Paul Beatty: "Tuff"

Zwischen Streetlife und Programmkino

04:53 Minuten
Tuff von Paul Beatty
© btb

Paul Beatty

Aus dem Englischn von Robin Detje

Tuffbtb, München 2022

448 Seiten

12,00 Euro

Von Sonja Hartl · 13.01.2022
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Er nimmt kein Blatt vor den Mund und kennt allerhand skurrile Gestalten. Wenn Paul Beattys Hauptfigur Tuffy durch East Harlem streift, wird daraus eine witzige wie bittere Sozialstudie über das New York der Nullerjahre.
Im Jahr 2016 hat Paul Beatty als erster amerikanischer Autor den britischen Man Booker Prize gewonnen – für „Der Verräter“. Das war eine beißende Satire über die Gegenwart der USA, insbesondere über Rassismus, verpackt in funkelnder, scharfer, rhythmischer Prosa. Diese Eigenschaften teilt auch Beattys früherer Roman „Tuff“ , der in den USA 2000 erschienen ist.

Ein Überfall mit Folgen

„Tuff“ erzählt von Winston „Tuffy“ Foshay, ein 19-jähriger „großer schwarzer Motherfucker aus finanzschwacher Umgebung“. Er lebt in East Harlem in New York. Zu Beginn des Romans aber führt ihn ein kleiner Auftrag in eine Drogenhöhle ins verhasste Brooklyn.
Prompt überlebt er dort einen Überfall nur knapp und beschließt daraufhin, dass er nicht immer nur "tough" sein kann, sondern etwas aus seinem Leben machen muss. Er kommt auf die Idee, als Stadtrat zu kandidieren.

Schillernde Figuren aus East Harlem

Es gibt nur wenig Handlung in diesem Roman, der vor allem eine vergnügliche Tour durch East Harlem ist, bei der man allerhand schillernde Figuren trifft. Dazu gehört Tuffys über 60-jährige japanisch-amerikanische Nachbarin und Ersatzmutter, sein Ex-Black-Panther-Dichtervater und sein bester Kumpel Fariq – behindert, antisemitisch und homophob.
Tuffy lässt keine Beobachtung, keine Begebenheit und vor allem keine rassistische Kategorisierung für junge schwarze Männer unkommentiert. Oft hängen sie eng mit der „Nulltoleranzstrategie“ in der Verbrechensbekämpfung des damaligen New Yorker Bürgermeister Rudy Giuliani zusammen. Dessen umstrittenes Vorgehen hatte zu mehr Polizei und härterem Durchgreifen bei kleineren Delikten insbesondere in ärmeren Viertel geführt.

Gelungen übersetzter "street style"

Paul Beatty hat sich in den 1990er Jahren einen Namen mit Slam Poetry gemacht und wurde oft als „Hip-Hop-Poet“ gelabelt. Tuffy nun greift diesen street style und dessen Kommerzialisierung pointiert auf, gerade indem er ähnlich spricht, aber immer durchzogen von einem Bewusstsein für dessen Manierismen.
Daher gibt es in diesem Roman über einen ‚jungen urbanen Afroamerikaner“ jede Menge offensive Ausdrücke. Das ist schwierig zu übersetzen, aber Robin Detje gut gelungen. Dennoch wäre ein Nachwort – wie u.a. bei Ta-Nehisi Coates „Der Wassertänzer“ und Wallace Thurmans „The Blacker the Berry“ – zu Übersetzungsentscheidungen z.B. zum Wort "negro" wünschenswert gewesen, gerade um auf den zeitbedingten Kontext und die Problematiken der Übertragung noch einmal zu verweisen.

Ätzende Komik und bittere Realität

Es ist letztlich Tuffys Aufrichtigkeit, die ihn unwiderstehlich macht und ihm am Wahlabend ein überraschendes Ergebnis beschert. In seinem widerwilligen Heldenmut, seiner Art, auf die Welt zu schauen, erinnert an er an Walter Mosleys unfreiwilligen Krimiserienhelden Socrates Fortlow, der nach einer Haftstrafe versucht, ein besserer Mensch zu werden. Wie dieser fühlt Tuffy sich „wohl mit sich selbst, mit dem, was er war und was er nicht war“.
Inmitten dieser ätzenden Komik, bitteren Realität und pointierten Alltagsbeobachtungen gibt es immer wieder Liebenswürdigkeit und eine überraschende Zartheit. Sie zeigen sich bei der Schilderung des Kennenlernens von Tuffy und seiner Frau Yolanda in einem Burgerladen, das gleichermaßen komisch wie romantisch ist. Und den vielen lässig eingestreuten Filmanalysen des Programmkinogängers Tuffy.
Es ist diese Mischung aus Stil, genauer Blick und vielen Referenzen, die auch an die frühen Filme von Spike Lee erinnert. Aber Lee ist aus Brooklyn. Und kann deshalb Tuffy an seinem „Manhattan-Arsch lecken“.

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