Passau weltweit
Wer in Indien die Hand zur Begrüßung ausstreckt, hat schon alles falsch gemacht. Die gegenseitige Verneigung ist dort ortsüblich. In Spanien kann man nur Sympathiepunkte bei seinen Geschäftspartnern sammeln, wenn man die Verspätung einhält. Und vom Planungseifer eines deutschten Dienstreisenden, der am Tag fünf Termine hat und am Abend auch noch die Heimreise antritt, fühlt sich manch ausländischer Geschäftspartner schlichtweg überfahren.
Um es richtig zu machen, gibt es in Passau die ICUnet.AG. 40 Mitarbeiter und 180 Trainer schulen jedes Jahr mehr als 2000 Fach- und Führungskräfte großer und mittelständischer Unternehmen für die Zusammenarbeit mit ausländischen Geschäftspartnern und betreuen sie vor Ort.
"Wie viel?, schnell! – Was? – Es ist für meine Frau! – Ähh, 20 Schekel – Fein, da bitte sehr! – Moment mal, ja, wir müssen erst feilschen – nein, nein, nein, ich hab ihn bezahlt …"
Der Filmheld Brian und ein römischer Markthändler in einem wilden Wortgefecht: Schon die britische Komikergruppe Monty Python wusste, dass Kommunikation zwischen wildfremden Menschen nicht immer ganz einfach ist.
"Oh meine Güte, meine Güte, los kommen Sie, feilschen Sie! – Na schön, ich gebe Ihnen zehn! – Schon besser so! – Zehn, sie wollen mich wohl beleidigen, mich, mit einer im Sterben liegenden Großmutter, zehn!"
Für die Trainerin Sonja Ernst ist die kurze Filmszene aus dem "Life of Brian" ein guter Einstieg, um den Seminarteilnehmer auf die möglichen Probleme im Ausland vorzubereiten.
"… das wird dann ja auch Ihre Herausforderung sein, die Spielregeln in Malaysia zu kennen, um zu wissen, wie läuft das Spiel da, und um eine Verhandlungssituation wie da zum Beispiel nicht in Gefahr zu bringen."
Paul MacIntyre, ein junger Mann mit kurzen Haaren, nickt zustimmend. Im September wird er für drei Jahre nach Malaysia gehen. Dort soll er sich für seinen Arbeitgeber, den Speicherchiphersteller Qimonda, um den Einkauf kümmern.
Für Paul MacIntyre wird es nicht das erste Mal in Malaysia sein. Schon während des Studiums hat der 32-Jährige ein Jahr in Kuala Lumpur verbracht, und dabei eine ganz ähnliche Situation wie der Filmheld Brian erlebt.
"… und hab dann gesagt: Also, ich zahle jetzt zehn Ringgit, habe jetzt keine Zeit zum Verhandeln, gib mir das jetzt und los, ich weiß das ist der Preis, bitte! – Da hat er ein bisschen komisch geschaut, er hat’s dann aber letztlich gemacht, ich habe dann gesagt, er möchte das bitte entschuldigen, weil es einfach aus der Zeitnot heraus ist, aber normalerweise hätte ich mir dann schon die fünf oder zehn Minuten genommen."
Paul MacIntyre scheint für seine Aufgabe gut gerüstet - schließlich weiß er, dass er mit seinem Verhalten die kulturellen Konventionen des Gastlandes verletzt hat.
Um mit ausländischen Partnern Geschäfte zu machen, braucht man ein gutes Verständnis der anderen Kultur. Eigentlich eine Binsenweisheit. Doch viele Unternehmen würden sie trotzdem nicht beachten, meint Fritz Audebert. So wird aus dem Traum von internationaler Zusammenarbeit schnell ein Alptraum.
"Man braucht sich bloß zwei Großunternehmen in Deutschland anschauen, Daimler-Crysler, oder früher DaimlerCrysler – hat ja den Konzern viele, viele Milliarden gekostet, man weiß mittlerweile, dass ein ganz hoher Prozentsatz der Probleme, die es in diesem Konzern gegeben hat, interkulturelle Kommunikationsprobleme waren und der direkte Nachbar bei BMW: BMW hat bei Rover über drei Milliarden Euro verloren, man weiß mittlerweile durch viele Studien, dass ein ganz großer Anteil auch dort die Nichtberücksichtigung der Unterschiede zwischen Briten und Deutschen ist."
Fritz Audebert hat eine Marktlücke entdeckt. Viele Jahre lang hatte er Erfahrungen im Umgang mit anderen Kulturen gesammelt: Bei langen Auslandsaufenthalten in Russland, Osteuropa und Südamerika. Und bei seinem Kulturwirt-Studium und seiner späteren Promotion an der Uni Passau, wo er sich wissenschaftlich mit dem Thema beschäftigte.
2001 schließlich gründete er die ICUnet AG. Ein mehrdeutiger Name: Man kann das Buchstabenkürzel als "intercultural network" und als "international community" deuten, oder man ließt es als "I see you – in the internet" – zu deutsch: "Ich sehe dich im Internet", was wohl auf die Online-Angebote des Unternehmens gemünzt ist.
Doch nicht nur der Firmenname, sondern auch die Dienstleistung selbst sei anfangs nur schwer zu vermitteln gewesen, erinnert sich Fritz Audebert.
"Ja, vor sechs Jahren, wie ich angefangen hatte, war es so, dass man bei 90 Prozent der Unternehmen überhaupt mal erklären musste, was das Interkulturelle überhaupt auf sich hat, warum macht man so was, was hat das für Vorteile? Diese Diskussion, diese Frage gibt es jetzt überhaupt nicht mehr, ich würde sagen, dass jetzt umgekehrt 90 Prozent der deutschen Unternehmen den Wert interkultureller Trainings, interkultureller Maßnahmen fordern, es ist eher so, dass wir vom Markt getrieben werden und nicht, weil wir den Markt treiben."
