der Straße küssen?"
Alle Schüler haben sich im Klassenzimmer nebeneinander aufgestellt. Jeder hat eine Rollenkarte bekommen und soll sich in die jeweilige Person hineinversetzen: Da ist der gehbehinderte Rentner, die alleinerziehende Mutter, die erfolgreiche Bankerin, der Polizist mit zwei Kindern. Wer die Frage, die die Trainerin stellt, mit "ja" beantworten kann, geht einen Schritt vor.
Freya Peez: "Kannst du deine Religion offen ausüben? Kannst du ohne Probleme in jede Disco gehen? Kannst du dir Geld bei der Bank leihen?"
Seminar am Comer See, Reise nach Verdun
Alle politischen Stiftungen verstehen sich als wertorientiert. Je nach Partei, der sie nahestehen, vertreten sie den demokratischen Sozialismus, die soziale Demokratie, die freiheitliche Demokratie und die soziale Marktwirtschaft oder den Liberalismus. Dementsprechend entwerfen sie die Programme für ihre Akademien. Da gibt es das Argumentationstraining "Freiheit, die überzeugt" und zahlreiche Rhetorikseminare bei der FDP-nahen Naumann-Stiftung. Die Adenauer-Stiftung bietet an, in der ehemaligen Adenauer-Villa am Comer See mit Rainer Eppelmann den Weg zur Deutschen Einheit zu beleuchten, oder mit Jugendlichen nach Verdun zu reisen, wo Helmut Kohl und François Mitterrand sich über den Kriegsgräbern die Hände reichten. Die Böll-Stiftung lädt dazu ein, über den Schlaf als Ärgernis im Uhrwerk des Spätkapitalismus nachzudenken, während die Seidel-Stiftung unter dem Titel "Wer soll kommen, wer darf bleiben?" einen Vortrag über zukünftige Zuwanderung nach Deutschland anbietet.
Laufen die politischen Stiftungen nicht Gefahr, jeweils nur ihr eigenes Parteivölkchen zu bedienen? Reinhard Weil:
"Wir sind mit unserer Wertebindung eingebettet in das Verständnis einer pluralistischen Gesellschaft. Wo klar ist, dass Demokratie nicht nur aus Konsens besteht, sondern auch aus Konflikt. Der in den Spielregeln der Demokratie ausgetragen werden muss. In diesem Ensemble von unterschiedlichen Wertbindungen liegt die Stärke der politischen Stiftungen. Dass jeder Bürger die Möglichkeit hat, sich seine Orientierung zu erarbeiten. Weil - wenn wir offen sind im Zugang für jede Bürgerin und jeden Bürger, haben wir das fantastische Angebot des gesamten pluralistischen Gesellschaftsbildes präsent."
Auch Martin Morlok sieht es nicht als problematisch an, dass sich die Zielgruppen der politischen Stiftungen wenig mischen:
"Politische Bildung muss ja an den politischen Überzeugungen der Bürger ansetzen. Dass man politische Bildung völlig unabhängig macht von den Inhalten, das läuft auf eine langweilige Institutionenkunde hinaus. Es gibt ja das schöne Wort, man muss die Bürger dort abholen, wo sie sind. Man muss sie auch politisch da abholen. Ich glaube, dass eine eingefärbte politische Bildungsarbeit erfolgreicher ist als eine Bildungsarbeit, die beansprucht, neutral zu sein. Wobei die Frage ist, geht das überhaupt?"
Es geht schon: Die Bundeszentrale und auch die Landeszentralen für politische Bildung machen politische Bildungsarbeit, die dem Neutralitätsgebot verpflichtet ist. Dafür erhält die Bundeszentrale für politische Bildung nicht einmal die Hälfte des Budgets, das alle politischen Stiftungen zusammen bekommen. Politische Bildung ist ohne Frage eine wichtige Aufgabe, das sehen auch der Bund der Steuerzahler und "transparency international" so. Dennoch bewerten sie die Globalzuschüsse für die parteinahen Stiftungen sehr kritisch. Michael Koß von "transparency international":
"Ich kann mich darüber ereifern, dass Transparenz fehlt und dass der Eindruck doch sehr nahe liegt, dass diese fehlende Transparenz dazu genutzt wird, die Mittel extrem aufzustocken. Ein Beispiel: in 2013 sind die Globalzuschüsse um mehr als 12 Prozent aufgestockt worden. Das ist ein Schluck aus der Pulle."
