AfD-Sachbuch: „Die Wiederkehr“

Sie sind wieder da

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Cover des Buches "Die Wiederkehr" des Journalisten Patrick Bahners, darunter der Untertitel "Die AfD und der neue deutsche Nationalismus". Weiße Buchstaben stehen auf schwarzem Grund, der nach unten hin in einen kleinen Streifen Rot und Gold verläuft.
© Klett-Cotta

Patrick Bahners

Die WiederkehrKlett-Cotta, Stuttgart 2023

539 Seiten

28,00 Euro

Von Michael Wolf |
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Seit zehn Jahren verhilft die AfD dem Nationalismus zu einer politischen Renaissance. Der Journalist Patrick Bahners untersucht in "Die Wiederkehr" die Methoden und Strategien der Partei und zeigt auf, weshalb es so schwierig ist, dagegen anzukommen.
Es ist nicht so, dass Alexander Gauland die Deutschen nicht vor sich und seinesgleichen gewarnt hätte. Noch im Jahr 2002 beschwor er das Szenario, eine rechte Partei könnte die von Spaßgesellschaft und Neoliberalismus gebeutelte Bevölkerung aufwiegeln. Der Hobbyhistoriker beschrieb die übersteigerte Hinwendung zur Nation als gefährlichen Irrweg. Meinte er das damals aufrichtig? Oder war es nur Rhetorik?

Nationalistische Ideen waren nie verschwunden

Patrick Bahners zitiert in „Die Wiederkehr“ mit Faszination aus den früheren Schriften des Mannes, der elf Jahre später die Alternative für Deutschland mitgründen sollte und heute deren Ehrenvorsitzender ist. Gauland lässt sich als Personifikation jenes Rätsels verstehen, das der Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mit seinem Buch zu lösen versucht.
„Wie soll man erklären, dass der Nationalismus in Deutschland seine Wiederkehr erlebt und scheinbar aus dem Nichts gekommen ist? Das ist die historische Frage, für die sich dieses Buch interessiert. Das Nichts muss Schein sein, es muss eine günstige soziale Umwelt gegeben haben. Sie machte den Unterschied aus, sie muss herangewachsen sein und sich ausgedehnt haben, denn die nationalistischen Ideen waren ja nie verschwunden, und vor allem die Zirkel, die sie pflegten, hat es immer gegeben“, schreibt Bahners.

Stolz und Vorurteil

Die AfD konnte also an eine Tradition anschließen, die seit der Wiedervereinigung die „deutsche Sache“ in Ehren hielt. Bahners verweist auf zahlreiche Milieus, Publikationen und Debatten, in denen sich das rechtskonservative Argument Gehör verschaffte.
Martin Walser führte in seiner Paulskirchenrede den Begriff der „Moralkeule“ in Bezug auf den Holocaust ein. Der Manager und spätere AfD-Politiker Hans-Olaf Henkel beschwor die Konfrontation zwischen einer verlogenen Elite und einem Volk, das wieder lernen müsse, Stolz zu zeigen. Thilo Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab“ lieferte schließlich entscheidende Stichworte für das erste Programm der Partei.
„Dort treffen sich Leute, die noch Rechnungen mit dem Zeitalter offen haben und einander in ihren Frustrationen bestärken. Unter der Nationalflagge sammelt man sich, um alle anderen als Verräter an der nationalen Sache abtun zu können. Die Polarisierung ist Selbstzweck, die symbolische Handlung der Verwerfung wird als politische Tat erlebt.“

Von Beginn an verschwörungstheoretische Züge

Der Autor belegt, dass die AfD von Beginn an chauvinistische und verschwörungstheoretische Züge trug. Er widerspricht damit den Beteuerungen früherer Mitglieder, die angeblich wegen eines erst später erfolgten Rechtsrucks ausgetreten sind. Ob Alexander Gauland seine Haltung zur Nation tatsächlich revidierte oder insgeheim schon immer den Nationalsozialismus als „Vogelschiss“ in der deutschen Geschichte ansah – auf diese Frage bietet Bahners leider keine befriedigende Antwort.
Fest steht, dass der Aufstieg der Partei auch auf ihrem Vermögen beruhte, diverse Positionen zu integrieren. Nunmehr vereint unter dem Banner der Nation überbot man sich in seiner Ablehnung des Status quo. Diese Dynamik machte den Raum mit den Jahren immer enger und die umstürzlerische Vision umso deutlicher:
„Die Radikalisierung der AfD kann man an provokativen Formulierungen und skandalösen Positionen zu allen möglichen Themen festmachen. Ihre Dynamik, der schier unaufhaltsame Drang zur Zuspitzung und Verschärfung, wird aber bestimmt durch die antagonistische Stellung, welche die Partei im politischen Prozess zu ebendiesem politischen Prozess einnimmt. Dem Personal der als Altparteien herabgesetzten Konkurrenz traut man nur das Schlimmste zu, und dieser Verdacht wird bei jeder Wiederholung schriller und schriller vorgetragen.“

Die Ordnung ist angeblich zerrüttet

Nicht nur die inhaltlichen Positionen der AfD sind damit radikal. Jeder reklamierte Missstand gilt ihr als Beweis für die Zerrüttung der gesamten Ordnung. Aus guten Gründen vermeidet Bahners zumeist den verharmlosenden Begriff „Protestpartei“.
Die AfD als solche zu bezeichnen, bedeutete, ihren Willen zur Macht zu verschleiern. Diesen demonstrierte sie eindrücklich im Februar 2020, als ihre Landtagsfraktion den FDP-Politiker Thomas Kemmerich zum Amt des thüringischen Ministerpräsidenten verhalf. Bahners erkennt in der Affäre einen Testfall, in dem Teile von CDU und FDP die Möglichkeit einer Kooperation mit den neuen Nationalisten ausloteten. Er warnt, dass sich in Zukunft Ähnliches in weiteren Parlamenten ergeben könnte. Die einzige Möglichkeit, die Rechten zu isolieren, finde sich an der Wahlurne. Es gilt, der Partei Stimmen abzunehmen. Aber wie?

Übernahme von politischen Positionen

Eine Taktik der Union besteht darin, bestimmte Positionen der AfD zu übernehmen, sie selbst aber zu ächten. Bahners bezweifelt deren Erfolg:
„Denn die Wähler, die künftig hoffentlich nicht mehr AfD wählen werden, wenn sie sich davon überzeugt haben, dass die CDU ihren konservativen Flügel nicht verkümmern lässt, sind und bleiben ja dieselben Personen. In der Behauptung, dass mit der Partei nicht gesprochen werden darf, die sie wählen oder bei der letzten Wahl gewählt haben, liegt für sie etwas Irritierendes, ja, Kränkendes. Sie können vielleicht gewonnen werden, aber sie wollen sich nicht erpressen lassen.“
Bahners arbeitet sich nicht nur an der AfD ab, sondern übt auch Kritik an den Beteiligten einer politischen Debatte, die bislang nur unzureichende Mittel gefunden haben, die Partei zu bekämpfen. Er selbst liefert eine Fülle an Material für diese Auseinandersetzung. Denn vor allem ist sein Buch eine profunde Analyse der rechten Ideologie. Aus ihrem Studium könnten sich Strategien ergeben, dem neuen Nationalismus in Politik und Öffentlichkeit wirksam zu begegnen.
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