Putzen verboten!
Paul Hazeltons Atelier ist der Albtraum jeder Putzfee: Nicht nur wegen der vielen ausgetrockneten Reptilien, Skelette und uralten Bücher, sondern auch, weil Hazelton aus Hausstaub Kunstwerke fertigt. "Echtzeit"-Reporterin Ruth Rach hat ihn besucht und ein Gastgeschenk mitgebracht: Staub.
"Das also ist Staub von deinem Zuhause? Sieht ziemlich haarig aus. Hast du irgendwelche Tiere?", sagt Paul Hazelton.
Derart intime Bemerkungen über meinen Hausstaub hätte sich nicht einmal meine Mutter erlaubt. Na schön, ich habe eine Katze. Aber diese langen Haare da, die kommen wohl nicht von ihr. Und jetzt muss ich ihm auch noch beichten, wo der Staub herkommt. Paul Hazelton will das wissen. "Von den Stufen, hinter dem Bücherregal und hinter der Heizung", antworte ich ihm.
Derart intime Bemerkungen über meinen Hausstaub hätte sich nicht einmal meine Mutter erlaubt. Na schön, ich habe eine Katze. Aber diese langen Haare da, die kommen wohl nicht von ihr. Und jetzt muss ich ihm auch noch beichten, wo der Staub herkommt. Paul Hazelton will das wissen. "Von den Stufen, hinter dem Bücherregal und hinter der Heizung", antworte ich ihm.
Paul Hazelton mag Staub pur: Staub der sich ungestört auf einer Oberfläche angesammelt hat und dann mit der Hand geerntet wird. Das Haar meiner Katze ist gerade noch ok. Aber das "dicke, schwarze" Menschenhaar würde er entfernen, sagt Paul Hazelton. Eben war ich noch stolz auf meine reichhaltige Beute. Jetzt schäme ich mich für meinen eigenen Staub.
Paul Hazeltons Studio. Eine winzige Kammer in einem viktorianischen Reihenhäuschen. Hell, sauber, und voller Schaukästen, in denen seine Werke ruhen. Seine Staubskulpturen. So fein, so zart, so federleicht, dass man den Atem anhält, aus Angst sie fliegen einfach weg.
"Diese Objekte hab ich für die Ausstellung 'Fundbüro 2071' gemacht, im Bahnhof London Bridge. Schau mal das Handy, total durchsichtig", sagt Paul Hazelton. "Das Innenleben, die elektronischen Elemente - alles aus Staub."
Dustceawung - die kontemplative Beschäftigung mit Staub
Mehr Exponate. Brille, Wecker, Aktenmappe. Alltagsobjekte in ihrer natürlichen Größe, aber grau und ausgehöhlt wie Geister ihrer selbst. Paul Hazelton:
"'Jede Oberfläche lechzt nach Staub. Denn Staub ist das Fleisch der Zeit', hat Joseph Brodsky gesagt, der russische Dichter. Er meinte Staub sei die eigentliche Haut des Objekts. Auch meine Werke sind wie eine Haut. Hauchdünne Umrisse um ein Objekt, das bereits verschwunden ist, und von dem nur noch diese Haut übrigbleibt.
"'Jede Oberfläche lechzt nach Staub. Denn Staub ist das Fleisch der Zeit', hat Joseph Brodsky gesagt, der russische Dichter. Er meinte Staub sei die eigentliche Haut des Objekts. Auch meine Werke sind wie eine Haut. Hauchdünne Umrisse um ein Objekt, das bereits verschwunden ist, und von dem nur noch diese Haut übrigbleibt.
Es gibt ein altenglisches Wort: Dustceawung. Der Begriff stammt aus dem Angelsächsischen und meint die kontemplative Beschäftigung mit Staub. Mit anderen Worten: die Vergänglichkeit aller Dinge zu akzeptieren. Das war ein fester Bestandteil des angelsächsischen Lebens. Inzwischen ist das Wort ausgestorben. Der Begriff Melancholie kommt der Sache wahrscheinlich am nächsten."