Reinhard Weil: "Aber da bitte ich Sie: Wenn jeder seine Finanzierung so offenlegen würde wie die politischen Stiftungen, dann hätten wir ein wesentlich höheres Maß an Transparenz in den Finanzierungsstrukturen von deutschen Institutionen, von der Wirtschaft ganz zu schweigen."
Reinhard Weil, Leiter der Politischen Akademie der Friedrich-Ebert-Stiftung:
"Wir unterliegen einer Rechenschaftspflicht gegenüber unserem Zuwendungsgeber, wir unterliegen einer Prüfungspflicht gegenüber dem Bundesrechnungshof, gegenüber den Landesrechnungshöfen. Wir unterliegen einem Testat der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die unseren Jahresabschluss prüft und testiert."
Steuerzahler soll nachvollziehen, was mit dem Geld geschieht
Das stimmt. Doch als Journalisten der "Welt am Sonntag" bei mehreren Ministerien Anträge nach dem Informationsfreiheitsgesetz stellten, ließ man sie acht Monate warten. Und der damalige Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel war sich mit drei Stiftungsvorständen darüber einig, dass die Transparenzvorschrift zu kritisieren sei.
"Transparency international" bemängelt, dass die politischen Stiftungen nur ihrem Zuwendungsgeber gegenüber rechenschaftspflichtig sind. Alle so genannten Stiftungen außer der Naumann-Stiftung firmieren außerdem rechtlich als eingetragene Vereine und werden bisher auch nicht zu mehr Veröffentlichung genötigt. "Transparency international" fordert, dass der Steuerzahler nachvollziehen können muss, was mit seinem Geld geschieht. Michael Koß:
"Ich denke, der wichtigste Punkt wäre der, dass einheitlich über die Verwendung der Mittel Rechenschaft abgelegt wird."
Auch Politik- und Parteienforscher Martin Morlok hält die jetzige Lage für unübersichtlich:
"Ein Problem bei den Stiftungen ist, dass drei Dinge unter einem Dach sind, deswegen wird die Nachvollziehbarkeit, was da passiert, erschwert."
Die parteinahen Stiftungen veröffentlichen zwar Jahresberichte. Doch darin finden sich dann Erläuterungen wie "69 Millionen Euro wurden für die Förderung gesellschafts- und strukturpolitischer Maßnahmen zugewendet". Da wüsste man gern mehr. Fragt man aber konkret nach Verwendungsnachweisen für die Zuwendungen, die ja immerhin Steuergelder sind, so heißt es, "die Stiftung gehe in der Rechtsform eines Vereins über ihre Veröffentlichungspflichten hinaus". Auch das Bundesverwaltungsamt, das die Zuwendungen gewährt und die Verwendungsnachweise der Stiftungen prüft, lässt sich nicht in die Karten gucken.
Michael Koß: "Wenn sie überhaupt rechenschaftspflichtig sind, dann nur gegenüber ihren Projektträgern, das sind in aller Regel die Ministerien. Nicht der Öffentlichkeit. So dass man, außer, man gräbt sehr lange nach und hat ein Faible dafür, Bundestagsdrucksachen, Haushaltsgesetze durchzuwühlen, darüber nichts weiß."
Manchmal finden sich im Programmangebot Veranstaltungen mit fragwürdigem Nutzen für die politische Bildung, wie "Der Mensch und seine Bilder" bei der Naumann-Stiftung oder "Haben Sie heut schon an sich gedacht?" mit der Ebert-Stiftung. Doch das ist noch nichts: Mit der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung können Kinder mit Eltern oder Großeltern Ostern in Kloster Banz verbringen, in einem der beiden Tagungshäuser der Stiftung. Mit Osternachtsfeier in der Klosterkirche, Eiersuchen und Basteln. Schwimmbad und Sauna kostenfrei. Und das für 80 Euro pro erwachsene Nase! Das Ganze nennt sich "Seminar", die "Themenauswahl" wird aber erst zusammen mit den Anmeldeunterlagen bekannt gegeben. Laut Vorgabe des Bundesrechnungshofes dürfen Bildungsstätten nur subventioniert werden, wenn sie zu mindestens 80 Prozent mit Seminaren politischer Bildungsarbeit ausgelastet sind. Ansonsten entfällt der Anspruch auf Förderung.
