Patente auf Software in der EU drohen zu scheitern
Bislang ist in Europa Software zwar durch das Copyright geschützt, nicht aber patentierbar. Heute nun will das Europäische Parlament über einen Entwurf zur Harmonisierung des Softwarepatents entscheiden, doch eine Verabschiedung dürfte nach Einschätzung des Wissenschaftsjournalisten Manfred Kloiber an der Frage scheitern, wo der reine Programmiercode endet und Innovation anfängt.
Roelcke: Wer etwas erfindet und diese Erfindung vermarktet, der möchte, dass dieses Produkt geschützt ist, damit ein anderer diese Erfindung nicht einfach nachmacht und kräftig damit verdient. Patente verhindern solchen Missbrauch, doch im Fall der Computertechnik ist es nicht ganz so einfach und nicht ganz so klar. Sollen Computerprogramme patentierbar sein? Darüber soll heute das Europäische Parlament entscheiden, und schon im Vorfeld in Brüssel haben sich die Gegner und Befürworter solcher Patente hitzige Debatten geliefert. Im Studio begrüße ich nun den Wissenschaftsjournalisten Manfred Kloiber. Herr Kloiber, worum geht es denn im Kern in dieser Debatte, über die ja schon so viel gesprochen wurde?
Kloiber: Vordergründig geht es um die Frage, ob auch Verfahren, die durch den Einsatz von Software technische Verbesserungen erfahren haben, patentiert werden können. Also zum Beispiel, wenn ich ein Waschverfahren, das eigentlich nur dadurch dramatisch saubere Wäsche liefert, dass zum Beispiel die Zufuhr von Waschmittel und die Bewegung der Trommel von einer genialen Software gesteuert werden, ob dieses Waschverfahren patentiert werden kann. Da muss man eigentlich sagen, dass sich alle darüber einig sind, dass solche Erfindungen weiterhin patentiert werden können. Dazu muss man wissen, 60 Prozent der industriellen Forschung nach neuen Geräten, neuen Methoden, neuen Verfahren, basieren heute eigentlich auf Software. Würde man das ausschließen, dann wäre die ganze technische Entwicklung gelähmt. Deswegen ist es unbestritten, dass solche Erfindungen weiterhin patentiert werden können. Was umstritten ist, ist, ob Software selbst, also der reine Code, reine Rechenvorschriften patentiert werden können, und da gibt es einen ganz massiven Streit darüber. Das Problem ist nämlich, dass in der Vorlage der Europäischen Union, die im Parlament im Moment diskutiert wird, eine sprachliche Ungenauigkeit drinsteht. Da geht es nämlich genau um diese Abgrenzung, ist es reine Software oder ein technisches Gerät, was da durch Software gesteuert wird? Da steht ganz lapidar drin, technisch ist, was technische Merkmale aufweist oder einen technischen Beitrag liefert. Das heißt also, man hat versucht, Technik mit Technik zu beschreiben. Das ist eine Tautologie, und hier glauben die Kritiker, dass alle Tore offen sind, eben Software an sich zu patentieren, und da befürchten sehr viele, dass es verheerende Folgen hätte.
Roelcke: Ehrlich gesagt, habe ich das noch nicht ganz verstanden. Computerprogramme, so genannte Software, sind ja bislang urheberrechtlich geschützt. Niemand darf solche Programme kopieren oder verändern. Wie ist es denn jetzt zu dieser Idee gekommen, Software nicht nur mit einem Copyright zu versehen, sondern mit einem Patent. Was ist da eigentlich der Unterschied?
Kloiber: Der Unterschied ist, dass das Urheberrecht einen anderen Schutz bietet. Stellen Sie sich vor, Sie sind Softwareentwickler und entwickeln eine Software. Das haben Sie gemacht, ohne dass Sie Software von anderen Leuten benutzt haben, einfach nur durch Nachdenken. Dann ist diese Software, die Sie gemacht haben, urheberrechtlich geschützt ist, weil sie von Ihnen ist, weil es ein Werk von Ihnen ist, geistiges Eigentum. Auf der anderen Seite haben Sie garantiert kein Urheberrecht anderer Leute berührt, weil Sie nichts zu Hilfe genommen haben außer Ihrem eigenen Geist. Bei Patenten sieht es ganz anders aus. Wenn Sie eine Software unter patentrechtlichen Bedingungen betrachten und Sie entwickeln irgendetwas, dann müssten Sie erst mal nachsehen, hat irgendjemand anders dieses auch schon entwickelt in dieser Art und Weise, egal ob Sie durch eigenen Gehirnschmalz darauf gekommen sind oder nicht. Wenn jemand anders das schon vor Ihnen gemacht hat, dann haben Sie ein Problem damit. Genau hier ist auch die große Befürchtung von sehr vielen kleinen und mittelständischen Softwareentwicklern, dass sie einfach keine Software mehr schreiben können, ohne nicht unsicher zu sein, dass sie damit Patente verletzen.