Ein Stimmungswandel in der Wirtschaft, der das Unternehmen rasant wachsen ließ. Rund 40 feste Mitarbeiter und mehr als 160 freie Co-Trainer kümmern sich bei ICUnet heute um die interkulturelle Beratung und Betreuung von 250 Firmen, darunter 19 DAX-notierten Großunternehmen.
Auch die Krones AG mit Hauptsitz in Neutraubling bei Regensburg gehört seit Kurzem zu den Kunden. Das Unternehmen produziert Maschinen und Anlagen für die Getränke- und Lebensmittelindustrie und exportiert diese in die ganze Welt. Doch die internationale Zusammenarbeit ist nicht immer ganz einfach, sagt Doris Pechler, die für das Personalmanagement zuständig ist.
"Also wir hatten zum einen im Unternehmen von den Mitarbeitern vielfältige Rückmeldungen über die Schwierigkeiten, die einfach im Auslandseinsatz entstehen können durch Kultur bedingte Missverständnisse, war einfach auch der Wunsch da von den Mitarbeitern, hier noch stärker unterstützt zu werden. Das ist der eine Punkt, der andere war natürlich auch, dass wir zum Teil mal auch schon die eine oder andere Rückmeldung hatten von den ausländischen Kollegen, auch das eine oder andere Mal von Kundenseite, dass hier Missverständnisse einfach nicht so schnell aus dem Weg bereinigt werden konnten."
ICUnet-Gründer Audebert kennt die Probleme seiner Kunden. Manchmal ist die Situation sogar schon etwas verfahren, bevor der Auslandseinsatz überhaupt begonnen hat. Denn nicht wenige Angestellte wünschen sich als sogenannte "Expatriates" einen Job in einem vertrauten Reiseziel wie den USA, Frankreich oder Großbritannien – und fallen deshalb erst einmal aus allen Wolken, wenn sie für ein anderes Land ausgewählt werden.
"… und man muss sich ja vorstellen, dass ein ganz, ganz großer Teil der Expatriates nicht in irgendwelche Traumländer entsendet werden, sondern in der Regel in Länder entsendet werden, die zumindest vom Image nicht die höchsten Punktwerte erreichen, und da ist unser Auftrag, denen mitzuhelfen, denen auch dann, wenn die Entscheidung gefallen ist, möglichst schnell aufzuzeigen: Wie kann ich in der neuen Umgebung, in dem neuen Land erfolgreich agieren?"
Seminarteilnehmer Paul MacIntyre hat dieses Problem nicht. Er geht gerne ins malayische Malakka. Doch auch er ahnt, dass es nicht immer ganz einfach wird.
"Ich hab’s es mir jetzt auch schildern lassen durch meine Kollegen – die finden da eigentlich keinen Anschluss, also in Malakka ist es so, dass die Familien dort, also die Kollegen, die sie haben am Wochenende dann mit ihren Kindern, mit ihren Kids zu ihren Eltern fahren und dann lieber unter sich bleiben, während dann die Deutschen die dort sind ja schlecht Anschluss finden."
Ähnlich wie Paul MacIntyre wüssten die meisten Seminarteilnehmer die Vorteile der interkulturellen Vorbereitung durchaus zu schätzen, sagt Malaysia-Trainerin Sonja Ernst.
Die meisten Trainings werden mit einem binationalen Trainerteam durchgeführt, neben dem deutschen Trainer geben auch Einheimische geben Tipps aus erster Hand.
Manchmal allerdings kämen die Mitarbeiter auch mit handfesten Sorgen zum Seminar.
"Es gibt natürlich auch Situationen, wo Mitarbeiter mit einem Gefühl der Angst in das Training reinkommen, weil sie befürchten vielleicht den Arbeitsplatz zu verlieren, das sind natürlich manchmal etwas negativere Faktoren, aber in der Regel sind die Leute dankbar, Hilfen an die Hand zu bekommen, wie die Zusammenarbeit mit ihren ausländischen Kollegen besser funktionieren kann."
In anderen Fällen sind es klassische Stereotype, die im Training relativiert werden müssen, sagt ICUnet-Berater Christopher Biesterfeldt, der sich auf Japan und Südkorea spezialisiert hat.
"Es gibt natürlich immer platte Klischees, die da vorhanden sind, die man dann auch erklären muss oder relativieren muss, wenn Teilnehmer dann anfangen von Langnasen und Schlitzaugen zu sprechen, was mitunter vorkommt, sich selbst dann immer als Langnase bezeichnen, und die nehmen uns ja sowieso nicht ernst und die wollen uns ja sowieso nur austricksen oder über den Tisch ziehen, da muss man entsprechend gegen arbeiten, das ist durchaus der Fall."
Doch nicht nur platte Klischees stellen Christopher Biesterfeldt und seine Trainerkollegen vor immer neue Herausforderungen. Schließlich ist es für naturwissenschaftlich denkende Ingenieure nicht immer selbstverständlich, dass auch weiche Faktoren wie kulturelle oder soziale Kompetenz im Job wichtig sein können.
Auch deshalb bietet die ICUnet AG verschiedene Testverfahren an, bei denen die Teilnehmer per Selbsteinschätzung ihre interkulturelle Kompetenz und ihre kulturraumspezifischen Eigenschaften messen lassen können. Mit Erfolg, sagt Unternehmensgründer Fritz Audebert.
"Wir haben mittlerweile über 5000 Tests bei Kunden angewendet, und das ist ein richtiger Run, das ist ein Bestseller, hätte ich nie geglaubt am Anfang, aber das ist das, was in Deutschland scheinbar besonders gut ankommt, Ingenieure wollen Zahlen, Daten, Fakten und die bekommen sie damit."
Doch nicht jeder glaubt, dass weiche interkulturelle Faktoren mit harten Zahlen gemessen werden können. Professor Klaus Dirscherl, der selbst ein Institut für interkulturelle Kommunikation an der Uni Passau leitet und mit ICUnet-Chef Audebert einen engen Austausch pflegt, ist skeptisch.
