Party für den Herrn

Von Jens Borchers |
Sonntagmorgen, halb elf an der U-Bahnstation Anacostia in Washington: Ein weißer Bus wartet mit laufendem Motor. Die Megakirche Jericho City of Praise chauffiert ihre Besucher: Die Fahrt kostenlos, untermalt mit frommen Liedern und einer Predigt von Kassette.
Eine Viertelstunde später sind wir da: Nichts an dieser Kirche sieht aus wie eine Kirche, es hat eher den Charakter einer Mehrzweckhalle: Schwarz-glänzende Fliesen in den Gängen, Kronleuchter, taubenblauer, weicher Teppich. Drinnen beginnt der Gottesdienst auf der riesigen Bühne. Links und rechts große Videoleinwände, mächtige Lautsprecher und eine komplette Beleuchtungsanlage. Auf den bequemen Bänken haben 10.000 Menschen Platz.

Auf der Bühne steht die Chefin der Jericho City of Praise: Betty Peebles. Eine kleine, rundliche Frau: Strahlende Augen, knallrotes Kostüm mit Rüschen, schwarze Strümpfe, rote Lackschuhe. Sie ist die unbestrittene Autorität dieser Gemeinde. Sie verkündet das Wort des Herren: Gib Dich in die Hände des Herrn, befolge die Gebote der Bibel, dann bekommt Dein Leben Sinn und Richtung.

Keine Abtreibung. Keine Homosexualität – das sind die Kernsätze. Betty Peebles feiert jeden Sonntag mit einer zu 99 Prozent afro-amerikanischen Gemeinde den Herrn. Diese Kirchgänger haben in der Jericho City of Praise ihre spirituelle Heimat. Für die ganze Familie und nicht nur sonntags. Bibelkurse, Familienberatung, Kinderbetreuung oder Freizeitangebote: Hier gibt’s alles. Glauben, Gemeinschaft, Freude und Ekstase.

Betty Peebles feuert sie an, animiert sie: "Wenn jemand Dich fragt was die durchgeknallten Leute da machen", dröhnt sie ins Mikrofon, "dann sage: Sie feiern eine Party ohne Alkohol. Sie sind betrunken vom Heiligen Geist."

Dann fängt sie die tobende Gemeinde wieder ein, kehrt zurück zur Predigt und zu besinnlicheren Liedern.

Fast vier Stunden dauert dieses Fest des baptistischen Glaubens. Am Ende wird gespendet, die Geldscheine sind mal größer, mal kleiner. Aber es sind viele.


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