Staatsangehörigkeit

Gute Pässe, schlechte Pässe

Alter deutscher Reisepass mit diversen Stempeln aus den Niederlanden, 1956.
Alter deutscher Reisepass mit diversen Stempeln - wer im Besitz des richtigen Ausweises ist, kommt weiter als andere. © IMAGO / Zoonar / Heinz-Dieter Falkenstein
Eine Reflexion von Dorota Danielewicz |
Wir haben einen Wohnort, eine Heimat, eine Identität. Und in der Regel einen Pass, der das dokumentiert. Dieser ist mehr als nur ein Stück Papier. Er kann uns Reisefreiheit schenken - aber auch Machtinstrument in der Hand eines Despoten sein.
Es gibt gute und schlechte Pässe. In einer Berliner Ausstellung kann man das sehr schön sehen. Auf einem Brett liegen nicht gekennzeichnete Pässe verschiedener Staaten. Öffnet man sie, findet man eine farbige Landkarte der Welt. Rot bedeutet: Du kannst ohne Visum dieses Land nicht betreten. Blau dagegen: Man darf überall frei reisen.

Kaum Chancen, die Welt kennenzulernen

In den meisten Pässen der Welt überwiegt die Farbe Rot. Das heißt, ihre Besitzer haben wenig Chancen, die Welt außerhalb ihres Landes kennenzulernen.
Dreht man den Pass um, erfährt man die Staatsbürgerschaft des Passinhabers. Die überwiegend roten Pässe gehören meist Menschen aus Afrika oder Asien. Die Pässe mit der Weltkarte, auf der die Farbe Blau überwiegt, gehören uns, den EU-Bürgern oder Nordamerikanern. Die Zweiteilung der Welt in bessere „Staatsbürger“ und indigene „Untertanen“, die praktisch Sklaven ihres Geburtsortes bleiben sollen, besteht also seit Jahrhunderten für viele Menschen fort.
"Ein Mensch kann überall zustande kommen, auf die leichtsinnigste Art und ohne gescheiten Grund, aber ein Pass niemals", schrieb Bertolt Brecht während des Zweiten Weltkriegs. "Dafür wird er auch anerkannt, wenn er gut ist, während ein Mensch noch so gut sein kann und doch nicht anerkannt wird." Klingen diese Worte nicht traurig zeitgenössisch?

Frauen blieb der Pass lange verwehrt

Das Konzept der Staatsbürgerschaft entstand mit der Französischen Revolution und wurde am 3. Mai 1791 erstmals in die Verfassungswerke Polens aufgenommen, danach auch in Frankreich etabliert. Trotzdem war nicht jeder berechtigt, einen Pass zu besitzen. Frauen hatten bis Anfang des 20. Jahrhunderts keine Staatsbürgerschaft, und nach der Heirat mussten sie die Staatsangehörigkeit ihres Ehemannes übernehmen. Und der Streit um die doppelte Staatsangehörigkeit zeigt, dass die Staatsbürgerschaft nicht nur eine rechtliche Institution ist. Sie ist auch das Ergebnis politischer, sozialer und nicht zuletzt kultureller Kämpfe um Zugehörigkeit.
Meine Familie bekam 1981 als sogenannte Spätaussiedler sehr schnell die deutsche Staatsbürgerschaft. Ein Privileg, das auf historische Verbindungen zielt, die zumindest diskutabel wären, denn zugleich diskriminiert es andere Einwanderer. Sie müssen sich jahrelang um Einbürgerung bemühen und dabei Tests bestehen, die mir erspart blieben. Der deutsche Pass, den sie dann bekommen, gehört zu den „guten Pässen“, mit vielen blauen Reisezielen. Damit steht einem die Welt offen.
Pässe sind auch eine Ware. Der kreative Umgang mit Staatsbürgerschaften und ein halboffizieller Handel mit Pässen erlebt gerade Hochkonjunktur. Das Machtgefälle im Einbürgerungsverfahren hat zum großen Teil mit Geld zu tun. Wohlhabende Russen kauften sich für Millionen, als Investitionen getarnt, zypriotische oder maltesische Pässe.

Russische Pässe in der Ostukraine

Gleichzeitig begann Russland, seinen Einflussbereich zu erweitern, indem es sowohl in der Ostukraine wie auch in Belarus nach einem vereinfachten Verfahren russische Pässe verteilte. Der westliche Einfluss sollte zurückgedrängt und ein Bollwerk gegen die NATO geschaffen werden.
Allerdings haben im letzten Jahr deutlich weniger Belarussen den russischen Pass angenommen. Sie sind vor dem Hintergrund des Krieges offensichtlich aus der Mode gekommen und Putins Plan, im Stillen, ohne Kampf, russische Minderheiten in den ehemaligen Sowjetrepubliken zu rekrutieren, geht nicht auf.
Man sieht also: Der Pass kann nicht nur als Rechtsinstitution gebraucht, sondern als politische Waffe missbraucht werden. Denkt man an Brechts Zitat, dann ist es heutzutage leichter, überhaupt einen Pass zu besitzen, als mit seinem Pass in seinem eigenen Land zu leben, ohne vom tückischen Nachbarn behelligt zu werden.
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