"Erfolgreiches kommunikatives Handeln in der Fremde oder auch im eigenen Bereich können Psychologen ein bisschen einschätzen, ja, ich bin jetzt also nicht ein Feind der Psychologie, aber die Messbarkeit in diesem einfachen Format befriedigt ein bisschen die Sehnsucht nach wissenschaftlichem Testat, und das halte ich für übertrieben und manchmal ist es in der Tat auch Augenwischerei."
Viele Unternehmen sehen das offenbar anders. Beim Speicherchiphersteller Qimonda werden die Tests zwar noch nicht angewendet. Doch Personalleiter Frank Hoffmeister hält deren Einsatz für sinnvoll.
"Ich selber habe einen Teil dieser Tests von ICUnet mal selber an mir ausprobiert, ich glaube, dass diese Tests ganz wertvoll sein können, ja, sie helfen relativ schnell, sich darüber klar zu werden, wo man vielleicht ein paar Grenzen hat, oder ein paar Themen hat, an denen man vielleicht arbeiten muss."
So verlässt sich Hoffmeister nicht auf die wissenschaftliche Exaktheit der Tests, sondern sieht sie als ein Instrument unter vielen. Auch ICUnet will die Tests nicht als exklusives Auswahlinstrument verstanden wissen, sondern als Hilfe auf dem Weg für das weitere Training.
Dabei sind die Tests nicht die einzigen elektronischen Werkzeuge, die ICUnet seinen Kunden anbietet. Mit dem Begriff "Blended Learning" wirbt das Unternehmen für eine Verknüpfung von Präsenztraining und virtueller Weiterbildung am eigenen PC. So wurden länderspezifische Fallstudien entwickelt, mit denen Angestellte vor ihrer Auslandsentsendung ihr kulturraumspezifisches Wissen testen können.
Am wichtigsten seien für ihn aber trotz allem die Seminare, meint Qimonda-Personalchef Hoffmeister.
"Ich bin immer ein bisschen misstrauisch, wenn man sich selber an den PC setzt und dann diese ganzen Dinge durchmacht, das ist ein zusätzliches Angebot, wichtig ist erstmal, wenn ein Mitarbeiter ins Ausland geht, dass er auch direkt Zeit investiert, in diesen Workshops und in diesen Einzelbriefings, um sich auf diese neue Kultur einzulassen."
Doch auf die Entsendung ins Ausland folgt nach einigen Jahren meist auch wieder die Rückkehr. Deshalb sieht sich die ICUnet AG auch als Komplettdienstleister, der die Kunden bis zum Schluss betreut, sagt Trainerin Sonja Ernst.
"Also von der Personalauswahl, dass man sichergehen kann: Ich hab den perfekten Mitarbeiter entsandt, über die Betreuung, oder die Vorbereitung vielmehr erstmal, dann die Betreuung vor Ort, aber nachher auch eine Art Rückkehrermanagement, dass man es den Leuten auch leichter macht, nach sagen wir drei / vier Jahren in Indonesien, in China, wo auch immer, sich gut dann wieder in das Unternehmen zu integrieren."
Viele Unternehmen haben damit noch große Probleme. Auch Personalchef Hoffmeister ist mit der Situation bei Qimonda noch nicht ganz zufrieden. Zwar versuche man rechtzeitig, eine adäquate Position für die Rückkehrer zu finden. Doch die Auslandserfahrungen der Kollegen würden nicht optimal genutzt, meint Hoffmeister.
"Was dann oft passiert ist, dass wir nicht fragen: So, was habt ihr denn jetzt gelernt? Dass dann für uns hier in Deutschland nach der Rückkehr des Kollegen vielleicht auch benutzt werden kann in einem positiven Sinn. Beispiel: Ich gehe ins Ausland, komme nach drei Jahren wieder, dann habe ich vielleicht hier ne vernünftige Position im Unternehmen in München gefunden und fühl mich auch wohl, die Frage ist: Wie greift man mein Wissen ab, so dass man dann die Erfahrung, die ich zusätzlich gesammelt habe, auch wirklich in die neue Arbeit in der neuen Organisation einbringen kann."
Auslandsvorbereitung und Sprachtraining, Betreuung vor Ort und Reintegration: Lange wurden diese Instrumente nur genutzt, wenn Mitarbeiter in exotische Regionen wie nach Südostasien oder Südamerika geschickt wurden. Dabei seien die Probleme der Expatriates in europäischen Ländern mitunter sogar noch größer, meint Fritz Audebert.
"Wir haben eine Studie gemacht mit mehreren Universitäten zusammen, und da ist herausgekommen, dass die Mitarbeiter, die nach Österreich entsendet werden, einen größeren Kulturschock haben wie diejenigen, die nach Indien oder nach Singapur entsendet werden. Zuerst glaubt man, es ist relativ frappierend, aber man stellt sich vor: Der Mitarbeiter aus Hamburg, Frankfurt oder Köln wird nach Wien entsandt, dann glaubt er zuerst: Na ja, wir sprechen die gleiche Sprache, aber um in ein Wiener Netzwerk hineinzukommen, da muss man interkulturell mentalitätsmäßig sehr viel verstehen, um dort erfolgreich agieren zu können."
Das glauben inzwischen auch viele Unternehmen.
Nun zahlt es sich aus, dass das international agierende Beratungsunternehmen noch immer im beschaulichen Passau sitzt.
"In der Anfangszeit aber auch heute noch haben wir Aufträge bekommen genau deswegen, weil wir in diesem Dreiländereck Tschechien – Österreich – Deutschland liegen, weil uns damit auch eine gewisse Kompetenz zugesprochen wird, mit Ostmitteleuropäern zusammenzukommen, da auch das Know-how, das Trainernetzwerk, die geschichtlichen Hintergründe zu kennen, das ist bei einem Unternehmen, das jetzt in Stuttgart wäre, oder in Bonn wäre oder Hamburg wäre nicht gegeben."
Einer, der dieses Know-how ins Unternehmen gebracht hat, ist Peter Majercik. Für seine Promotion ist der Slowake nach Passau gekommen, nun arbeitet er als Trainer für die Länder Tschechien, Slowakei, Polen und Ungarn. Dort gibt es zahlreiche Vorbehalte gegenüber den Deutschen, erzählt Majercik.