Dabei wirkt Paul Hazelton gar nicht trübsinnig. Ein hintergründig schmunzelnder Mann Anfang 50, der eigentlich viel jünger wirkt, in praktischen Jeans und wattierter Weste.
"Manche Kuratoren werden ziemlich nervös, wenn sie mit meinen Sachen umgehen müssen. Völlig unnötig, finde ich, denn meine Werke müssen sie ja nicht mal sauber halten. Für mich ist jede Staubschicht ein Zugewinn."
Dabei wirkt Paul Hazelton gar nicht trübsinnig. Ein hintergründig schmunzelnder Mann Anfang 50, der eigentlich viel jünger wirkt, in praktischen Jeans und wattierter Weste.
"Manche Kuratoren werden ziemlich nervös, wenn sie mit meinen Sachen umgehen müssen. Völlig unnötig, finde ich, denn meine Werke müssen sie ja nicht mal sauber halten. Für mich ist jede Staubschicht ein Zugewinn."
Staub aus aller Welt
Sein Studio hat etwas von einem viktorianischen Kuriositätenkabinett. Knöchelchen, Püppchen. Alte Bücher. Ausgetrockneten Reptilien. Skelette. Stricknadeln. Und zahlreiche Tüten aus Zellophan. Seine Staubkollektion.
"Ich bekomme jede Menge Staub zugeschickt. Aus aller Welt. Ziemlich viel kommt aus Deutschland, komischerweise, aber auch aus Japan. Und sonst woher. Manche Staubsorten sind sehr dunkel. Der hier zum Beispiel, der stammt wahrscheinlich von der Rückseite eines Heizkörpers. Ganz toll getoastet von der Hitze.
Ich lege den Staub auf ein Stück Papier und ziehe ihn fein auseinander. Hier habe ich zwei Nadeln, damit stricke ich ihn zusammen, bis er wie eine hauchdünne Haut aussieht, die ich dann mit einem Fixativ besprühe und anschließend - je nach Bedarf – zuschneide und in Form bringe."
Ich lege den Staub auf ein Stück Papier und ziehe ihn fein auseinander. Hier habe ich zwei Nadeln, damit stricke ich ihn zusammen, bis er wie eine hauchdünne Haut aussieht, die ich dann mit einem Fixativ besprühe und anschließend - je nach Bedarf – zuschneide und in Form bringe."
Hazeltons Mutter litt an einem Putzfimmel
Paul Hazelton hustet. Oh! Doch hoffentlich keine Staublunge. Nur eine Erkältung, versichert Paul. Er arbeite äußerst penibel. An seiner Methode könnte nicht einmal seine Mutter herumkritteln. Überhaupt hat sie recht viel mit seiner Staubarbeit zu tun.
"Meine Mutter litt an einem Putzfimmel. Ich durfte nicht basteln, malen, nicht herumdreckeln, sondern höchstens fein säuberlich mit dem Bleistift zeichnen. Meine Eltern waren auch noch nie bei mir im Studio. Allerdings schickt mir meine Mutter ab und zu den Inhalt aus dem Flusensieb der Waschmaschine. Das ist in ihren Augen der einzig saubere Staub."
"Meine Mutter litt an einem Putzfimmel. Ich durfte nicht basteln, malen, nicht herumdreckeln, sondern höchstens fein säuberlich mit dem Bleistift zeichnen. Meine Eltern waren auch noch nie bei mir im Studio. Allerdings schickt mir meine Mutter ab und zu den Inhalt aus dem Flusensieb der Waschmaschine. Das ist in ihren Augen der einzig saubere Staub."
Manchmal arbeitet Paul Hazelton auch mit Haar, mit Spinnweben, mit Glühbirnen, mit Objets trouvés. Und neuerdings zeichnet er sogar wieder mit Bleistift, so zart, so fein, dass man meint, auch das Gezeichnete würde davonschweben.
(mw)