In ihren Tagungshäusern Wildbad Kreuth und Kloster Banz hat die Seidel-Stiftung jahrelang gegen diese Vorgabe verstoßen – Kontrolleure des Bundesverwaltungsamtes forderten daher 3,3 Millionen Euro Steuergeld zurück. Als die Stiftung sich sträubte, schloss der CSU-Innenminister einen Vergleich mit ihr: Sie musste nur noch 1,8 Millionen Euro zurückzahlen. Und das Beste: Er führte eine Sonderregelung ein. Wildbad Kreuth und Kloster Banz müssen in Zukunft nicht mehr zu 80 Prozent ausgelastet sein.
1983 hatten die Grünen noch gegen die staatliche Finanzierung der damals vier politischen Stiftungen geklagt, wegen "verdeckter Parteienfinanzierung". Das Bundesverfassungsgericht wies die Klage 1986 zurück, die Grünen gründeten anschließend ihre eigene politische Stiftung auf Bundesebene: die Heinrich-Böll-Stiftung. Seither spielen sie mit im Konzert der Stiftungen. Das Bundesverfassungsgericht formulierte in der Folge des Urteils Prinzipien, die verdeckte Parteienfinanzierung verhindern sollen. Reinhard Weil, Leiter der Politischen Akademie der Friedrich-Ebert-Stiftung:
"Wir halten uns an diese Prinzipien. Diese Prinzipien bedeuten zum einen, dass die Stiftung sich organisatorisch selbständig und eigenständig zu verhalten hat gegenüber der ihr nahestehenden Partei. Das heißt, die Leitungsgremien der Stiftung dürfen nicht besetzt werden mit Personen, die zugleich Leitungsfunktionen in der nahestehenden Partei, in unserem Fall der SPD, innehaben. Wir haben in Wahlkampfzeiten eine Distanz zu wahren, das heißt wir dürfen mit unseren Programmen nicht in den Wettbewerb der Parteien in den Wahlkampf eingreifen. Drittens dürfen wir keine direkten Dienstleistungen zugunsten der uns nahestehenden Partei wie zum Beispiel durch Personalgestellung, materielle Hilfestellung leisten. Und viertens müssen wir unsere Veranstaltungen organisatorisch und inhaltlich offen gestalten."
FDP-Stiftung droht die Abwicklung
In der Vergangenheit ist es jedoch immer wieder zu Verstößen gegen das Distanzgebot gekommen: Reisen von Bundestagsabgeordneten wurden von den parteinahen Stiftungen bezahlt, oder die FDP-nahe Naumann-Stiftung hat im Jahr 2014 die Rückkehr der FDP zum obersten Stiftungsziel erklärt. Verständlich: Denn zieht die FDP nicht wieder in den Bundestag ein, wird die Stiftung abgewickelt. Michael Koß:
"Eigentlich ist es wirklich bizarr, dass man überhaupt diesen juristischen oder diesen formalen Eindruck versucht aufrecht zu erhalten. Als könne man diese Sphären von Parteien und Stiftungen trennen. Das geht eventuell für einen Posten der Stiftungsarbeit, der Bildungsarbeit im Bereich der Stipendien für junge begabte Studierende in aller Regel, die natürlich aber auch, deren politisches Engagement auch mit reinspielt in ihre Stipendieneignung. Und natürlich ist dieses Engagement in der Nähe der jeweiligen Parteien anzusiedeln. Sieht man davon ab, sind das einfach überlappende Sphären. Deswegen Parteienfinanzierung ja, verdeckt: eigentlich nicht."
Martin Morlok sieht das ähnlich:
"Wir haben formal eine strikte Trennung zwischen Parteien und parteinahen Stiftungen. Das Bundesverfassungsgericht hat vor Jahrzehnten gesagt, zwischen beiden muss eine Mauer sein. Das ist die Lebenslüge der Parteistiftungen. Die dogmatische Grundlage für diese Trennung, die ist auch längst weggefallen. Das hat man bloß noch nicht gemerkt. Man hat früher gesagt, die Parteien dürfen kein Staatsgeld bekommen. Seit dem Jahr 1992 hat das Bundesverfassungsgericht gesagt, Parteien dürfen Staatsgeld bekommen. Früher gab's nur Wahlkampfkostenerstattung. Auch das war 'ne Lüge. Jetzt sagt man ehrlich, Parteien dürfen Staatsgeld bekommen. Hat aber nicht gemerkt, dass der alte Grundsatz der Brandmauer zwischen Parteien und Stiftungen darauf zurückgeht."