"Zu den klassischen Stereotypen gehört: Die Deutschen sind humorlos, die können nicht lachen, aber auch solche Sachen wie die sind arrogant, sind zu direkt, das bestimmte Gründe. Diese Arroganz kommt davon: in Deutschland ist es sehr wichtig, dass man ehrlich und direkt ist, dass man die Meinung welche man hat, natürlich höflich, aber relativ direkt dem anderen sagt. Das ist oftmals für Ungarn oder Slowaken ist das zu rasch, zu unangenehm."
Um über diese Stereotypen sprechen zu können, lässt Majercik die Seminarteilnehmer oft als erstes aufschreiben, was sie über ihre ausländischen Kollegen denken.
"Und ich hab das auch für eine slowakische Gruppe gemacht, wo die slowakische Mitarbeiter einen typischen Deutschen darstellen sollte, und die haben nur eine einzige Sache gemacht, die haben zwei Wörter geschrieben: Das Wort 'sofort', weil die Kollegen alles 'sofort' wollen und das andere Wort 'Besserwisser'."
Doch die höflichen Slowaken brauchten eine ganze Weile, bis sie sich zu ihrer Entscheidung durchgerungen hatten.
"Wobei das Wort 'Besserwisser', da haben die 20 Minuten diskutiert, ob die das aufschreiben dürfen, weil das ziemlich beleidigend klingt. Die waren kurz davor, 'Know-how-Träger' zu schreiben, da bin ich aber gekommen und habe gesagt: Ja, aber Know-how-Träger ist sehr positiv, 'Besserwisser' ist irgendwas, was wirklich die Realität widerspiegelt."
Dabei sind es nicht nur seine kulturellen Erfahrungen aus Deutschland und Osteuropa, die Peter Majercik in seinen Seminaren nutzen kann. Vor einigen Monaten hat er genauso wie 20 weitere ICUnet-Trainer einen mehrmonatigen Lehrgang am artop-Institut der Humboldt-Uni in Berlin absolviert. Nun ist er als "Trainer für interkulturelle Kompetenzen" zertifiziert. Für ICUnet-Chef Fritz Audebert gerade in Deutschland ein wichtiger Schritt.
"Jeder Mitarbeiter hat viele, viele Tage Weiterbildung jedes Jahr und die Trainerzertifizierung ist jetzt ein Baustein davon, der auch ganz stark in die Richtung geht wieder: Deutschland, wir sind das Land der DIN-Norm, der Deutschen Industrie-Norm, wir haben den TÜV in Deutschland erfunden, und so ist Zertifizierung in Deutschland – ob das ISO oder was weiß ich ist – eine typisch deutsche Herausforderung."
Auch Ragna Runkel, die sich am Berliner artop-Institut um die methodische Ausbildung der Passauer Berater gekümmert hat, wirbt für die Zertifizierung.
"Das Problem bei Beratungsleistungen ist ja immer, dass man sozusagen nicht weiß, was man kauft, ist so ein Vertrauensgeschäft, uns fragt jemand an, können sie bei uns ein Teamtraining machen mit interkulturellen Teams, und wir können zwar ungefähr sagen, was wir mit den Teilnehmern machen, aber wir können nicht ganz genau wie wenn ich ein Auto kaufe, dann kann ich ne Probefahrt machen, kann ich das anfassen, angucken, kann mich erkundigen, was das für Alternativen gibt, kann das ganz genau abwägen: Leistung, Qualität und Preis und das kann man eben bei einem Training oder einer Beratungsleistung nicht machen."
So sorgt die Zertifizierung dafür, eine gewisse Übersichtlichkeit in einen unübersichtlichen Markt zu bringen. Trotz allem sind es am Ende jedoch die direkten Erfahrungen der Unternehmen, die wirklich zählen. Personalmanagerin Doris Pechler von der Krones AG jedenfalls hat bisher gute Erfahrungen mit den interkulturellen Trainings gemacht.
"Wir haben schon jetzt erstmal das Feedback von den Teilnehmern, dass vor allem die eigene Sicherheit im Umgang gestiegen ist, man fühlt sich ein bisschen wohler, man fühlt sich sicherer im Umgang mit ausländischen Partnern, kann auch besser und wenig Konflikt behafteter auf solche Situationen reagieren, weil man einfach versteht, der tickt ja auch ein bisschen anders, da kann ich vielleicht auch ein bisschen anders das jetzt interpretieren, wie er mir entgegenkommt."
Dabei ist interkulturelle Beratung längst keine Einbahnstraße mehr. Nicht nur westliche Unternehmen machen ihre Mitarbeiter fit für die Globalisierung, auch manche chinesische Firmen trainieren ihre Angestellten, bevor sie sie nach Europa schicken, sagt Fritz Audebert.
"Weil nämlich schon die Chinesen auch merken, dass sie durch ihr rasantes und vielleicht auch aggressives Wachstum den Einen oder Anderen auch verschrecken, und den Chinesen bringt es auch nichts, und das weiß auch jeder Chinese, dass er auch keine Lust hat, wenn ich alle drei Jahre oder vielleicht jedes Jahr meinen Partner wechsele, dass ich dann auch nicht gut vorankomme."
So wächst das Interesse an interkultureller Beratung, und mit ihm wächst auch ICUnet. Im nächsten Jahr soll ein Büro in Wien eröffnet werden, weitere Niederlassungen in London, Paris und Shanghai sind schon geplant.
Doch gibt es nicht auch neue Probleme, wenn sich auch die Gegenseite kulturell auf den Geschäftspartner einstellt?
Unternehmensgründer Audebert glaubt nicht, dass es soweit kommen muss. Er vergleicht die interkulturelle Kommunikation mit zwei Menschen, die ins gleiche Kino gehen, sich aber unterschiedliche Filme anschauen.
