Parzinger: Humboldtforum soll neues Bild von Deutschland vermitteln

Das Humboldtforum sei ein Ort, der alle Menschen der Gesellschaft anziehen könne, meint Hermann Parzinger. "Wichtig ist, dass wir eben damit nicht Glanz und Gloria wiederbeleben wollen, sondern dass wir uns zu unserer Geschichte bekennen", so der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.
Joachim Scholl: Einst war es der größte, und viele sagen, auch der schönste Barockbau jenseits der Alpen, die DDR-Kommunisten sprengten ihn einfach weg, jetzt soll er neu entstehen: Nach 20 Jahren Planung und beständigem Streit wurde heute in der Mitte Berlins der Grundstein zum Berliner Stadtschloss gelegt, das ab 2019 als zukünftiges Humboldtforum bedeutende Museen beherbergen und dabei natürlich ein neuer prächtiger Blickfang werden soll.

In unserem Hauptstadtstudio begrüßen wir nun Professor Hermann Parzinger, den Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, den Herrn über Berlins weitgespannte Museenlandschaft. Guten Tag, Herr Parzinger!

Hermann Parzinger: Guten Tag!

Scholl: Vor einigen Jahren haben Sie, wenn Sie auf den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses angesprochen wurden, noch unwirsch gegrummelt: Wir bauen ja kein Schloss, sondern das Humboldtforum. Haben Sie jetzt Ihren Frieden mit dem Ort als neuem Schlossplatz gemacht?

Parzinger: Nein, also den Frieden, den hatte ich immer. Es ist nur so, ich glaube, man muss beides zusammen sehen, denn das ist das Faszinierende: Das Wiedererstehen des Schlosses – es sind ja insbesondere die Fassaden, innen ist es ja eine moderne Architektur –, das schließt einfach diese städtebauliche Lücke in der Mitte Berlins, macht städtebauliche Zusammenhänge wieder sichtbar, macht verstehbar, warum das Portikus des Alten Museums ganz anders aussieht als die Schlossfassaden, also die ganze von der Mitte Berlins her gedachte städtebauliche Entwicklung wird verständlich.

Und im Inneren gibt es etwas, was auch aus der Tradition des Schlosses kommt, wenn man an die Kunstkammer denkt, an den Ursprung: All die Museen, Bibliothek, die Universität, all die Museumssammlungen waren ursprünglich im Schloss, bevor sie zur Museumsinsel gingen. Und daraus jetzt im Inhalt etwas ganz, aus dieser Geschichte heraus etwas weiterzuentwickeln, in die Zukunft Weisendes, das ist für uns Humboldtforum. Und das Faszinierende ist für mich die Verbindung von beidem.

Scholl: Stichwort Geschichte, Herr Parzinger: Es gab über die Jahre ja eine wahre Argumentationsschlacht für und wider das Projekt. 2002 hat der Bundestag den Wiederaufbau beschlossen nach dem Konzept es Architekten Franco Stella, der vor allem mit der historischen Fassade – natürlich, sagen die Kritiker jetzt – Größe, Glanz und Gloria des alten Preußens beschwört. Und diese Art nationaler Repräsentanz, die passe nicht mehr in unsere Zeit, auch nicht mehr in diese Bundesrepublik. Wie sehen Sie auf diesen Aspekt des Baus?

Parzinger: Wissen Sie, ich glaube schon, dass die Menschen – und das zeigt ja auch der Wiederaufbau etwa der Frauenkirche in Dresden und anderer Projekte, die es in deutschen Städten gibt –, dass man sich bewusst geworden ist, was man durch den selbstverschuldeten Krieg letztlich an historischer Substanz, Bausubstanz, an zentralen, markanten Orten, Orientierungspunkten in einer Stadtlandschaft einfach auch verloren hat. Und insofern ist die Sehnsucht danach, glaube ich, verständlich.

Wichtig ist nur, dass wir eben damit nicht Glanz und Gloria sozusagen wiederbeleben wollen, sondern dass wir uns zu unserer Geschichte bekennen, und dass wir aber auf der Basis unserer Geschichte, auch der schrecklichen Ereignisse der deutschen Geschichte, vor allem im 20. Jahrhundert, wirklich ein neues Bild von Deutschland an die Öffentlichkeit vermitteln, ein Ort, der diese Geschichte, diese eigene Geschichte aufgreift, und dann aber – und da ist das Humboldtforum so eine herausragende Chance letztlich – einen Ort dort macht, der anders als das Schloss ein Ort sein soll, der alle Menschen unserer Gesellschaft anzieht, der Programme für Migranten haben soll, der die Migranten einbezieht in die Arbeit des Humboldtforums, ein lebendiger Ort. Und ich glaube, wenn diese Symbiose gelingt, wird es ein faszinierender Platz sein, auf den die Welt auch gerne schauen wird.

