Patrouille gegen K.O.-Tropfen
Mit sogenannten K.O.-Tropfen werden meist Frauen in Bars überwältigt und später ausgeraubt oder sogar vergewaltigt. Vergangenes Jahr hat es in Berlin aber drei Männer erwischt – mit tödlichen Folgen. Seitdem steht das Thema auch bei der Berliner Schwuleninitiative Maneo weit oben auf der Agenda.
"Willkommen an Bord, willkommen in Berlin, wa! Die Maneo-Nachtflugbegleiter möchten, dass sie sicher durch den Abend und die Nacht kommen."
Sechs Stewardessen in hellblauen Uniformen unterstreichen mit synchronen Gesten die Durchsage aus den Lautsprechern. Doch statt in einem Flugzeug stehen die akkurat herausgeputzten Damen an diesem Abend auf der Bühne einer kleinen Bar.
"Wir werden sie nun mit den Maneo-Sicherheitshinweisen vertraut machen."
Auf ihren wohlfrisierten Köpfen sitzen Bowler-Hüte, der Lidschatten passt perfekt zur Farbe der Kostüme. Doch bei genauem Hinsehen fällt auf: Manche Stewardess hat einen leichten Bartschatten, die Beine in den Nylon-Strumpfhosen sind unrasiert. Diesen Flugbegleitern geht es nicht um Notlandungen oder Druckverlust, sondern um Sicherheit im Nachtleben, etwa um den Schutz vor K.O.-Tropfen:
"Aufgrund der oftmals nur spärlichen Beleuchtung sind Annäherungsversuche nicht auszuschließen, die sie mehr als nur um ihren Verstand bringen können. Legen sie jetzt daher alle Fantasien beiseite, halten sie ihren Trieb unter Kontrolle und benutzen sie ihren Intellekt."
Denn K.O.-Tropfen sorgen nicht nur für Aussetzer bei der Erinnerung, sondern wirken zusätzlich sexuell stimulierend: Eine perfide Kombination. Wie oft sie für Übergriffe genutzt wird, weiß niemand so genau: Erst seit drei Todesfällen 2012 erfasst die Berliner Polizei Attacken mit K.O.-Tropfen in einer eigenen Statistik. Nur in den wenigsten Fällen werden die Täter gefasst. Das schwule Anti-Gewalt-Projekt MANEO setzt daher auf Aufklärung:
"Wir bedanken uns für ihre Aufmerksamkeit und wünschen ihnen einen angenehmen Aufenthalt in Berlin."
Nach dem Auftritt geht es mit dem Kleinbus direkt weiter zur nächsten Station. Das Programm der Nachtflugbegleiter ist wie immer eng getaktet, sagt Bärbel von der Panke - selbst ernannte "Maitresse de Cabine" und damit so etwas wie die Chefin der Nachtflugbegleiter:
"Also, wir haben natürlich eine Übersicht, ne Liste von allen bekannten schwulen oder schwul-lesbischen Läden in Berlin. Heute haben wir eine Liste von etwa 15 Läden und ein Zeitfenster von 4 Stunden. Und dann gucken wir eben, wie viel wir in dieser Zeit schaffen."
Bärbel heißt eigentlich Bastian Finke und ist der Leiter von Maneo. Eines der Projekte sind die Nachtflugbegleiter: Seit 2010 ziehen sie einmal im Monat um die Häuser:
"Wir wollen nicht die Atmosphäre brechen. Wenn wir jetzt hier so reingehen, mit ernster Miene und 'Wir haben hier ein ganz schwieriges Thema, das wir hier mal problematisieren wollen', dann erreichen wir keinen. Die wollen ja hier sich amüsieren."
Das Prinzip scheint zu funktionieren: Schon als die Nachtflugbegleiter vor der nächsten Kneipe aus dem Kleinbus aussteigen, ist der Jubel groß.
Drinnen schwärmen die sechs Stewardessen aus, verteilen kleine Maneo-Plüschbären und ihre Broschüren. Darin stehen ganz allgemeine Tipps wie: Augen auf, Polizei anrufen - und vor allem: Immer auf die Getränke aufpassen! Bärbel von der Panke kommt an der Bar mit zwei jungen Männern ins Gespräch:
"Ja, also K.O.-Tropfen ist ein Thema, Übergriffe sind ein Thema. Und deshalb informieren wir über die Gefahren und über die Notwendigkeit, dann aber auch Anzeige zu erstatten."