"Und ideal wäre doch, wenn die zusammen einen Film schauen könnten und beide den Film verstehen könnten, und um das geht es. Und deswegen ist die Meta-Ebene gut, die Meta-Ebene zu verstehen: Was denkt der andere und ich aber trotzdem nach wie vor Deutscher bleibe, aber ich weiß in etwa, was in dem Japaner vorgeht, und der Japaner Japaner bleibt, aber auch weiß, was im Deutschen vorgeht, dann bringe ich eine wunderbare Schnittmenge zusammen, und das ist eigentlich das, was wir vermitteln."
"Wie viel?, schnell! – Was? – Es ist für meine Frau! – Ähh, 20 Schekel – Fein, da bitte sehr! – Moment mal, ja, wir müssen erst feilschen – nein, nein, nein, ich hab ihn bezahlt …"
Der Filmheld Brian und ein römischer Markthändler in einem wilden Wortgefecht: Schon die britische Komikergruppe Monty Python wusste, dass Kommunikation zwischen wildfremden Menschen nicht immer ganz einfach ist.
"Oh meine Güte, meine Güte, los kommen Sie, feilschen Sie! – Na schön, ich gebe Ihnen zehn! – Schon besser so! – Zehn, sie wollen mich wohl beleidigen, mich, mit einer im Sterben liegenden Großmutter, zehn!"
Für die Trainerin Sonja Ernst ist die kurze Filmszene aus dem "Life of Brian" ein guter Einstieg, um den Seminarteilnehmer auf die möglichen Probleme im Ausland vorzubereiten.
"… das wird dann ja auch Ihre Herausforderung sein, die Spielregeln in Malaysia zu kennen, um zu wissen, wie läuft das Spiel da, und um eine Verhandlungssituation wie da zum Beispiel nicht in Gefahr zu bringen."
Paul MacIntyre, ein junger Mann mit kurzen Haaren, nickt zustimmend. Im September wird er für drei Jahre nach Malaysia gehen. Dort soll er sich für seinen Arbeitgeber, den Speicherchiphersteller Qimonda, um den Einkauf kümmern.
Für Paul MacIntyre wird es nicht das erste Mal in Malaysia sein. Schon während des Studiums hat der 32-Jährige ein Jahr in Kuala Lumpur verbracht, und dabei eine ganz ähnliche Situation wie der Filmheld Brian erlebt.
"… und hab dann gesagt: Also, ich zahle jetzt zehn Ringgit, habe jetzt keine Zeit zum Verhandeln, gib mir das jetzt und los, ich weiß das ist der Preis, bitte! – Da hat er ein bisschen komisch geschaut, er hat’s dann aber letztlich gemacht, ich habe dann gesagt, er möchte das bitte entschuldigen, weil es einfach aus der Zeitnot heraus ist, aber normalerweise hätte ich mir dann schon die fünf oder zehn Minuten genommen."
Paul MacIntyre scheint für seine Aufgabe gut gerüstet - schließlich weiß er, dass er mit seinem Verhalten die kulturellen Konventionen des Gastlandes verletzt hat.
Um mit ausländischen Partnern Geschäfte zu machen, braucht man ein gutes Verständnis der anderen Kultur. Eigentlich eine Binsenweisheit. Doch viele Unternehmen würden sie trotzdem nicht beachten, meint Fritz Audebert. So wird aus dem Traum von internationaler Zusammenarbeit schnell ein Alptraum.
"Man braucht sich bloß zwei Großunternehmen in Deutschland anschauen, Daimler-Crysler, oder früher DaimlerCrysler – hat ja den Konzern viele, viele Milliarden gekostet, man weiß mittlerweile, dass ein ganz hoher Prozentsatz der Probleme, die es in diesem Konzern gegeben hat, interkulturelle Kommunikationsprobleme waren und der direkte Nachbar bei BMW: BMW hat bei Rover über drei Milliarden Euro verloren, man weiß mittlerweile durch viele Studien, dass ein ganz großer Anteil auch dort die Nichtberücksichtigung der Unterschiede zwischen Briten und Deutschen ist."
Fritz Audebert hat eine Marktlücke entdeckt. Viele Jahre lang hatte er Erfahrungen im Umgang mit anderen Kulturen gesammelt: Bei langen Auslandsaufenthalten in Russland, Osteuropa und Südamerika. Und bei seinem Kulturwirt-Studium und seiner späteren Promotion an der Uni Passau, wo er sich wissenschaftlich mit dem Thema beschäftigte.
2001 schließlich gründete er die ICUnet AG. Ein mehrdeutiger Name: Man kann das Buchstabenkürzel als "intercultural network" und als "international community" deuten, oder man ließt es als "I see you – in the internet" – zu deutsch: "Ich sehe dich im Internet", was wohl auf die Online-Angebote des Unternehmens gemünzt ist.
Doch nicht nur der Firmenname, sondern auch die Dienstleistung selbst sei anfangs nur schwer zu vermitteln gewesen, erinnert sich Fritz Audebert.
"Ja, vor sechs Jahren, wie ich angefangen hatte, war es so, dass man bei 90 Prozent der Unternehmen überhaupt mal erklären musste, was das Interkulturelle überhaupt auf sich hat, warum macht man so was, was hat das für Vorteile? Diese Diskussion, diese Frage gibt es jetzt überhaupt nicht mehr, ich würde sagen, dass jetzt umgekehrt 90 Prozent der deutschen Unternehmen den Wert interkultureller Trainings, interkultureller Maßnahmen fordern, es ist eher so, dass wir vom Markt getrieben werden und nicht, weil wir den Markt treiben."
Ein Stimmungswandel in der Wirtschaft, der das Unternehmen rasant wachsen ließ. Rund 40 feste Mitarbeiter und mehr als 160 freie Co-Trainer kümmern sich bei ICUnet heute um die interkulturelle Beratung und Betreuung von 250 Firmen, darunter 19 DAX-notierten Großunternehmen.
Auch die Krones AG mit Hauptsitz in Neutraubling bei Regensburg gehört seit Kurzem zu den Kunden. Das Unternehmen produziert Maschinen und Anlagen für die Getränke- und Lebensmittelindustrie und exportiert diese in die ganze Welt. Doch die internationale Zusammenarbeit ist nicht immer ganz einfach, sagt Doris Pechler, die für das Personalmanagement zuständig ist.