Michael Koß: "Solange, man kann es eigentlich so zuspitzen, abgehalfterte Parteivorsitzende Stiftungsvorsitzende werden, liegt der Eindruck nahe, dass da zuletzt nicht auch Versorgungsposten mitfinanziert werden."
Derzeitiger Vorsitzender der Adenauer-Stiftung ist der ehemalige Präsident des Europäischen Parlaments, Hans-Gert Pöttering. Vorsitzender der Ebert-Stiftung ist Kurt Beck, bis 2008 Bundesvorsitzender der SPD und bis 2012 Landesvorsitzender der SPD Rheinland-Pfalz. Das ist das eine. Das andere ist, dass in den Leitungsgremien der Stiftungen auch die eine oder andere Person mit Leitungsfunktion in der Partei sitzt. Beispielsweise Hannelore Kraft, stellvertretende Vorsitzende der SPD, ist auch stellvertretende Vorsitzende der Ebert-Stiftung. Oder Angela Merkel, Vorsitzende der CDU, ist auch Mitglied im Vorstand der Adenauer-Stiftung. Aber ist die strikte Trennung zwischen Parteien und parteinahen Stiftungen nicht sowieso überholt? Michael Koß:
"Das kann man eigentlich gar nicht klar trennen. Und deswegen die Forderung von 'transparency' zu sagen: 'Lasst uns doch erst gar nicht so tun, sondern diesen Politikfinanzierungsbericht schaffen, wo man genau sehen kann, was in welchen Bereichen für Gelder verwendet werden.'"
Genau das haben auch schon mehrere Bundespräsidentenkommissionen gefordert: einen Politikfinanzierungsbericht, in dem auch die politischen Stiftungen aufgeführt sind. Dazu ist es aber nicht gekommen. Martin Morlok:
"Ich halte die Parteistiftungen grundsätzlich für eine nützliche Einrichtung. Aber das heißt nicht, dass jede Erscheinungsform ohne Kritik sei. Kritik ist durchaus angebracht, aber man soll das Kind nicht mit dem Bade ausschütten."
ÖDP will Chancengleichheit für kleine Parteien
Das Kind mit dem Bade ausschütten – das will auch Claudius Moseler, Generalsekretär der Ökologisch-Demokratischen Partei, nicht. Doch wie die Grünen in den 80er-Jahren hat die ÖDP 2012 beim Bundesverfassungsgericht Klage wegen verdeckter Parteienfinanzierung erhoben. Die Entscheidung darüber wird für das erste Halbjahr 2015 erwartet. Die ökologischen Demokraten sehen nicht ein, dass nur die im Bundestag vertretenen Parteien Staatsmittel für ihre Fraktionen, Abgeordnetenmitarbeiter und parteinahen Stiftungen erhalten sollen. Die ÖDP existiert seit 1982 und hat bei der letzten Bundestagswahl 0,3 Prozent der Stimmen bekommen. Claudius Moseler:
"Es geht uns um Chancengleichheit und politischen Wettbewerb. Durch die zusätzliche Finanzierung der Abgeordnetenmitarbeiter der Fraktionen und der parteinahen Stiftungen neben der klassischen Parteienfinanzierung - in Klammern immer als Wahlkampfkostenerstattung verstanden - haben wir hier eine Benachteiligung kleiner Parteien. Die sind hier an der Beteiligung von Zuschüssen und Kosten ausgeschlossen."
Reinhard Weil von der Friedrich-Ebert-Stiftung sieht das anders:
"Wenn es Vorwürfe gibt von verdeckter Parteienfinanzierung, dann muss man die benennen, und dann muss man sich damit auseinandersetzen. Ich kann die für unseren Arbeitsbereich nicht erkennen. Wenn die Spielregeln vom Gesetzgeber und vom Verfassungsgericht so formuliert sind, muss die ÖDP sich daran orientieren. Und wenn sie das nicht akzeptiert, muss die ÖDP das tun, was sie jetzt tut: klagen. Dann liegt es beim Bundesverfassungsgericht, darüber zu urteilen."
Bislang gibt es Stiftungsgelder, wenn eine Partei zweimal in den Landtag oder in den Bundestag gekommen ist:
Martin Morlok: "Das ist eben nur eine eingespielte Praxis, die nicht im Gesetz steht! Das ist 'ne relativ hohe Hürde. Da könnte man durchaus dran denken, dass man das absenkt."
