Trauer um Paul Auster

Existenzialist und Erfolgsautor

05:28 Minuten
Ein Porträt des Autors Paul Auster.
Berühmt wurde der Autor Paul Auster (1947-2024) mit "Die Erfindung der Einsamkeit". © picture alliance / Photoshot
Von Cornelia Zetzsche · 01.05.2024
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Mehr als 30 Bücher schrieb Paul Auster, berühmt wurde er mit der „New York Trilogie“. Der der US-Erfolgsautor setzte sich aber auch für verfolgte Schriftsteller ein. Nun ist Auster im Alter von 77 Jahren gestorben.
Beim Schreiben sei er völlig blind und schwebe. Anfangs habe er eine ziemlich genaue Vorstellung vom Buch, aber dann geschähen überraschende Dinge, und am Ende ergebe das ein ganz anderes Buch, sagte Paul Auster einmal. Der Enkel jüdischer Einwanderer aus Galizien lebte ein paar Jahre als Bohemien in Paris, wo er Samuel Beckett traf, war aber eigentlich zu Hause in New York, in Brooklyn, das er auch in Filmen wie „Smoke“ verewigte.
Auster war Baseball-Fan, Dichter, Übersetzer, Drehbuch-, Roman- und Kultautor, seit er Mitte der 80er-Jahre mit seiner „New York Trilogy“ den Durchbruch schaffte. Er schrieb experimentelle Kriminalgeschichten wie „Stadt aus Glas“, die – mit raffinierten Twists – in Ambivalenzen und komplexe existenzielle Fragen münden.

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„Lebensnotwendige Geschichten“

Schreiben sei nicht leicht, und Geschichten seien mehr als alberne Unterhaltung, vielmehr eine Kunst und lebensnotwendig, sagte Auster und schrieb wie besessen. Kaum hatte er ein Buch beendet, begann er ein neues. Erst mit der Hand, dann auf seiner Olympia. Auster war geschult an französischen Literaten wie Mallarmé, an Existenzialisten wie Camus und Transzendentalisten wie Henry David Thoreau – und beeinflusst von Märchen wie in „Schlagschatten“, worin einer zum Double des eigenen Schattens wird, wie bei Hans Christian Andersen.
Oder die Helden müssen eine Prüfung bestehen und scheitern wie Jim Nashe im Roman „Musik des Zufalls“. Nashe ist ein Feuerwehrmann, der alles verliert, Frau, Kind, seine Identität, einen Batzen Geld, bis er eine Mauer baut und darin seine Bestimmung sucht. Und dann fiel die Berliner Mauer.

Seine Romanfiguren sind Suchende

Er habe das Buch 1987 und 1988 geschrieben, 1998 habe er die Arbeit daran abgeschlossen, so Auster. „An dem Tag, an dem ich es beendet habe, ist die Berliner Mauer gefallen.“
Viele seiner Romanhelden verlieren ihre Identität, werden ein anderer. Alle sind Suchende, Wanderer, oft Schriftsteller, Detektive, immer Außenseiter, nicht selten ein Alter Ego ihres Autors. Paul Austers Bücher sind voller Zitate, Querverweise, Hinweise auf andere Autoren, eigene Bücher und Namen. Alle Figuren sind mit allen irgendwie verwandt oder bekannt. Und er lebte mit ihnen über Jahre, auch wenn das Schicksal, der Zufall sie beutelt, bis sie nicht mehr wissen, wer sie sind.
Auster selbst hatte Tragödien erfahren, hatte als Kind ein Gewitter überlebt, während ein Freund starb – purer Zufall. Zufall und Musik sind zentrale Motive in seinem Werk, diese Balance aus Zufall und Selbstbestimmtheit. Durchgespielt hat er sie etwa im Roman „4 3 2 1“. Es sind vier Varianten eines Lebens, vier Was-wäre-wenn-Szenarien.
Das Leben sei eine Komposition aus zufälligen Ereignissen, wie eine Art Musikstück,sagte Auster. „Wir komponieren unsere eigene Erzählung und folgen diesem roten Faden. So können wir in der Gegenwart leben, mit der Vergangenheit und dem Blick in die Zukunft. Auf dieser Linie gehen wir.“

Das „Monster“ Trump

Zwei Jahre war Auster Vizepräsident des PEN America, im Einsatz für verfolgte Schriftsteller. Über Paul Auster sprechen heißt also auch, über Politik reden: über seinen Protest gegen den Vietnamkrieg, seinen Ekel, seine Scham, was aus den USA wurde, über den Rechtsruck und, wie er sagte, das „Monster“ Trump, den er nur Nummer 45 nannte, über die Unmündigkeit der US-Bürger in diesem Land der „verdammt freien“ Menschen, über die Defizite der Verfassung und des Wahlrechts, wonach ein kleiner Bundesstaat wie Wyoming mit 580.000 Bürgern genauso viele Stimmen im Senat hat wie Kalifornien mit 40 Millionen.
Sein Leben als Schriftsteller sah Paul Auster als Summe seiner Bücher. Es war ein reiches, ein produktives, engagiertes Leben mit lauter Figuren, die niemals sterben.
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