"Also wir hatten zum einen im Unternehmen von den Mitarbeitern vielfältige Rückmeldungen über die Schwierigkeiten, die einfach im Auslandseinsatz entstehen können durch Kultur bedingte Missverständnisse, war einfach auch der Wunsch da von den Mitarbeitern, hier noch stärker unterstützt zu werden. Das ist der eine Punkt, der andere war natürlich auch, dass wir zum Teil mal auch schon die eine oder andere Rückmeldung hatten von den ausländischen Kollegen, auch das eine oder andere Mal von Kundenseite, dass hier Missverständnisse einfach nicht so schnell aus dem Weg bereinigt werden konnten."
ICUnet-Gründer Audebert kennt die Probleme seiner Kunden. Manchmal ist die Situation sogar schon etwas verfahren, bevor der Auslandseinsatz überhaupt begonnen hat. Denn nicht wenige Angestellte wünschen sich als sogenannte "Expatriates" einen Job in einem vertrauten Reiseziel wie den USA, Frankreich oder Großbritannien – und fallen deshalb erst einmal aus allen Wolken, wenn sie für ein anderes Land ausgewählt werden.
"… und man muss sich ja vorstellen, dass ein ganz, ganz großer Teil der Expatriates nicht in irgendwelche Traumländer entsendet werden, sondern in der Regel in Länder entsendet werden, die zumindest vom Image nicht die höchsten Punktwerte erreichen, und da ist unser Auftrag, denen mitzuhelfen, denen auch dann, wenn die Entscheidung gefallen ist, möglichst schnell aufzuzeigen: Wie kann ich in der neuen Umgebung, in dem neuen Land erfolgreich agieren?"
Seminarteilnehmer Paul MacIntyre hat dieses Problem nicht. Er geht gerne ins malayische Malakka. Doch auch er ahnt, dass es nicht immer ganz einfach wird.
"Ich hab’s es mir jetzt auch schildern lassen durch meine Kollegen – die finden da eigentlich keinen Anschluss, also in Malakka ist es so, dass die Familien dort, also die Kollegen, die sie haben am Wochenende dann mit ihren Kindern, mit ihren Kids zu ihren Eltern fahren und dann lieber unter sich bleiben, während dann die Deutschen die dort sind ja schlecht Anschluss finden."
Ähnlich wie Paul MacIntyre wüssten die meisten Seminarteilnehmer die Vorteile der interkulturellen Vorbereitung durchaus zu schätzen, sagt Malaysia-Trainerin Sonja Ernst.
Die meisten Trainings werden mit einem binationalen Trainerteam durchgeführt, neben dem deutschen Trainer geben auch Einheimische geben Tipps aus erster Hand.
Manchmal allerdings kämen die Mitarbeiter auch mit handfesten Sorgen zum Seminar.
"Es gibt natürlich auch Situationen, wo Mitarbeiter mit einem Gefühl der Angst in das Training reinkommen, weil sie befürchten vielleicht den Arbeitsplatz zu verlieren, das sind natürlich manchmal etwas negativere Faktoren, aber in der Regel sind die Leute dankbar, Hilfen an die Hand zu bekommen, wie die Zusammenarbeit mit ihren ausländischen Kollegen besser funktionieren kann."
In anderen Fällen sind es klassische Stereotype, die im Training relativiert werden müssen, sagt ICUnet-Berater Christopher Biesterfeldt, der sich auf Japan und Südkorea spezialisiert hat.
"Es gibt natürlich immer platte Klischees, die da vorhanden sind, die man dann auch erklären muss oder relativieren muss, wenn Teilnehmer dann anfangen von Langnasen und Schlitzaugen zu sprechen, was mitunter vorkommt, sich selbst dann immer als Langnase bezeichnen, und die nehmen uns ja sowieso nicht ernst und die wollen uns ja sowieso nur austricksen oder über den Tisch ziehen, da muss man entsprechend gegen arbeiten, das ist durchaus der Fall."
Doch nicht nur platte Klischees stellen Christopher Biesterfeldt und seine Trainerkollegen vor immer neue Herausforderungen. Schließlich ist es für naturwissenschaftlich denkende Ingenieure nicht immer selbstverständlich, dass auch weiche Faktoren wie kulturelle oder soziale Kompetenz im Job wichtig sein können.
Auch deshalb bietet die ICUnet AG verschiedene Testverfahren an, bei denen die Teilnehmer per Selbsteinschätzung ihre interkulturelle Kompetenz und ihre kulturraumspezifischen Eigenschaften messen lassen können. Mit Erfolg, sagt Unternehmensgründer Fritz Audebert.
"Wir haben mittlerweile über 5000 Tests bei Kunden angewendet, und das ist ein richtiger Run, das ist ein Bestseller, hätte ich nie geglaubt am Anfang, aber das ist das, was in Deutschland scheinbar besonders gut ankommt, Ingenieure wollen Zahlen, Daten, Fakten und die bekommen sie damit."
Doch nicht jeder glaubt, dass weiche interkulturelle Faktoren mit harten Zahlen gemessen werden können. Professor Klaus Dirscherl, der selbst ein Institut für interkulturelle Kommunikation an der Uni Passau leitet und mit ICUnet-Chef Audebert einen engen Austausch pflegt, ist skeptisch.
"Erfolgreiches kommunikatives Handeln in der Fremde oder auch im eigenen Bereich können Psychologen ein bisschen einschätzen, ja, ich bin jetzt also nicht ein Feind der Psychologie, aber die Messbarkeit in diesem einfachen Format befriedigt ein bisschen die Sehnsucht nach wissenschaftlichem Testat, und das halte ich für übertrieben und manchmal ist es in der Tat auch Augenwischerei."
Viele Unternehmen sehen das offenbar anders. Beim Speicherchiphersteller Qimonda werden die Tests zwar noch nicht angewendet. Doch Personalleiter Frank Hoffmeister hält deren Einsatz für sinnvoll.
