Passionierter Reimeschmied
In einem zweisprachigen Prachtband sind die Songtexte des Police-Sängers Sting erschienen. "So einsam", "Flaschenpost", "Wie der Mann im Mond" - manche Texte lesen sich vorzüglich, andere driften durch die Übersetzung ins Deutsche unfreiwillig ins Komische ab.
Kein Zweifel, der 1951 geborene Gordon Matthew Thomas Sumner ist einer der ganz Großen im Popgeschäft. Jeder, der um 1980 einigermaßen jung war, hat bis heute die Songs von Police im Ohr. Später hat er mit hochkarätigen Jazzmusikern aus dem Umkreis von Weather Report und der Miles Davis Band zusammengearbeitet. Unverwechselbare Stimme, große Musikalität, viele gute Songs – man muss Sting nicht mögen, aber seine Qualitäten kann niemand abstreiten.
Der Sohn eines Milchmanns, der erst Lehrer und dann Weltstar wurde, will aber mehr. Er strebt auch nach literarischen Weihen. Seine Autobiografie "Broken Music" war nur der Anfang. Jetzt ist ein zweisprachiger Prachtband mit Stings sämtlichen Songtexten erschienen, von ihm selbst knapp kommentiert. Sting – auch ein Dichter? "Ich muss sagen, dass das Buch, wie es jetzt ist, ganz ohne Noten, doch sehr wie ein Gedichtband aussieht", schreibt er in der Einleitung.
Oft werden Songtexte in ihrer Bedeutung überschätzt. Von Kurt Cobain, dessen Lyrics ebenfalls wie heilige Schriften interpretiert wurden, stammt ein bemerkenswerter Satz: Er kenne kein einziges Lied, das er besser gefunden habe allein aufgrund eines guten Textes. Das leuchtet unmittelbar ein, auch wenn Liedermacher hier vielleicht protestieren würden. Aber Sting ist kein Liedermacher, er ist Popmusiker.
Alles also nur "De Do Do Do, De Da Da Da", um einen Hit von Police zu zitieren? Grundsätzlich ja, vor allem in den frühen Texten. "So Lonely", "Message in a Bottle", "Walking on the Moon" – das sind Formeln, bei denen man sofort die Melodie und die Sting-Stimme im Kopf hat. Auf Deutsch funktioniert das nicht, und so lesen sich die Texte eher merkwürdig: "So einsam", "Flaschenpost", "Wie der Mann im Mond". In späteren Jahren wurden Stings Texte dann diskursiver, kündeten von großem politischem Problembewusstsein, thematisierten auf plakative Weise Kapitalismus, Kriegsgefahr, Umweltzerstörung. Man hörte lieber nicht so ganz genau hin. Und liest es jetzt mit gemischten Gefühlen: "Afrika entgeht nur dem Hungertod / Bekommt es Bildung, nicht nur Brot". Oder: "Wir entgehen nur dem Untergang / Durch Hoffnung und durch Bildungsdrang". Oder: "Und ich glaube fest, dass es das gibt / Dass auch ein Russe seine Kinder liebt".
Wie diese Kostproben zeigen, ist Sting ein passionierter Reimeschmied, was beim Hören der Lieder gar nicht so auffiel. Er reimt zum Beispiel "influenza” auf "Firenze". Auf solch geradezu Heineschen Wortwitz muss man erst mal kommen. Übersetzer Manfred Allié tut sein Bestes: "Du sagst, dass du im Winter nach Florenz reist / weil du dich da vor der Grippe sicher weißt".
Es gibt zwei Möglichkeiten, Gedichte zu übersetzen. Wer Form und Reim bewahren will, muss leichte Entstellungen des Sinnes in Kauf nehmen. Wem es aber auf die Gedankenführung und den Textsinn ankommt, der sollte auf den Reim verzichten und eine Prosa-Übersetzung anfertigen. Manfred Allié hat mit gutem Grund der Form den Vorzug gegeben. Die Aussagen der Songs sind nicht so packend oder prickelnd, dass es gerechtfertigt wäre, auf die schönen Reime zu verzichten. Und so hat Allié keine Mühe gescheut, die deutsche Sprache auf Gleich- und Ähnlichklänge abzuklopfen, um Stings Vorgaben gerecht zu werden: "Wäre es besser für uns, wäre ich endlich mal proper? / Wäre es besser für uns, ich nähme sie mit in die Oper?" Robert Gernhardt oder Wilhelm Busch hätten dieses Buch gemocht. Und auch der Rezensent bekennt vergnüglich: Die Reime sind vorzüglich. Viele jedenfalls.
Allerdings gibt es große, geschätzte Sting-Songs wie "Moon over Bourbon Street", die beim Lesen der Übersetzung ins unfreiwillig Komische gezogen werden: "Du treibst dich gern in den düsteren Vierteln rum /Aber dort auf den Straßen, da sieh dich gut um / Lass dich dort nachts nicht ohne Freunde blicken / In der Halbwelt, da muss man das Messer zücken". Ein paar Mal aber geschieht es, dass Text und Musik eine kongeniale Einheit bilden. "I Hung My Head" zum Beispiel. Bei diesem Bekenntnis eines leichtsinnigen Mörders verstärkt die im Lied erzählte Geschichte die Wirkung der Musik. Mit gutem Grund hat Johnny Cash den Ausnahme-Song in die Sammlung seiner "American Recordings" aufgenommen.