Roelcke: Kann man denn sagen, dass im Falle der Computerprogramme nicht mehr die Erfindung an sich, sondern nur noch Konzepte, Methoden oder Ideen geschützt werden sollen?
Kloiber: Das ist die Befürchtung auf jeden Fall, dass so etwas in Europa Einzug halten könnte wie der amerikanische Patentschutz. In Amerika heißt es einfach nur, patentierbar ist, was nützlich, fühlbar und konkret ist, also eigentlich alles. Tatsächlich passiert es auch in den USA, dass es massenweise Softwarepatente gibt, dass es so genannte "Trivialpatente" gibt, zum Beispiel auf den Fortschrittsbalken: Sie wissen, wenn Sie ein Download aus dem Internet machen, bewegt sich ein Balken nach vorne, der immer fülliger wird. Das ist natürlich eine ganz simple Angelegenheit, aber patentiert, oder genauso eine Rechenvorschrift, wie man eine Toilette auf einem Flughafen verwalten kann, das ist patentiert als Software in den USA. Das geht natürlich so weit, dass man die Patente als strategisches Mittel einsetzen kann, um zum Beispiel Konkurrenten einfach mal durch eine Patentklage in Schwierigkeiten zu bringen. Also hier gibt es eine sehr große Angst, dass die Patente nicht dazu genutzt werden könnten, geistiges Eigentum zu schützen, sondern einfach sich abzuschotten, vor allen Dingen - das ist die meiste Kritik - der Großindustrie eine strategische Waffe in die Hand zu geben, um kleinere Konkurrenten abzuschotten.
Roelcke: Wie sinnvoll ist es denn, solche trivialen Erfindungen zu patentieren?
Kloiber: Das ist natürlich eine Glaubensfrage oder auch eine wirtschaftspolitische Strategieentscheidung, wie sinnvoll oder unsinnvoll das ist. Aus technischen Gesichtspunkten heraus kann man natürlich sagen, das hat nicht die nötige Erfindungshöhe, auch so ein Punkt, der eigentlich im europäischen Patentrecht immer eine Rolle gespielt hat, die nötige technische Erfindungshöhe. Das wäre dann nach amerikanischen Maßstäben, die vielleicht Einzug halten würden, dann ein Problem, dass das nicht mehr erreicht werden müsste, und es könnte im Prinzip jedes Geschäftsmodell patentiert werden. Man hätte dann das Problem, dass man sich mit jedem Geschäftsmodell, mit jeder Softwareentwicklung auseinandersetzen müsste, ob man nicht Patente verletzt.
Roelcke: Sie haben es gesagt, in den USA gibt es bereits solche Patente, 17.000 Patente, habe ich gelesen, sollen es pro Jahr sein. Hat sich das denn in den USA bewährt?
Kloiber: In den USA gibt es wahrscheinlich eine andere Mentalität. Dort lebt man mit diesen Patenten. Die Konzerne sind darauf eingerichtet, dass sie diese Patentstreitigkeiten auch haben. Es gibt immer wieder riesige Patentklagen in der Industrie, und sie werden auch dazu genutzt, um Allianzen zu knüpfen, um Streitigkeiten auch zu schüren, um Gegner in Schach zu halten. Dort ist es ein strategisches Mittel. Bei uns in Europa war es das bislang nicht. Man muss allerdings auch wissen, dass zum Beispiel das Europäische Patentamt, eine Institution, die supranational ist, mit der EU nichts zu tun hat, sondern da sind auch Länder wie zum Beispiel die Schweiz drin, dass aber dieses Europäische Patentamt durchaus auch Patente auf Software vergibt, obwohl es das eigentlich gar nicht darf. Es gibt 30.000 europäische Softwarepatente. Also der Zug schwappt ein bisschen hier nach Europa hinüber, und deswegen versuchen sehr viele Kritiker, diesen Zug jetzt aufzuhalten.
Roelcke: Wer ist den für die Patentierbarkeit von Computerprogrammen? Wer ist denn dagegen? In den vergangenen Wochen wurde ja wirklich sehr heftig in Brüssel darüber diskutiert.