"Ich selber habe einen Teil dieser Tests von ICUnet mal selber an mir ausprobiert, ich glaube, dass diese Tests ganz wertvoll sein können, ja, sie helfen relativ schnell, sich darüber klar zu werden, wo man vielleicht ein paar Grenzen hat, oder ein paar Themen hat, an denen man vielleicht arbeiten muss."
So verlässt sich Hoffmeister nicht auf die wissenschaftliche Exaktheit der Tests, sondern sieht sie als ein Instrument unter vielen. Auch ICUnet will die Tests nicht als exklusives Auswahlinstrument verstanden wissen, sondern als Hilfe auf dem Weg für das weitere Training.
Dabei sind die Tests nicht die einzigen elektronischen Werkzeuge, die ICUnet seinen Kunden anbietet. Mit dem Begriff "Blended Learning" wirbt das Unternehmen für eine Verknüpfung von Präsenztraining und virtueller Weiterbildung am eigenen PC. So wurden länderspezifische Fallstudien entwickelt, mit denen Angestellte vor ihrer Auslandsentsendung ihr kulturraumspezifisches Wissen testen können.
Am wichtigsten seien für ihn aber trotz allem die Seminare, meint Qimonda-Personalchef Hoffmeister.
"Ich bin immer ein bisschen misstrauisch, wenn man sich selber an den PC setzt und dann diese ganzen Dinge durchmacht, das ist ein zusätzliches Angebot, wichtig ist erstmal, wenn ein Mitarbeiter ins Ausland geht, dass er auch direkt Zeit investiert, in diesen Workshops und in diesen Einzelbriefings, um sich auf diese neue Kultur einzulassen."
Doch auf die Entsendung ins Ausland folgt nach einigen Jahren meist auch wieder die Rückkehr. Deshalb sieht sich die ICUnet AG auch als Komplettdienstleister, der die Kunden bis zum Schluss betreut, sagt Trainerin Sonja Ernst.
"Also von der Personalauswahl, dass man sichergehen kann: Ich hab den perfekten Mitarbeiter entsandt, über die Betreuung, oder die Vorbereitung vielmehr erstmal, dann die Betreuung vor Ort, aber nachher auch eine Art Rückkehrermanagement, dass man es den Leuten auch leichter macht, nach sagen wir drei / vier Jahren in Indonesien, in China, wo auch immer, sich gut dann wieder in das Unternehmen zu integrieren."
Viele Unternehmen haben damit noch große Probleme. Auch Personalchef Hoffmeister ist mit der Situation bei Qimonda noch nicht ganz zufrieden. Zwar versuche man rechtzeitig, eine adäquate Position für die Rückkehrer zu finden. Doch die Auslandserfahrungen der Kollegen würden nicht optimal genutzt, meint Hoffmeister.
"Was dann oft passiert ist, dass wir nicht fragen: So, was habt ihr denn jetzt gelernt? Dass dann für uns hier in Deutschland nach der Rückkehr des Kollegen vielleicht auch benutzt werden kann in einem positiven Sinn. Beispiel: Ich gehe ins Ausland, komme nach drei Jahren wieder, dann habe ich vielleicht hier ne vernünftige Position im Unternehmen in München gefunden und fühl mich auch wohl, die Frage ist: Wie greift man mein Wissen ab, so dass man dann die Erfahrung, die ich zusätzlich gesammelt habe, auch wirklich in die neue Arbeit in der neuen Organisation einbringen kann."
Auslandsvorbereitung und Sprachtraining, Betreuung vor Ort und Reintegration: Lange wurden diese Instrumente nur genutzt, wenn Mitarbeiter in exotische Regionen wie nach Südostasien oder Südamerika geschickt wurden. Dabei seien die Probleme der Expatriates in europäischen Ländern mitunter sogar noch größer, meint Fritz Audebert.
"Wir haben eine Studie gemacht mit mehreren Universitäten zusammen, und da ist herausgekommen, dass die Mitarbeiter, die nach Österreich entsendet werden, einen größeren Kulturschock haben wie diejenigen, die nach Indien oder nach Singapur entsendet werden. Zuerst glaubt man, es ist relativ frappierend, aber man stellt sich vor: Der Mitarbeiter aus Hamburg, Frankfurt oder Köln wird nach Wien entsandt, dann glaubt er zuerst: Na ja, wir sprechen die gleiche Sprache, aber um in ein Wiener Netzwerk hineinzukommen, da muss man interkulturell mentalitätsmäßig sehr viel verstehen, um dort erfolgreich agieren zu können."
Das glauben inzwischen auch viele Unternehmen.
Nun zahlt es sich aus, dass das international agierende Beratungsunternehmen noch immer im beschaulichen Passau sitzt.
"In der Anfangszeit aber auch heute noch haben wir Aufträge bekommen genau deswegen, weil wir in diesem Dreiländereck Tschechien – Österreich – Deutschland liegen, weil uns damit auch eine gewisse Kompetenz zugesprochen wird, mit Ostmitteleuropäern zusammenzukommen, da auch das Know-how, das Trainernetzwerk, die geschichtlichen Hintergründe zu kennen, das ist bei einem Unternehmen, das jetzt in Stuttgart wäre, oder in Bonn wäre oder Hamburg wäre nicht gegeben."
Einer, der dieses Know-how ins Unternehmen gebracht hat, ist Peter Majercik. Für seine Promotion ist der Slowake nach Passau gekommen, nun arbeitet er als Trainer für die Länder Tschechien, Slowakei, Polen und Ungarn. Dort gibt es zahlreiche Vorbehalte gegenüber den Deutschen, erzählt Majercik.
"Zu den klassischen Stereotypen gehört: Die Deutschen sind humorlos, die können nicht lachen, aber auch solche Sachen wie die sind arrogant, sind zu direkt, das bestimmte Gründe. Diese Arroganz kommt davon: in Deutschland ist es sehr wichtig, dass man ehrlich und direkt ist, dass man die Meinung welche man hat, natürlich höflich, aber relativ direkt dem anderen sagt. Das ist oftmals für Ungarn oder Slowaken ist das zu rasch, zu unangenehm."
