Pawel Machcewicz: "Der umkämpfte Krieg – Das Museum des Zweiten Weltkrieges in Danzig. Entstehung und Streit"
Aus dem Polnischen von Peter Oliver Loew
Harrassowitz-Verlag, Wiesbaden 2018
254 Seiten, 22,90 Euro
Wie Polen über die Geschichte des Zweiten Weltkriegs streitet
Zu pazifistisch, zu wenig patriotisch: Seit Jahren bekämpft die PiS-Regierung das Museum des Zweiten Weltkriegs in Danzig. Dessen geschasster Direktor Pawel Machcewicz hat jetzt ein detailliertes und packendes Buch über die Kontroverse geschrieben.
Die Idee, ein ganzes Museum in Danzig dem Zweiten Weltkrieg zu widmen, kam von dem Falschen, zumindest in den Augen Jaroslaw Kaczynskis. Der Chef der konservativen polnischen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) gilt als außerordentlich geschichtsinteressiert, doch nicht er, sondern der Historiker Pawel Machcewicz hatte den Einfall, für den sich der damalige Regierungschef Polens, Donald Tusk, sofort begeisterte. Der Erzfeind Kaczynskis.
Und wie es sich mitunter mit guten Ideen so verhält: Man gönnt sie dem Urheber nicht, hauptsächlich, weil man sie selbst gern gehabt hätte. Ergo bekämpfte die PiS das geplante Museum von Anfang an. Sie wollte das Leid der Polen im Mittelpunkt sehen, ihr Heldentum, ihre Bereitschaft, die Heimat bis zuletzt militärisch zu verteidigen. Machcewicz jedoch zog den Fokus weiter auf, stellte den Zweiten Weltkrieg in den europäischen Kontext, mit besonderem Blick auf das Schicksal der Zivilisten. Keinesfalls wollte er sich mit einer Chronologie der Kampfhandlungen begnügen. Ihm ging es auch um den Weg in den Krieg und dessen Auswirkungen bis heute.
Angeblich versteckter Pazifismus
Schon zehn Jahre dauert der Streit. Pawel Machcewicz hat ihm nun selbst ein Buch gewidmet, in dem er die Auseinandersetzung detailliert und packend erzählt. Wie die Museumsmacher um ihn herum diffamiert wurden, dass sie angeblich den Interessen Brüssels und Berlins dienten, Verrat übten. Nach dem Machtwechsel Ende 2015 schufen die Kaczynski-Getreuen Fakten. Sie lösten das Danziger Museum des Zweiten Weltkrieges zwei Wochen nach seiner Eröffnung im April 2017 auf und gründeten ein neues mit demselben Namen, aber anderen Angestellten, die nun die Kernaussagen der Ausstellung verändern sollen. Der angeblich versteckte Pazifismus war das erste, was die neue Museumsleitung korrigierte.
Der Geschichtswissenschaftler Machcewicz schreibt engagiert, stellt die Positionen seiner Gegner ausführlich und stets sachlich dar. Wenn er die Herkunft zahlreicher außergewöhnlicher Exponate nachzeichnet, sind das mehr als nur spannende Episoden. Oft genug werden darin die anhaltenden Kämpfe um die Deutungshoheit wichtiger Geschichtsmomente klar. "Der umkämpfte Krieg" zeigt das Ausmaß des aktuellen Wandels in Polen, bei dem unseren Nachbarn ihre legendäre Freiheitsliebe ebenso abhanden zu kommen scheint wie Pluralismus und Liberalismus.
Voller Sorge um sein Land
Bereits im Parlamentswahlkampf 2015 hatte Kaczynski den Austausch der Eliten angekündigt, der Museumsdirektor Machcewicz gehörte zu den ersten Opfern. Dennoch hält sich der Geschasste zurück, Parallelen mit der kommunistischen Diktatur zu ziehen. Der ehemalige Museumsdirektor hat den Kampf verloren, aber er gibt sich nicht geschlagen. Er ist nicht verbittert, jedoch voller Sorge um sein Land. Sein Buch kann man auch als Aufforderung lesen, das Museum schnell zu besuchen, solange die Ausstellung noch so besteht, wie sie von ihren Initiatoren gedacht war.