Kloiber: Man muss ganz klar abgrenzen. Dafür ist im Prinzip die Softwaregroßindustrie, das heißt die großen Konzerne der Computerbranche wie zum Beispiel Microsoft sind da ganz emsig, dass sie für die Patentierungsrichtlinie kämpfen. Dagegen sind vor allen Dingen die Befürworter der so genannten "Open Source", also der offenen Software, die ein ganz bestimmtes Modell haben, wie Software entsteht, nämlich durch den freien Austausch. Die müssen natürlich dagegen sein, weil Patente diametral dem entgegenstehen. Auf der anderen Seite sind auch sehr viele kleinere Softwareentwickler und kleinere Firmen dagegen, weil sie einfach die Befürchtung haben, dass sie in diesem Patentpoker nicht mithalten können. Auf der politischen Seite muss man sehen, dass sich innerhalb des Europaparlaments herausgestellt hat, dass bislang die Konservativen, die EVP, für die Patente am Schluss waren, und dass die Grünen und die Sozialistische Fraktion dagegen waren. Aber es wird wahrscheinlich so ausgehen, dass die ganze Patentrichtlinie zurückgenommen wird, also gar nicht mehr behandelt wird, weil nämlich die Befürchtungen sind, dass so viele Änderungsanträge mittlerweile da sind, dass sich die Abgeordneten in diesem Wald von Änderungsanträgen nicht mehr zurechtfinden und eventuell das Falsche verabschieden. Deswegen möchte jetzt gerne der Berichterstatter einfach die Vorlage zurücknehmen, damit gar nicht mehr darüber abgestimmt wird und damit sie neu verhandelt wird. Das Verfahren wird uns also noch erhalten bleiben.
Roelcke: Das heißt, Sie prognostizieren, dass das Europäische Parlament heute in Brüssel nicht entscheiden wird über die Patentierbarkeit von Computerprogrammen?
Kloiber: Nach allem, was man so hört und was man darüber lesen kann, wie gestern die Diskussion am Abend ausgegangen ist, wird es wohl so ausgehen, dass die Vorlage zurückgenommen wird, damit es eben keine falsche Entscheidung, wobei das Wort "falsch" Interpretationssache ist, da sagt jeder etwas Anderes, was falsch sein könnte. Auf jeden Fall hat man Angst davor, dass es da zum Chaos kommt, und deswegen wird es zurückgenommen, auch wegen des massiven Drucks der Lobbyisten, die da in Brüssel aktiv geworden sind. So etwas hat man noch nicht gesehen, weil da wirklich Großindustrie auf der einen Seite und auf der anderen Seite kleine, mittelständische Betriebe und dann auch noch die Globalisierungskritiker das Rennen gemacht haben und dort versucht haben, Einfluss zu nehmen. Das hat die Parlamentarier doch erschrocken, wie massiv das war.
Roelcke: Vielen Dank für das Gespräch.
Kloiber: Vordergründig geht es um die Frage, ob auch Verfahren, die durch den Einsatz von Software technische Verbesserungen erfahren haben, patentiert werden können. Also zum Beispiel, wenn ich ein Waschverfahren, das eigentlich nur dadurch dramatisch saubere Wäsche liefert, dass zum Beispiel die Zufuhr von Waschmittel und die Bewegung der Trommel von einer genialen Software gesteuert werden, ob dieses Waschverfahren patentiert werden kann. Da muss man eigentlich sagen, dass sich alle darüber einig sind, dass solche Erfindungen weiterhin patentiert werden können. Dazu muss man wissen, 60 Prozent der industriellen Forschung nach neuen Geräten, neuen Methoden, neuen Verfahren, basieren heute eigentlich auf Software. Würde man das ausschließen, dann wäre die ganze technische Entwicklung gelähmt. Deswegen ist es unbestritten, dass solche Erfindungen weiterhin patentiert werden können. Was umstritten ist, ist, ob Software selbst, also der reine Code, reine Rechenvorschriften patentiert werden können, und da gibt es einen ganz massiven Streit darüber. Das Problem ist nämlich, dass in der Vorlage der Europäischen Union, die im Parlament im Moment diskutiert wird, eine sprachliche Ungenauigkeit drinsteht. Da geht es nämlich genau um diese Abgrenzung, ist es reine Software oder ein technisches Gerät, was da durch Software gesteuert wird? Da steht ganz lapidar drin, technisch ist, was technische Merkmale aufweist oder einen technischen Beitrag liefert. Das heißt also, man hat versucht, Technik mit Technik zu beschreiben. Das ist eine Tautologie, und hier glauben die Kritiker, dass alle Tore offen sind, eben Software an sich zu patentieren, und da befürchten sehr viele, dass es verheerende Folgen hätte.