Wie es bei der staatlichen Parteienfinanzierung auch der Fall ist. Das könnte ein Bewertungsmaßstab sein, so Claudius Moseler:
"Dann muss man natürlich definieren, nicht jede Partei mit 50 Mitgliedern kann natürlich in diese Finanzierung, da gibt es natürlich irgendwo Grenzen, und ne gewisse gesellschaftliche Relevanz und Vertretung und Wahlergebnisse müssen nachgewiesen werden. Aus der Nummer kommen wir natürlich nicht raus. Was wir aber bemängeln, ist, dass darüber noch nicht mal nachgedacht wird. Wir sind der Auffassung, und das würde auch die Wertigkeit der Parteien in der Gesellschaft erhöhen, wenn durch eine öffentliche Debatte das jetzt mal definiert wird. Und das in ein gerechtes System gepackt wird, und zwar auf allen Ebenen."
Die stete Erhöhung der staatlichen Zuschüsse für Fraktionen, Abgeordnetenmitarbeiter und politische Stiftungen sei eine Konsequenz daraus, dass das Parteiengesetz mehrfach verschärft wurde. Die Parteien hätten das Staatsgeld nur verlagert, sagt Michael Koß.
"1966 hat das Bundesverfassungsgericht allgemeine Zuwendungen, staatliche Zuwendungen an Parteien verboten. Und gesagt, es wird nur noch 'ne Wahlkampffinanzierung gegeben. Da haben sich die Parteien gedacht: 'Mensch, es gibt doch diese Bildungsarbeit, da können wir doch die allgemeinen Sachen an die Stiftungen auslagern.' Von der Zeit, 1966, mit wenigen Abstrichen bis 1986 waren die Stiftungen reine Parteiveranstaltungen. Das hat sich nach weiteren Urteilen des Verfassungsgerichts dann geändert. Von daher sind die auf das engste mit Parteien verwoben. Und dienen auch den Zwecken von Parteien."
Martin Morlok sieht vor allem den Wettbewerb der Parteien untereinander gefährdet:
"Die Parteistiftungen kommen auch ihren Bezugsparteien zugute. Parteien stehen im Wettbewerb miteinander. Mittel für Parteistiftungen sind theoretisch und praktisch geeignet, den Wettbewerb zwischen den Parteien zu beeinflussen. Insbesondere kleine Parteien, die keine Stiftungen haben, beklagen sich nicht ohne Grund, dass ihnen dieser Vorteil fehlt. Im Wettbewerb braucht man Chancengleichheit."
Um Chancengleichheit sicherzustellen, müssten auch kleine Parteien schon unter geringeren Voraussetzungen berechtigt sein, staatliche Mittel zu erhalten.
Martin Morlok: "Deswegen braucht man nach meiner Einschätzung ein Gesetz für die Parteistiftungen, das festlegt, wer unter welchen Voraussetzungen Geld bekommt. Und dass man vielleicht auch Parameter aufstellt, wieviel Geld das sein soll. Aber nochmal: die Wettbewerbsbedingungen gehören klar gesetzlich fixiert und sollten nicht von den akut mächtigen Parteien definiert werden können."
Michael Koß: "Der Anschein eines Selbstbedienungsladens entsteht ja eigentlich immer da, wo man nicht genau weiß, ob diese Selbstbedienung stattfindet. Sprich wo Finanzierungspraktiken, sowohl was die Einnahmen als auch Ausgaben angehen, intransparent sind. Unwissen ist einfach mal der Nährboden für Spekulationen. Deswegen wundere ich mich auch manchmal, warum man nicht von sich aus Klarheit in die Sache bringt, um den eigenen Ansehensverlust abzuwenden."
Ein Stiftungsgesetz könnte die Einnahmenseite der politischen Stiftungen einheitlich regeln, ein Politikfinanzierungsbericht Transparenz auf der Ausgabenseite schaffen. In ihrer "Gemeinsamen Erklärung" schlugen die fünf unterzeichnenden Stiftungen vor, "bei einer Erhöhung des Gesamtansatzes der Globalzuschüsse die Zuwachsrate des Gesamthaushaltes grundsätzlich nicht zu überschreiten". Für dieses Jahr ist man damit im grünen Bereich: Es stehen im Haushaltsplan nur 2000 Euro mehr als im vergangenen Jahr. Reinhard Weil:
"Politische Bildung und politische Beratung sind die Betriebskosten der Demokratie. Die Demokratie ist auch nicht umsonst zu haben."
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