Die ureigene Sprache der Literatur
Humor, Melancholie und Sehnsucht: Das sind bestimmende Elemente in den Romanen des neuen Literaturnobelpreisträgers Patrick Modiano. Die Auszeichnung war eine richtige Entscheidung, sagt der Literaturkritiker Helmut Böttiger.
Die Vergabe des Literaturnobelpreises an den französischen Schriftsteller Patrik Modiano sei eine richtige Entscheidung, sagte der Autor und Literaturkritiker Helmut Böttiger im Deutschlandradio Kultur. In Frankreich gelte Modiano als der größte lebende Autor:
"Für mich war das eine ganz große Freude. Da hat sich das Literaturnobelpreis-Komitee tatsächlich einmal für die Literatur entschieden."
Die klassischen Nobelpreis-Autoren wie etwa Günter Grass verwandelten Geschichte in pralle Handlung, so Böttiger. Darin sei stets auch eine gewisse Moral inbegriffen. Bei Modiano dagegen liege der Akzent ganz woanders:
"Dass die Literatur das im Blick hat, was man durch die konkreten Diskurse des Journalismus, der Theorie, der Wissenschaft eben nicht im Blickfeld haben kann. Bei Modiano geht es um die Zwischenräume. Es geht um das Vage, Unbestimmte, aus dem man sehr viel Erkenntniswert gewinnen kann - wenn man sich erst einmal darauf einlässt. Das freut mich besonders, dass hier etwas ausgezeichnet wird, was die ureigene Sprache der Literatur definiert."
Im deutschen Sprachraum sei Modiano etwa mit dem Autor Wilhelm Genazino zu vergleichen, sagte Böttiger:
"Das sind auch Romane, die alle zwei Jahre erscheinen und so um die 150 Seiten lang sind. Sie haben so eine Mischung aus Humor, Melancholie und Sehnsucht. Das ist derselbe elegische, melancholische Ton."
Dieser Tonfall werde bei Modiano durch die Biografie und eine bestimmte geschichtliche Erfahrung untermauert. Das bilde auch den Hintergrund für bestimmte Sehnsuchtsmotive in den Romanen:
"Also dieser jüdische Vater, der sich auf dubiose Weise mit den Nazis arrangiert hat. Und auf dem Schwarzmarkt ein Krimineller geworden ist. Dazu gibt es noch eine unglückliche Familiengeschichte."