Scholl: Fast 600 Millionen Euro öffentliche Mittel sind für den Wiederaufbau bewilligt. Eingerechnet sind dabei 80 Millionen Euro privaten Geldes, das für die historische Fassade aufgebracht werden muss. Davon ist man allerdings noch weit entfernt. Herr Parzinger, was ist eigentlich, wenn das Geld nicht zusammenkommt?

Parzinger: Das wird man sehen, aber ich glaube, man sollte jetzt erst mal warten. Der Grundstein ist heute gelegt worden, auch andere große Wiederaufbauprojekte wie die Frauenkirche, da weiß man, dass der große Spendenstrom erst während des Bauprozesses kam. Man muss auch immer dran erinnern, es ist ja eigentlich, ich glaube, es sind jetzt etwa zirka 16 Millionen beieinander. Es ist schon fast ein Wunder, wenn man immer sieht, wie das Projekt eben in der Kritik stand, und kommt es, und kommt es nicht, dann ist der Baubeginn wieder verschoben worden - insofern ist das ja schon fast ein Wunder, dass man fast ein Viertel der Summe zusammen hat. Ich ich bin sicher, wenn es entsteht, und ich meine, wir werden ... Ende 2014, wird der Rohbau schon weitgehend fertig sein, sagen die Bauherren – also da wird man dieses Gebäude in der Mitte, raumfüllende und raumgreifende Gebäude in der Mitte Berlins ganz klar in seiner Wirkung auch sehen und erkennen können. Und ich denke, dann werden auch die Spenden weiterfließen.

Scholl: Wie man nun hört und im "Spiegel" auch lesen konnte, waren Bundeskanzlerin Merkel und Bundespräsident Gauck gar nicht so erpicht auf diesen Termin der Grundsteinlegung, Reden wurden keine gehalten. Hat der Bau eigentlich noch den politischen Rückhalt, den ein Großprojekt solchen Ranges benötigt? Wie ist Ihr Eindruck da?

Parzinger: Doch, da bin ich ganz sicher. Ich hatte selbst mit dem Bundespräsidenten vor längerer Zeit mal ein Gespräch, er ist ganz fasziniert von der Idee dessen, was dort entstehen kann, und er ist Schirmherr der Schlossstiftung, der Bauherrin des Humboldtforums, also er steht natürlich in ganz besonderer Weise für dieses Projekt. Nun sind ja heute ohnehin nicht viele Reden gehalten worden, das war eher ein Gespräch der beteiligten Ressorts und auch des Regierenden Bürgermeisters. Ich denke, es war eine sehr, sehr würdige Veranstaltung, und es war enorm wichtig, dass der Bundespräsident da war, und ich glaube, alle Politiker wissen, welche große Chance dieses Projekt für Berlin und auch für die Wirkung Deutschlands in der Welt hat.

Scholl: Wir sind im Deutschlandradio Kultur im Gespräch mit Hermann Parzinger, dem Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz über die Grundsteinlegung für den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses. Sie als Berliner Museums-Oberchef gewissermaßen, Herr Parzinger, sind tief eingebunden natürlich in die zukünftige Nutzung des Humboldtforums, das man mit Fug als das größte kulturpolitische Projekt Deutschlands bezeichnen kann. Helfen Sie uns doch mal, was soll alles konkret rein ins Schloss, ins Forum?

Parzinger: Ja, also das Humboldtforum wird natürlich in erster Linie von seinen Sammlungen leben, aber es wird eben erheblich mehr als nur seine Museen beherbergen. Es hat natürlich das Ethnologische Museum in Dahlem, das Museum für Asiatische Kunst jetzt auch noch in Dahlem, beide zusammen herausragende Sammlungen mit über einer halben Millionen Objekte aus allen Kontinenten der Welt. Kunst und Kultur der Welt wird dort einziehen gegenüber der Museumsinsel, es wird Verbindungen geben, Museumsinsel, Kunst und Kultur Europas und des Nahen Ostens, gegenüber die anderen Kontinente – beides zusammen, Museumsinsel und Humboldt-Forum, das ist für uns ein ganz faszinierender Ort der Weltkulturen.

Und dann ist das Humboldt-Forum aber mehr: Es gibt das Veranstaltungszentrum, vor allem im Erdgeschoss, mit Multifunktionsräumen, Flächen für Wechselausstellungen, zeitgenössische Bildende Kunst, Multifunktionsräume für Kino, Performances, Musik, Diskussionen, Podiumsveranstaltungen, dann aber auch die Humboldt-Universität mit einem Schaufenster der Wissenschaft, mit einem Humboldt-Labor wird dort einziehen – also die Humboldt-Universität wird Wissenschaft, das Arbeiten von Wissenschaft durch Ausstellungen erlebbar machen, die Zentral- und Landesbibliothek Berlin wird dort nicht nur Bücherregale aufstellen, sondern eben sich mit dem Thema Welt der Sprache befassen, also eine Art Science-Center für einen Bereich, der von integrativer Bedeutung für Kultur ist, nämlich Sprache und auch Schrift.