Denn aus Scham gehen nur die wenigsten Opfer zur Polizei. Die Dunkelziffer ist also groß. Und selbst wenn Anzeige erstattet wird, bleibt es meist beim Verdacht: K.O.-Tropfen lassen sich nur wenige Stunden im Körper nachweisen, gerichtsfeste Beweise gibt es also selten. Trotzdem sind die beiden an der Bar skeptisch, dass es sie selbst einmal treffen könnte:
"Ich glaub, wenn man auf sein Getränk achtet und das nicht irgendwie stehen lässt, dann ist man auf der sicheren Seite."
"Also, ich kenne jemanden, der hat mal K.O.-Tropfen in ein Getränk bekommen. Der ist am nächsten Morgen aufgewacht irgendwo, in einem unklaren Gesundheitszustand. Scheint unter dem Strich jetzt kein HIV bei rumgekommen zu sein, aber man weiß das ja nicht. Eiskalt mitgenommen, eingesackt, Wiedersehen."
Gleich danach ziehen die Stewardessen weiter, in eine Bar mit angeschlossenem Darkroom; einem dunklen Hinterzimmer für schnellen, anonymen Sex. Es ist laut, ein DJ legt elektronische Musik auf - ideale Bedingungen für Übergriffe mit K.O.-Tropfen. Barbetreiber Jürgen Löschigk hatte denn auch schon einige Male damit zu tun, auch sein Barpersonal:
"Ich sach ja definitiv immer, sie sollen ihre Getränke nach hinten stellen, damit da keiner rankommt. Manch einer hat das nicht gemacht, hier vorne hingestellt und war dann hinten, also an der anderen Seite der Bar. Und da wurd's dann halt mal reingemacht und ja ... ham sie nen Blackout gehabt, praktisch."
Die Geschichte ist glimpflich ausgegangen: Löschigk hat es mitbekommen und den Kollegen in Sicherheit gebracht.
Es ist 1 Uhr 15, als die sechs Nachtflugbegleiter die Bar verlassen. Geschichten wie die von Löschigk hört Chefstewardess Bärbel alias Bastian Finke regelmäßig:
"Wenn wir gerade in Clubs unterwegs sind, da treffen wir immer wieder auf Leute, die plötzlich sagen: 'Ja, ist mir auch schon passiert.' Und dann fragen wir: 'Was hast Du denn gemacht?' - 'Naja, muss man eben mit klarkommen.' So, und das ist genau das, wo wir sagen: Das kann nicht sein."
Und so stöckeln die sechs Stewardessen wieder zu ihrem Bus: Trotz schmerzender Füße machen sie sich auf den Weg zur nächsten Station.
Sechs Stewardessen in hellblauen Uniformen unterstreichen mit synchronen Gesten die Durchsage aus den Lautsprechern. Doch statt in einem Flugzeug stehen die akkurat herausgeputzten Damen an diesem Abend auf der Bühne einer kleinen Bar.
"Wir werden sie nun mit den Maneo-Sicherheitshinweisen vertraut machen."
Auf ihren wohlfrisierten Köpfen sitzen Bowler-Hüte, der Lidschatten passt perfekt zur Farbe der Kostüme. Doch bei genauem Hinsehen fällt auf: Manche Stewardess hat einen leichten Bartschatten, die Beine in den Nylon-Strumpfhosen sind unrasiert. Diesen Flugbegleitern geht es nicht um Notlandungen oder Druckverlust, sondern um Sicherheit im Nachtleben, etwa um den Schutz vor K.O.-Tropfen:
"Aufgrund der oftmals nur spärlichen Beleuchtung sind Annäherungsversuche nicht auszuschließen, die sie mehr als nur um ihren Verstand bringen können. Legen sie jetzt daher alle Fantasien beiseite, halten sie ihren Trieb unter Kontrolle und benutzen sie ihren Intellekt."
Denn K.O.-Tropfen sorgen nicht nur für Aussetzer bei der Erinnerung, sondern wirken zusätzlich sexuell stimulierend: Eine perfide Kombination. Wie oft sie für Übergriffe genutzt wird, weiß niemand so genau: Erst seit drei Todesfällen 2012 erfasst die Berliner Polizei Attacken mit K.O.-Tropfen in einer eigenen Statistik. Nur in den wenigsten Fällen werden die Täter gefasst. Das schwule Anti-Gewalt-Projekt MANEO setzt daher auf Aufklärung:
"Wir bedanken uns für ihre Aufmerksamkeit und wünschen ihnen einen angenehmen Aufenthalt in Berlin."
