Pause

Eine Ode an die kleine Unterbrechung

Die Pause ist Teil eines Grundmusters, das allem Leben zugrunde liegt: Aktivität und Ruhe im Wechsel
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Von Andrea Gerk |
Pausen gelten als Luxus. Oder als Schwäche. Dabei sind sie ein Grundprinzip des Lebens. Warum Erholung so wichtig ist.
Ostern kommt – und mit ihm ein seltenes Gut: Zeit. Kein Meeting-Marathon, kein Dauerton aus Mails und Pushnachrichten. Ostern bringt für viele einen kurzen Bruch mit dem Rhythmus des Alltags. Oder vielmehr: eine Rückkehr zu einem anderen Rhythmus. Der Zeitforscher Jonas Geissler nennt die Pause „das Dazwischen“ – einen Raum zwischen zwei Tätigkeiten. Die Pause ist Teil eines Grundmusters, das allem Leben zugrunde liegt: Aktivität und Ruhe im Wechsel.

Was unsere Pausenträume verraten

Wenn Menschen von Pausen sprechen, meinen sie oft mehr als ein paar Minuten Auszeit. Sie träumen von einem Sommer auf der Alm, von einer Weltreise, von einer Auszeit, in der alles anders ist. Diese Bilder spiegeln eine Sehnsucht wider, danach was gerade fehlt: Stille oder Abstand.
Der Philosoph Ralf Konersmann spricht von einem „Weltenwechsel“, den eine Pause ermöglichen kann. Wer den ganzen Tag am Schreibtisch sitzt, empfindet Gartenarbeit als Befreiung. Nicht, weil sie unbedingt leichter ist – sondern weil es eine andere Aktivität ist.

Pause in der Arbeitswelt

Früher war die Muße ein Wert an sich. In der Antike galt sie als Voraussetzung für Denken und Erkenntnis. Später wurde sie zur Belohnung. Wer sich Ruhe gönnen wollte, musste sie sich verdienen.
Diese Vorstellung wirkt bis heute nach. In der Arbeitswelt hat die Pause ihren festen Platz weitgehend verloren. Wer Pause macht, unterbricht den Fluss – und fällt damit aus dem System. Dabei ist gerade diese Unterbrechung notwendig, um leistungsfähig zu bleiben. Kein Spitzensportler trainiert ohne Regeneration. Und: Kein Mensch funktioniert dauerhaft ohne Schlaf. Der Mensch braucht Phasen der Ruhe, damit Stoffwechsel, Nervensystem und Psyche stabil bleiben.
Trotzdem wird die Pause oft nur noch toleriert, wenn sie erzwungen ist – zum Beispiel durch eine Krankheit. Sie erscheint nicht mehr als Teil eines natürlichen Takts, sondern als notwendige Konsequenz von Überforderung.
Dabei zeigt sich gerade in ihrer Abwesenheit, wie grundlegend sie ist. Die Techniker Krankenkasse dokumentierte 2021 in einer Stressstudie einen starken Anstieg stressbedingter Erkrankungen. Vor allem bei Menschen mit hoher Belastung – Alleinerziehende, Menschen im Homeoffice oder Haushalte mit Kindern. Die Folgen: Schlafstörungen, Erschöpfung, Rückenschmerzen.
In einer Studie der Ben-Gurion-Universität wurde untersucht, wie Richter über Bewährungsanträge entscheiden. Morgens, direkt nach einer Pause, lag die Zustimmungsrate bei 65 Prozent. Nach drei Stunden ohne Pause: null. Sobald eine Pause eingelegt wurde, sprang die Quote wieder nach oben. Die Pause verändert unser Urteil.

Die Pause in der Kunst

Auch in der Musik ist die Pause kein Störfaktor – sie gehört zur Komposition. Sie schafft Spannung, markiert Übergänge oder lenkt Aufmerksamkeit. John Cages Stück „4'33"“ besteht nur aus Stille. Doch wer zuhört, merkt: Auch das ist Klang. Und in klassischen Werken setzte Joseph Haydn Pausen gezielt ein, um das Publikum zu irritieren – und damit zu aktivieren. Die Unterbrechung ist Teil des Erlebens.

Karfreitag: Die verordnete Pause

Karfreitag erinnert an den Tod Jesu – ist ein gesetzlicher Feiertag und wird als „stiller Feiertag“ besonders geschützt. Das bedeutet, dass öffentliche Veranstaltungen, die dem ernsten Charakter des Tages widersprechen, untersagt sind.
Dazu zählen insbesondere Tanzveranstaltungen, aber auch bestimmte Filmvorführungen und andere Unterhaltungsangebote. Die Regeln variieren je nach Bundesland, aber der Gedanke bleibt: ein kollektives Innehalten. Eine gesellschaftlich verordnete Pause.

Die kleine Pause zwischendurch

Schon Fünf Minuten genügen, um die größten Erschöpfungsspitzen zu glätten. Die Umweltpsychologen Rachel und Stephen Kaplan meinen: Das Gehirn regeneriert sich in Phasen niedrigen Reizniveaus besonders gut. Nicht durch Ablenkung, sondern durch Reduktion: keine To-do-Liste, kein ständiger Input. Nur Zeit, in der nichts passiert – außer dem, was sich innerlich sortiert.
Trotzdem versuchen viele, Pausen zu umgehen. Stattdessen entstehen „maskierte Pausen“ – wie die Küchenmaschine auszuräumen oder auf dem Handy Nachrichten zu beantworten. Laut dem Psychologen Johannes Wendsche machen diese verdeckten Unterbrechungen bis zu 15 Prozent der Arbeitszeit aus. Sie sind der Versuch, sich eine Pause zu nehmen, ohne sie sich wirklich zuzugestehen.

Rituale helfen beim Pausieren

Wo Pausen Teil des Alltags sind, gelingen sie leichter. In Schweden gehört die „Fika“ zur Arbeitskultur: eine gemeinsame Kaffeepause. Dass die zwanzigminütige Pause jedem Arbeitnehmer vertraglich zugesichert wird und als Teil der Arbeitszeit gilt, verdanken die Schweden den Gewerkschaften. Auch hierzulande sind Pausen seit langem tariflich geschützt – etwa die „Steinkühlerpause“ in der Metallindustrie oder die „Bildschirmpause“ für Menschen mit dauerhaftem Blickkontakt zu Monitoren. Solche Rituale schaffen Räume, in denen Pause selbstverständlich wird.
Auch jenseits der Arbeit strukturieren Rituale den Tag. Die Pause im Theater. Die Halbzeit im Fußball. Die Schulpause. Oder früher: die Zigarettenpause, die zwar gesundheitlich fragwürdig war – aber soziale Verbindlichkeit stiftete.

Zwangspausen als Gelegenheit

Nicht jede Pause ist willkommen. Zugverspätungen, Staus, Wartezeiten – sie erscheinen als verlorene Zeit. Aber vielleicht liegt in ihnen ein anderer Wert.
Die Philosophin Alice Lagaay beschreibt das Pausieren als eine Form des Sich-selbst-nicht-so-wichtig-nehmens: fast ein Üben des Todseins. Und vielleicht gelingt ein Perspektivwechsel: Die Welt wahrzunehmen, ohne ständig involviert zu sein. Und vielleicht ist genau das ihre eigentliche Bedeutung: die Zeit nicht zu füllen, sondern sie zu öffnen.
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