Um über diese Stereotypen sprechen zu können, lässt Majercik die Seminarteilnehmer oft als erstes aufschreiben, was sie über ihre ausländischen Kollegen denken.
"Und ich hab das auch für eine slowakische Gruppe gemacht, wo die slowakische Mitarbeiter einen typischen Deutschen darstellen sollte, und die haben nur eine einzige Sache gemacht, die haben zwei Wörter geschrieben: Das Wort 'sofort', weil die Kollegen alles 'sofort' wollen und das andere Wort 'Besserwisser'."
Doch die höflichen Slowaken brauchten eine ganze Weile, bis sie sich zu ihrer Entscheidung durchgerungen hatten.
"Wobei das Wort 'Besserwisser', da haben die 20 Minuten diskutiert, ob die das aufschreiben dürfen, weil das ziemlich beleidigend klingt. Die waren kurz davor, 'Know-how-Träger' zu schreiben, da bin ich aber gekommen und habe gesagt: Ja, aber Know-how-Träger ist sehr positiv, 'Besserwisser' ist irgendwas, was wirklich die Realität widerspiegelt."
Dabei sind es nicht nur seine kulturellen Erfahrungen aus Deutschland und Osteuropa, die Peter Majercik in seinen Seminaren nutzen kann. Vor einigen Monaten hat er genauso wie 20 weitere ICUnet-Trainer einen mehrmonatigen Lehrgang am artop-Institut der Humboldt-Uni in Berlin absolviert. Nun ist er als "Trainer für interkulturelle Kompetenzen" zertifiziert. Für ICUnet-Chef Fritz Audebert gerade in Deutschland ein wichtiger Schritt.
"Jeder Mitarbeiter hat viele, viele Tage Weiterbildung jedes Jahr und die Trainerzertifizierung ist jetzt ein Baustein davon, der auch ganz stark in die Richtung geht wieder: Deutschland, wir sind das Land der DIN-Norm, der Deutschen Industrie-Norm, wir haben den TÜV in Deutschland erfunden, und so ist Zertifizierung in Deutschland – ob das ISO oder was weiß ich ist – eine typisch deutsche Herausforderung."
Auch Ragna Runkel, die sich am Berliner artop-Institut um die methodische Ausbildung der Passauer Berater gekümmert hat, wirbt für die Zertifizierung.
"Das Problem bei Beratungsleistungen ist ja immer, dass man sozusagen nicht weiß, was man kauft, ist so ein Vertrauensgeschäft, uns fragt jemand an, können sie bei uns ein Teamtraining machen mit interkulturellen Teams, und wir können zwar ungefähr sagen, was wir mit den Teilnehmern machen, aber wir können nicht ganz genau wie wenn ich ein Auto kaufe, dann kann ich ne Probefahrt machen, kann ich das anfassen, angucken, kann mich erkundigen, was das für Alternativen gibt, kann das ganz genau abwägen: Leistung, Qualität und Preis und das kann man eben bei einem Training oder einer Beratungsleistung nicht machen."
So sorgt die Zertifizierung dafür, eine gewisse Übersichtlichkeit in einen unübersichtlichen Markt zu bringen. Trotz allem sind es am Ende jedoch die direkten Erfahrungen der Unternehmen, die wirklich zählen. Personalmanagerin Doris Pechler von der Krones AG jedenfalls hat bisher gute Erfahrungen mit den interkulturellen Trainings gemacht.
"Wir haben schon jetzt erstmal das Feedback von den Teilnehmern, dass vor allem die eigene Sicherheit im Umgang gestiegen ist, man fühlt sich ein bisschen wohler, man fühlt sich sicherer im Umgang mit ausländischen Partnern, kann auch besser und wenig Konflikt behafteter auf solche Situationen reagieren, weil man einfach versteht, der tickt ja auch ein bisschen anders, da kann ich vielleicht auch ein bisschen anders das jetzt interpretieren, wie er mir entgegenkommt."
Dabei ist interkulturelle Beratung längst keine Einbahnstraße mehr. Nicht nur westliche Unternehmen machen ihre Mitarbeiter fit für die Globalisierung, auch manche chinesische Firmen trainieren ihre Angestellten, bevor sie sie nach Europa schicken, sagt Fritz Audebert.
"Weil nämlich schon die Chinesen auch merken, dass sie durch ihr rasantes und vielleicht auch aggressives Wachstum den Einen oder Anderen auch verschrecken, und den Chinesen bringt es auch nichts, und das weiß auch jeder Chinese, dass er auch keine Lust hat, wenn ich alle drei Jahre oder vielleicht jedes Jahr meinen Partner wechsele, dass ich dann auch nicht gut vorankomme."
So wächst das Interesse an interkultureller Beratung, und mit ihm wächst auch ICUnet. Im nächsten Jahr soll ein Büro in Wien eröffnet werden, weitere Niederlassungen in London, Paris und Shanghai sind schon geplant.
Doch gibt es nicht auch neue Probleme, wenn sich auch die Gegenseite kulturell auf den Geschäftspartner einstellt?
Unternehmensgründer Audebert glaubt nicht, dass es soweit kommen muss. Er vergleicht die interkulturelle Kommunikation mit zwei Menschen, die ins gleiche Kino gehen, sich aber unterschiedliche Filme anschauen.
"Und ideal wäre doch, wenn die zusammen einen Film schauen könnten und beide den Film verstehen könnten, und um das geht es. Und deswegen ist die Meta-Ebene gut, die Meta-Ebene zu verstehen: Was denkt der andere und ich aber trotzdem nach wie vor Deutscher bleibe, aber ich weiß in etwa, was in dem Japaner vorgeht, und der Japaner Japaner bleibt, aber auch weiß, was im Deutschen vorgeht, dann bringe ich eine wunderbare Schnittmenge zusammen, und das ist eigentlich das, was wir vermitteln."