Nach dem Auftritt geht es mit dem Kleinbus direkt weiter zur nächsten Station. Das Programm der Nachtflugbegleiter ist wie immer eng getaktet, sagt Bärbel von der Panke - selbst ernannte "Maitresse de Cabine" und damit so etwas wie die Chefin der Nachtflugbegleiter:
"Also, wir haben natürlich eine Übersicht, ne Liste von allen bekannten schwulen oder schwul-lesbischen Läden in Berlin. Heute haben wir eine Liste von etwa 15 Läden und ein Zeitfenster von 4 Stunden. Und dann gucken wir eben, wie viel wir in dieser Zeit schaffen."
Bärbel heißt eigentlich Bastian Finke und ist der Leiter von Maneo. Eines der Projekte sind die Nachtflugbegleiter: Seit 2010 ziehen sie einmal im Monat um die Häuser:
"Wir wollen nicht die Atmosphäre brechen. Wenn wir jetzt hier so reingehen, mit ernster Miene und 'Wir haben hier ein ganz schwieriges Thema, das wir hier mal problematisieren wollen', dann erreichen wir keinen. Die wollen ja hier sich amüsieren."
Das Prinzip scheint zu funktionieren: Schon als die Nachtflugbegleiter vor der nächsten Kneipe aus dem Kleinbus aussteigen, ist der Jubel groß.
Drinnen schwärmen die sechs Stewardessen aus, verteilen kleine Maneo-Plüschbären und ihre Broschüren. Darin stehen ganz allgemeine Tipps wie: Augen auf, Polizei anrufen - und vor allem: Immer auf die Getränke aufpassen! Bärbel von der Panke kommt an der Bar mit zwei jungen Männern ins Gespräch:
"Ja, also K.O.-Tropfen ist ein Thema, Übergriffe sind ein Thema. Und deshalb informieren wir über die Gefahren und über die Notwendigkeit, dann aber auch Anzeige zu erstatten."
Denn aus Scham gehen nur die wenigsten Opfer zur Polizei. Die Dunkelziffer ist also groß. Und selbst wenn Anzeige erstattet wird, bleibt es meist beim Verdacht: K.O.-Tropfen lassen sich nur wenige Stunden im Körper nachweisen, gerichtsfeste Beweise gibt es also selten. Trotzdem sind die beiden an der Bar skeptisch, dass es sie selbst einmal treffen könnte:
"Ich glaub, wenn man auf sein Getränk achtet und das nicht irgendwie stehen lässt, dann ist man auf der sicheren Seite."
"Also, ich kenne jemanden, der hat mal K.O.-Tropfen in ein Getränk bekommen. Der ist am nächsten Morgen aufgewacht irgendwo, in einem unklaren Gesundheitszustand. Scheint unter dem Strich jetzt kein HIV bei rumgekommen zu sein, aber man weiß das ja nicht. Eiskalt mitgenommen, eingesackt, Wiedersehen."
Gleich danach ziehen die Stewardessen weiter, in eine Bar mit angeschlossenem Darkroom; einem dunklen Hinterzimmer für schnellen, anonymen Sex. Es ist laut, ein DJ legt elektronische Musik auf - ideale Bedingungen für Übergriffe mit K.O.-Tropfen. Barbetreiber Jürgen Löschigk hatte denn auch schon einige Male damit zu tun, auch sein Barpersonal:
"Ich sach ja definitiv immer, sie sollen ihre Getränke nach hinten stellen, damit da keiner rankommt. Manch einer hat das nicht gemacht, hier vorne hingestellt und war dann hinten, also an der anderen Seite der Bar. Und da wurd's dann halt mal reingemacht und ja ... ham sie nen Blackout gehabt, praktisch."
Die Geschichte ist glimpflich ausgegangen: Löschigk hat es mitbekommen und den Kollegen in Sicherheit gebracht.
Es ist 1 Uhr 15, als die sechs Nachtflugbegleiter die Bar verlassen. Geschichten wie die von Löschigk hört Chefstewardess Bärbel alias Bastian Finke regelmäßig:
"Wenn wir gerade in Clubs unterwegs sind, da treffen wir immer wieder auf Leute, die plötzlich sagen: 'Ja, ist mir auch schon passiert.' Und dann fragen wir: 'Was hast Du denn gemacht?' - 'Naja, muss man eben mit klarkommen.' So, und das ist genau das, wo wir sagen: Das kann nicht sein."
Und so stöckeln die sechs Stewardessen wieder zu ihrem Bus: Trotz schmerzender Füße machen sie sich auf den Weg zur nächsten Station.