"Dann hat es gefunkt!"
Über Gott und die Welt - und die Liebe: Darüber reden die Menschen in der Hamburger "Schatzkiste". Hier treffen sich Menschen mit ganz unterschiedlichen Behinderungen auf der Suche nach einem Partner. Wer sich gefunden hat, findet hier auch Rat in Sachen Beziehung und Sex.
Zwei Dutzend Gäste sind gekommen. Weniger als sonst. Mehr Männer als Frauen plaudern an ihren Tischen, vor sich kleine Blumensträuße, einige spielen Mensch-ärgere-Dich-nicht. Hinten in der Ecke läuft ein blauer Plastik-CD-Player.
"Hier und da stehen noch Kaffeetassen, Teller mit Knabbereien, Keksen und Chips, die wir ja bei jedem Treffen hier verteilen."
Ute Rögener leitet die so genannte "Schatzkiste" auf dem Gelände der "Evangelischen Stiftung Alsterdorf" im gleichnamigen Hamburger Stadtteil. Jeden Dienstag treffen sich hier mit Menschen mit ganz unterschiedlichen Behinderungen, auf der Suche nach einem Partner, einer Partnerin.
"Das geht von psychischen Beeinträchtigungen über unterschiedliche Ausprägungen der Intelligenzminderung. Wir haben einige Menschen aus dem Autismus-Spektrum und vorwiegend auch Personen mit einer Lernbehinderung."
Durch die "Schatzkiste" haben Harald und Radojka Sienknecht zusammengefunden. Beide sind über Siebzig und waren lange Jahre auf der Suche nach einem festen Partner. Gleich neben dem weitläufigen Gelände der "Stiftung Alsterdorf" arbeitete Radojka, eine gebürtige Bosnierin in einer Stuhlflechterei. Vor fünf Jahren war sie zum ersten Mal in der "Schatzkiste" und traf dort Harald Sienknecht. Natürlich war sie aufgeregt bei den ersten Gesprächen, erzählt sie. Aber die beide haben schnell gemerkt, dass es passt zwischen ihnen.
"Er hat mich zwei, drei Mal nach Hause gebracht. Hat mich von der Arbeit abgeholt. Wir haben geredet, viel geredet und dann – Wort für Wort – hat es geklappt!"
"Dann hat es gefunkt!"
"Hat geklappt! Hat gepasst. Und wir waren zufrieden und haben nachher geheiratet. Und auch heute verstehen wir uns sehr gut! Es passt zusammen und das ist gut!"
Spontane Treffen? – In Begleitung von Betreuern schwierig
Drei Jahre nach dem ersten Kennenlernen haben die beiden geheiratet. – Erstmal zusammen sein, die Zeit zusammen genießen wollen Christoph Heuer und Lauren Lartey. Vor fünf Wochen sprach sie ihn, der schon seit anderthalb Jahren immer dienstags mit dabei war, an.
"Auf den ersten Blick war ich schüchtern. Nehme ich den oder nicht? Und dann habe ich mich doch getraut und gefragt, ob er eine Freundin hat."
Und nein, er hatte keine. Und war begeistert von Lauren.
"Das ging wirklich recht schnell. Wir haben Nummern ausgetauscht, haben uns getroffen und nun sind wir zusammengekommen."
Aber Heiratspläne, Lauren schüttelt lachend den Kopf, Heiratspläne haben sie ganz sicher noch nicht.
"Noch nicht! Später mal…"
"Nein, nein! So schnell ist es auch nicht gut!"
Jetzt besuchen die beiden sich regelmäßig. Fahren mit Bussen und Bahnen quer durch Hamburg. Schwierig wird das, wenn behinderte Menschen auf die Begleitung von Betreuern angewiesen sind. Dann sind die Treffen nicht spontan möglich, sondern müssen immer abgesprochen werden.
Wer Rat bei Problemen in einer Partnerschaft sucht, kann Ute Rögener, die Leiterin der "Schatzkiste" ansprechen. In Vier- oder Sechsaugen-Gesprächen berät sie behinderte Menschen zu allen Aspekten des Zusammenlebens:
"Es geht dann darum: wie finde ich einen Freund, eine Freundin? Es geht nicht nur um Partnerschaft, es geht auch um Sexualität. Am Donnerstag gibt es auch die Sexualberatung, die, wenn der Bedarf da ist, hier über einen Termin gewährleistet ist. Immer in dieser Kombination: Partnerschaft, Sexualität. All das, was sich um diese Themenfelder rankt. – Das ist das Spezielle der 'Schatzkiste'."
Langsam leeren sich die Tische in der "Schatzkiste". Alle sind miteinander im Gespräch, über Gott und die Welt, die Suche nach einem Partner, das Wetter, die Arbeit, den Alltag.