Roelcke: Ehrlich gesagt, habe ich das noch nicht ganz verstanden. Computerprogramme, so genannte Software, sind ja bislang urheberrechtlich geschützt. Niemand darf solche Programme kopieren oder verändern. Wie ist es denn jetzt zu dieser Idee gekommen, Software nicht nur mit einem Copyright zu versehen, sondern mit einem Patent. Was ist da eigentlich der Unterschied?
Kloiber: Der Unterschied ist, dass das Urheberrecht einen anderen Schutz bietet. Stellen Sie sich vor, Sie sind Softwareentwickler und entwickeln eine Software. Das haben Sie gemacht, ohne dass Sie Software von anderen Leuten benutzt haben, einfach nur durch Nachdenken. Dann ist diese Software, die Sie gemacht haben, urheberrechtlich geschützt ist, weil sie von Ihnen ist, weil es ein Werk von Ihnen ist, geistiges Eigentum. Auf der anderen Seite haben Sie garantiert kein Urheberrecht anderer Leute berührt, weil Sie nichts zu Hilfe genommen haben außer Ihrem eigenen Geist. Bei Patenten sieht es ganz anders aus. Wenn Sie eine Software unter patentrechtlichen Bedingungen betrachten und Sie entwickeln irgendetwas, dann müssten Sie erst mal nachsehen, hat irgendjemand anders dieses auch schon entwickelt in dieser Art und Weise, egal ob Sie durch eigenen Gehirnschmalz darauf gekommen sind oder nicht. Wenn jemand anders das schon vor Ihnen gemacht hat, dann haben Sie ein Problem damit. Genau hier ist auch die große Befürchtung von sehr vielen kleinen und mittelständischen Softwareentwicklern, dass sie einfach keine Software mehr schreiben können, ohne nicht unsicher zu sein, dass sie damit Patente verletzen.
Roelcke: Kann man denn sagen, dass im Falle der Computerprogramme nicht mehr die Erfindung an sich, sondern nur noch Konzepte, Methoden oder Ideen geschützt werden sollen?
Kloiber: Das ist die Befürchtung auf jeden Fall, dass so etwas in Europa Einzug halten könnte wie der amerikanische Patentschutz. In Amerika heißt es einfach nur, patentierbar ist, was nützlich, fühlbar und konkret ist, also eigentlich alles. Tatsächlich passiert es auch in den USA, dass es massenweise Softwarepatente gibt, dass es so genannte "Trivialpatente" gibt, zum Beispiel auf den Fortschrittsbalken: Sie wissen, wenn Sie ein Download aus dem Internet machen, bewegt sich ein Balken nach vorne, der immer fülliger wird. Das ist natürlich eine ganz simple Angelegenheit, aber patentiert, oder genauso eine Rechenvorschrift, wie man eine Toilette auf einem Flughafen verwalten kann, das ist patentiert als Software in den USA. Das geht natürlich so weit, dass man die Patente als strategisches Mittel einsetzen kann, um zum Beispiel Konkurrenten einfach mal durch eine Patentklage in Schwierigkeiten zu bringen. Also hier gibt es eine sehr große Angst, dass die Patente nicht dazu genutzt werden könnten, geistiges Eigentum zu schützen, sondern einfach sich abzuschotten, vor allen Dingen - das ist die meiste Kritik - der Großindustrie eine strategische Waffe in die Hand zu geben, um kleinere Konkurrenten abzuschotten.
Roelcke: Wie sinnvoll ist es denn, solche trivialen Erfindungen zu patentieren?
Kloiber: Das ist natürlich eine Glaubensfrage oder auch eine wirtschaftspolitische Strategieentscheidung, wie sinnvoll oder unsinnvoll das ist. Aus technischen Gesichtspunkten heraus kann man natürlich sagen, das hat nicht die nötige Erfindungshöhe, auch so ein Punkt, der eigentlich im europäischen Patentrecht immer eine Rolle gespielt hat, die nötige technische Erfindungshöhe. Das wäre dann nach amerikanischen Maßstäben, die vielleicht Einzug halten würden, dann ein Problem, dass das nicht mehr erreicht werden müsste, und es könnte im Prinzip jedes Geschäftsmodell patentiert werden. Man hätte dann das Problem, dass man sich mit jedem Geschäftsmodell, mit jeder Softwareentwicklung auseinandersetzen müsste, ob man nicht Patente verletzt.