Und da verknüpfen sich wieder die Verbindungen zu den Museen: Das Phonogramm-Archiv der Museen, das Lautarchiv der Humboldt-Universität, die Sammlungen zu Schrift und Sprache, aber auch die Bildungsprogramme, die wir gemeinsam machen wollen in einer Schülerakademie, auch in Bereich der Erwachsenenbildung. Es gibt vieles, wo Universität, Museum und Bibliothek zusammenwirken können, und das ist es eben mehr – das Humboldtforum wird ein großartiges Museum sein, weil auch diese unterschiedlichen Formate und Funktionalitäten auch natürlich nicht getrennt voneinander sind, sondern eben in der Vertikalen quer durch die einzelnen Geschosse sich ziehen. Es wird ein ganz neues Erleben von Museum sein, und das ist wirklich das Herausragende, und ich bin sicher, das wird auch dann auf die Museumsgestaltung anderer Häuser hier in Berlin und anderswo sicher auch Rückwirkungen haben. Man wird nachdenklich werden, ob man nicht hier und dort auch Museen noch lebendiger gestalten kann.

Scholl: Und jetzt genau hier, in diesem kulturellen Geflecht von Deutschland und der Welt sozusagen soll sich, wie es formuliert wurde, auch unser Land zu seiner Geschichte bekennen. Sie haben es vorhin schon kurz angesprochen, Herr Parzinger, und ich möchte noch mal auf die Kritik zurückkommen, die ja doch dann genau diesen Aspekt moniert hat, dass eine solche Auseinandersetzung mit dem Verhältnis Deutschlands zur Welt, ob das wirklich dienlich an einem Ort sei, der vom Baulichen her gesehen ja die alte nationale Größe Deutschlands so recht frei von jeder Ironie zitiert, wenn nicht beschwört. Was sagen Sie zu dieser Kritik?

Parzinger: Diese Kritik kann man verstehen. Andererseits muss man immer dran erinnern, dass natürlich die Sammlungen immer schon im Schloss beheimatet waren, in der Kunstkammer, auch die Auseinandersetzung mit fremden Kulturen, das Ordnen der kulturellen, der materiellen Überlieferung, bevor die Häuser und die Sammlung auf die Museumsinsel wanderten, fand das alles im Schloss statt, womit ich nicht sagen will, das Schloss war ein öffentliches Museum, aber es gibt schon einen gewissen inhaltlichen Bezug dazu. Und ich glaube, gerade dieser Gegensatz, dass man dort es schafft, das zu tun – und wissen Sie, es war ganz interessant, wir haben ja ein internationales Advisor Report mit Kollegen aus aller Welt, und natürlich mit unserem afrikanischen Kollegen haben wir drüber gesprochen, Berlin, Ort der Kongo-Konferenz, was ja so schreckliche Ereignisse für Afrika mit der kolonialen Aufteilung nach sich gezogen hat. Und es war ganz interessant, die sagten nämlich, die finden das eigentlich faszinierend, wenn gerade an einem solchen Ort afrikanische Kunst und Kultur gleichwertig der europäischen und den anderen präsentiert wird und eben bitte nicht nur durch die Brille des Kolonialismus, es gab auch eine Geschichte Afrikas davor und danach, dann hat sich unsere Welt wirklich was verändert.

Nun kann ich zwar einerseits verstehen, dass man mit der Architektur – das Empfinden von Architektur ist ein individuelles, da hat jeder das Recht auf seine Meinung, aber ich glaube, wenn es gelingt, diesen Gegensatz aufzulösen und deutlich zu machen, man steht zu seiner Geschichte, aber im Inneren – und das ist ja letztlich kein Eins-zu-Eins-Wiederaufbau des Schlosses, sondern es ist ein Zitat des Schlosses, ein Teilwiederaufbau, der Rest ist moderne, zeitgenössische Architektur im Inneren vor allem, und die Ostfassade –, wenn das gelingt, es zusammenzubringen, dann, glaube ich, wird es einen große Wirkung entfalten.

Scholl: Heute wurde der Grundstein für den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses, sprich, des Humboldtforums gelegt. Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, ich danke Ihnen sehr für das Gespräch!

Parzinger: Bitte schön!

Scholl: Und in einer Stunde wird Hermann Parzinger das Nutzungskonzept für das Humboldtforum öffentlich machen im Alten Museum in Berlin, weitere Einzelheiten vorstellen, und darüber werden wir natürlich auch in unserem Programm berichten in unserer Sendung "Fazit" ab 23:00 Uhr.


Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr zum Thema