Der Frische-Küche-König
Paul Bocuse ist ganz klar der "größte Koch des 20. Jahrhunderts" - jedenfalls nach Meinung unseres Kollegen Holger Hettinger. Dabei sei der Starkoch mit der langen Kochjacke eher klein gewachsen und zudem Erfinder einer grauslichen Trüffelsuppe, erzählt er im Interview.
Vor 90 Jahren wurde der französische Gastronom Paul Bocuse geboren. Er gilt als Begründer der "Nouvelle Cuisine". Gefeiert wird seine Kochkunst bis heute in seinem nahe Lyon gelegenen Restaurant "Auberge du Pont de Collonges".
Seit 1965 hat der Gourmettempel in Bocuses Geburtsort Collonges-au-Mont d'Or ununterbrochen drei Michelin-Sterne, ein Rekord.
Auch unseren Kollegen Holger Hettinger hat es insgesamt viermal in dieses Haus verschlagen. Der Großmeister sei "wie ein Kurienkardinal" durch sein Restaurant geschritten - "immer kerzengerade" und mit einer bodenlangen Kochjacke.
"Das war jemand, der der Frische-Küche den Weg bereitet hat"
Das besondere Verdienst von Paul Bocuse sei insbesondere das Kochen mit frischen Zutaten, meinte Hettinger. Keine Konserven, marktaktuelle und regionale Zutaten. "Das war jemand, der der Frische-Küche den Weg bereitet hat", gleichsam ein Vorreiter der Slow-Food-Bewegung.
Die Portionen seien klein gewesen, aber das aus gutem Grund: Die Menüfolgen bei Bocuse umfassten schließlich sechs bis zwölf Gänge.
Und nein, Bocuse sei kein Rezepte-Erfinder gewesen, erklärte Hettinger. Seine einzige Erfindung, die Trüffelsuppe à la Valéry Giscard d'Estaing, habe er sogar "vermurkst".
Auf den Tisch bringt der Meister in diesem Fall eine Rinderbrühe mit einer großen Blätterteighaube: "Und dann piekst man mit dem Löffel darein, und dann macht's buff und man wird regelrecht erschlagen von diesem Trüffelduft, der ja nun nicht dezent ist."