Roelcke: Sie haben es gesagt, in den USA gibt es bereits solche Patente, 17.000 Patente, habe ich gelesen, sollen es pro Jahr sein. Hat sich das denn in den USA bewährt?
Kloiber: In den USA gibt es wahrscheinlich eine andere Mentalität. Dort lebt man mit diesen Patenten. Die Konzerne sind darauf eingerichtet, dass sie diese Patentstreitigkeiten auch haben. Es gibt immer wieder riesige Patentklagen in der Industrie, und sie werden auch dazu genutzt, um Allianzen zu knüpfen, um Streitigkeiten auch zu schüren, um Gegner in Schach zu halten. Dort ist es ein strategisches Mittel. Bei uns in Europa war es das bislang nicht. Man muss allerdings auch wissen, dass zum Beispiel das Europäische Patentamt, eine Institution, die supranational ist, mit der EU nichts zu tun hat, sondern da sind auch Länder wie zum Beispiel die Schweiz drin, dass aber dieses Europäische Patentamt durchaus auch Patente auf Software vergibt, obwohl es das eigentlich gar nicht darf. Es gibt 30.000 europäische Softwarepatente. Also der Zug schwappt ein bisschen hier nach Europa hinüber, und deswegen versuchen sehr viele Kritiker, diesen Zug jetzt aufzuhalten.
Roelcke: Wer ist den für die Patentierbarkeit von Computerprogrammen? Wer ist denn dagegen? In den vergangenen Wochen wurde ja wirklich sehr heftig in Brüssel darüber diskutiert.
Kloiber: Man muss ganz klar abgrenzen. Dafür ist im Prinzip die Softwaregroßindustrie, das heißt die großen Konzerne der Computerbranche wie zum Beispiel Microsoft sind da ganz emsig, dass sie für die Patentierungsrichtlinie kämpfen. Dagegen sind vor allen Dingen die Befürworter der so genannten "Open Source", also der offenen Software, die ein ganz bestimmtes Modell haben, wie Software entsteht, nämlich durch den freien Austausch. Die müssen natürlich dagegen sein, weil Patente diametral dem entgegenstehen. Auf der anderen Seite sind auch sehr viele kleinere Softwareentwickler und kleinere Firmen dagegen, weil sie einfach die Befürchtung haben, dass sie in diesem Patentpoker nicht mithalten können. Auf der politischen Seite muss man sehen, dass sich innerhalb des Europaparlaments herausgestellt hat, dass bislang die Konservativen, die EVP, für die Patente am Schluss waren, und dass die Grünen und die Sozialistische Fraktion dagegen waren. Aber es wird wahrscheinlich so ausgehen, dass die ganze Patentrichtlinie zurückgenommen wird, also gar nicht mehr behandelt wird, weil nämlich die Befürchtungen sind, dass so viele Änderungsanträge mittlerweile da sind, dass sich die Abgeordneten in diesem Wald von Änderungsanträgen nicht mehr zurechtfinden und eventuell das Falsche verabschieden. Deswegen möchte jetzt gerne der Berichterstatter einfach die Vorlage zurücknehmen, damit gar nicht mehr darüber abgestimmt wird und damit sie neu verhandelt wird. Das Verfahren wird uns also noch erhalten bleiben.
Roelcke: Das heißt, Sie prognostizieren, dass das Europäische Parlament heute in Brüssel nicht entscheiden wird über die Patentierbarkeit von Computerprogrammen?
Kloiber: Nach allem, was man so hört und was man darüber lesen kann, wie gestern die Diskussion am Abend ausgegangen ist, wird es wohl so ausgehen, dass die Vorlage zurückgenommen wird, damit es eben keine falsche Entscheidung, wobei das Wort "falsch" Interpretationssache ist, da sagt jeder etwas Anderes, was falsch sein könnte. Auf jeden Fall hat man Angst davor, dass es da zum Chaos kommt, und deswegen wird es zurückgenommen, auch wegen des massiven Drucks der Lobbyisten, die da in Brüssel aktiv geworden sind. So etwas hat man noch nicht gesehen, weil da wirklich Großindustrie auf der einen Seite und auf der anderen Seite kleine, mittelständische Betriebe und dann auch noch die Globalisierungskritiker das Rennen gemacht haben und dort versucht haben, Einfluss zu nehmen. Das hat die Parlamentarier doch erschrocken, wie massiv das war.
Roelcke: Vielen Dank für das Gespräch.