Besprochen von Wolfgang Schneider
Sting: Die Songs
S. Fischer Verlag, Frankfurt/M. 2010,
479 Seiten, 22,95 Euro
Der Sohn eines Milchmanns, der erst Lehrer und dann Weltstar wurde, will aber mehr. Er strebt auch nach literarischen Weihen. Seine Autobiografie "Broken Music" war nur der Anfang. Jetzt ist ein zweisprachiger Prachtband mit Stings sämtlichen Songtexten erschienen, von ihm selbst knapp kommentiert. Sting – auch ein Dichter? "Ich muss sagen, dass das Buch, wie es jetzt ist, ganz ohne Noten, doch sehr wie ein Gedichtband aussieht", schreibt er in der Einleitung.
Oft werden Songtexte in ihrer Bedeutung überschätzt. Von Kurt Cobain, dessen Lyrics ebenfalls wie heilige Schriften interpretiert wurden, stammt ein bemerkenswerter Satz: Er kenne kein einziges Lied, das er besser gefunden habe allein aufgrund eines guten Textes. Das leuchtet unmittelbar ein, auch wenn Liedermacher hier vielleicht protestieren würden. Aber Sting ist kein Liedermacher, er ist Popmusiker.
Alles also nur "De Do Do Do, De Da Da Da", um einen Hit von Police zu zitieren? Grundsätzlich ja, vor allem in den frühen Texten. "So Lonely", "Message in a Bottle", "Walking on the Moon" – das sind Formeln, bei denen man sofort die Melodie und die Sting-Stimme im Kopf hat. Auf Deutsch funktioniert das nicht, und so lesen sich die Texte eher merkwürdig: "So einsam", "Flaschenpost", "Wie der Mann im Mond". In späteren Jahren wurden Stings Texte dann diskursiver, kündeten von großem politischem Problembewusstsein, thematisierten auf plakative Weise Kapitalismus, Kriegsgefahr, Umweltzerstörung. Man hörte lieber nicht so ganz genau hin. Und liest es jetzt mit gemischten Gefühlen: "Afrika entgeht nur dem Hungertod / Bekommt es Bildung, nicht nur Brot". Oder: "Wir entgehen nur dem Untergang / Durch Hoffnung und durch Bildungsdrang". Oder: "Und ich glaube fest, dass es das gibt / Dass auch ein Russe seine Kinder liebt".
Wie diese Kostproben zeigen, ist Sting ein passionierter Reimeschmied, was beim Hören der Lieder gar nicht so auffiel. Er reimt zum Beispiel "influenza” auf "Firenze". Auf solch geradezu Heineschen Wortwitz muss man erst mal kommen. Übersetzer Manfred Allié tut sein Bestes: "Du sagst, dass du im Winter nach Florenz reist / weil du dich da vor der Grippe sicher weißt".
Es gibt zwei Möglichkeiten, Gedichte zu übersetzen. Wer Form und Reim bewahren will, muss leichte Entstellungen des Sinnes in Kauf nehmen. Wem es aber auf die Gedankenführung und den Textsinn ankommt, der sollte auf den Reim verzichten und eine Prosa-Übersetzung anfertigen. Manfred Allié hat mit gutem Grund der Form den Vorzug gegeben. Die Aussagen der Songs sind nicht so packend oder prickelnd, dass es gerechtfertigt wäre, auf die schönen Reime zu verzichten. Und so hat Allié keine Mühe gescheut, die deutsche Sprache auf Gleich- und Ähnlichklänge abzuklopfen, um Stings Vorgaben gerecht zu werden: "Wäre es besser für uns, wäre ich endlich mal proper? / Wäre es besser für uns, ich nähme sie mit in die Oper?" Robert Gernhardt oder Wilhelm Busch hätten dieses Buch gemocht. Und auch der Rezensent bekennt vergnüglich: Die Reime sind vorzüglich. Viele jedenfalls.
Allerdings gibt es große, geschätzte Sting-Songs wie "Moon over Bourbon Street", die beim Lesen der Übersetzung ins unfreiwillig Komische gezogen werden: "Du treibst dich gern in den düsteren Vierteln rum /Aber dort auf den Straßen, da sieh dich gut um / Lass dich dort nachts nicht ohne Freunde blicken / In der Halbwelt, da muss man das Messer zücken". Ein paar Mal aber geschieht es, dass Text und Musik eine kongeniale Einheit bilden. "I Hung My Head" zum Beispiel. Bei diesem Bekenntnis eines leichtsinnigen Mörders verstärkt die im Lied erzählte Geschichte die Wirkung der Musik. Mit gutem Grund hat Johnny Cash den Ausnahme-Song in die Sammlung seiner "American Recordings" aufgenommen.
Besprochen von Wolfgang Schneider
Sting: Die Songs
S. Fischer Verlag, Frankfurt/M. 2010,
479 Seiten, 22,95 Euro