Pazifismus auf dem Prüfstand

"Die Vereinten Nationen haben einen kardinalen Fehler"

08:10 Minuten
Anstecker für den Frieden auf einer Jeansjacke
Buttons an der Jacke - eine nostalgische Erinnerung an friedensbewegte Zeiten. © picture alliance/dpa
Thomas Kater im Gespräch mit Dieter Kassel |
Audio herunterladen
In Europa und weltweit herrscht immer wieder Krieg. Dabei sollte die internationale Gemeinschaft eigentlich den Frieden wahren. Doch Pazifismus bedeutet nicht automatisch "Frieden schaffen ohne Waffen", erklärt Philosoph Thomas Kater.
Vor 40 Jahren hat in Bonn eine der größten Friedensdemonstrationen der 80er-Jahre stattgefunden. Rund eine halbe Million Menschen kamen am 10. Juni 1982 auf die Rheinwiesen in Bonn-Beuel, um gegen den NATO-Doppelbeschluss zu protestieren. Dieser sah vor, Atomwaffen als Abschreckungsmaßnahme gegen die Sowjetunion in Westeuropa – auch in Deutschland – zu stationieren und verlangte im selben Zug bilaterale Verhandlungen zur Begrenzung atomarer Waffensysteme in Europa. Der Bundesrepublik drohte im Kriegsfall die Vernichtung.

Motto: "Frieden schaffen ohne Waffen"

Dass atomare Abschreckung ein geeignetes Mittel ist, um den Frieden zu bewahren, bezweifelt Thomas Kater. Er ist Professor für Politische Philosophie und Ethik an der Universität Leipzig und bekennender Pazifist. "Das Ziel, 'Frieden schaffen ohne Waffen', ist nach meinem Dafürhalten normativ verpflichtend." Daraufhin müsse Politik ausgerichtet sein, sagt Thomas Kater, "ein internationales System so zu schaffen, dass Krieg in ihm mit maximalen Schwierigkeiten belegt wird".

Pazifismus, der: weltanschauliche Strömung, die jeden Krieg als Mittel der Auseinandersetzung ablehnt und den Verzicht auf Rüstung und militärische Ausbildung fordert

Duden

Seit 2014 herrscht in der Ostukraine Krieg. Mit dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 hat sich die Lage dramatisch verschärft. Seitdem unterstützen verschiedene Länder, unter anderem Deutschland, USA und Großbritannien, die Ukraine mit finanziellen und militärischen Mitteln.

Kardinalfehler bei Vereinten Nationen

"Die Vereinten Nationen haben einen kardinalen Fehler", stellt der Philosophieprofessor fest. "Russland als Aggressor hat ein Veto-Recht im Sicherheitsrat und der Verstoß gegen Artikel zwei der Charta, der mit dem Angriff vorgenommen worden ist, kann effektiv nicht durch die internationale Gemeinschaft sanktioniert werden." Dennoch hält Thomas Kater das internationale System für sinnvoll und schützenswert.

Abonnieren Sie unseren Weekender-Newsletter!

Die wichtigsten Kulturdebatten und Empfehlungen der Woche, jeden Freitag direkt in Ihr E-Mail-Postfach.

Vielen Dank für Ihre Anmeldung!

Wir haben Ihnen eine E-Mail mit einem Bestätigungslink zugeschickt.

Falls Sie keine Bestätigungs-Mail für Ihre Registrierung in Ihrem Posteingang sehen, prüfen Sie bitte Ihren Spam-Ordner.

Willkommen zurück!

Sie sind bereits zu diesem Newsletter angemeldet.

Bitte überprüfen Sie Ihre E-Mail Adresse.
Bitte akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung.
In Bezug auf die internationale Lage, die sich durch den Krieg in der Ukraine verändert hat, gibt der Philosoph zu bedenken, dass eine Unterscheidung zwischen Angriff und Verteidigung nicht immer "eineindeutig" getroffen werden könne. So lehne er die bereits beschlossene Aufrüstung der Bundeswehr nicht grundsätzlich ab, "wenn es darum geht, so etwas wie eine Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr herzustellen".
Thomas Kater sieht es allerdings als problematisch, wenn das die einzige politische Ausrichtung wäre. Wenn es aber darum gehe, das internationale Bündnis zu stärken und weitere Krisen zu verhindern, "dann hätte ich damit kein prinzipielles Problem".
Mehr zum Thema