Peak Oil: Erdölzeitalter am Ende

Nach dem Rausch kommt der Kater

Ein Fracking-Bohrturm in der Abenddämmerung.
Fracking-Bohrturm in Pennsylvania, USA © dpa/picture alliance/Jim Lo Scalzo
Von Jan-Uwe Stahr |
Durch Schieferöl-Tagebau und Fracking werden immer neue Ölquellen erschlossen. Dennoch wird auch dort das Fördermaximum bald erreicht sein - für Fracking-Öl vielleicht schon 2016, vermuten Experten.
"Giganten" – mit James Dean. Der Film handelt von Liebe – und von sagenhaften Ölfunden in Amerika:
"This is Texas. A land where todays ranchmen become tomorrows multi-millionaires!"
Als "Giganten" 1956 in die Kinos kommt, sind die USA bereits der größte Ölförderer weltweit. Aus Autos werden damals Straßenkreuzer. Aus Bundesstraßen achtspurige Highways. Amerika wird zum Land des unbegrenzten Energiekonsums.
Doch bereits 1956 warnt ein Mann vor dem baldigen Ende des heimischen Ölrausches. Sein Name: Marion King Hubbert. Der texanische Öl-Geologe hat das Fördermaximum, den von ihm sogenannten Peak Oil, für Anfang der 70er-Jahre berechnet. Danach werden sich die amerikanischen Ölfelder in der Summe allmählich erschöpfen. Hubbert wird damals von seinen Kollegen verlacht. Doch die Peak-Oil-Theorie erweist sich als korrekt: 1970 werden 533 Millionen Tonnen des schwarzen Goldes aus der amerikanischen Prärie gepumpt. Dann geht es abwärts. Langsam, aber stetig, Jahr für Jahr. So wie inzwischen auch in vielen anderen Ölförderländern. Werner Zittel, Vorstandsmitglied der unabhängigen internationalen Gesellschaft zur Erforschung von Peak-Oil, kurz ASPO.
Die meisten Staaten sind über dem Peak Oil
"Um die Jahrtausendwende, da war es die britische Nordsee und Norwegen. Dann Mexiko war es in 2004 etwa, auch Angola 2008 hat das Förder-Maximum überschritten, in Nigeria war es 2006 – das heißt, die meisten Staaten sind über das Fördermaximum."
Über den Peak-Oil im derzeit größten Förderland Saudi-Arabien liegen keine öffentlichen Daten vor. Unabhängige Fachleute, wie Zittel, vermuten jedoch, dass auch die Saudis bereits über ihr Maximum hinaus sind. Zwar wurden und werden in einigen Regionen der Welt noch immer neue Ölvorkommen entdeckt. Wie zum Beispiel 2008 ein riesiges Ölfeld vor der Küste Brasiliens. Doch die neuen Funde können die Summe der Produktions-Rückgänge bei den bekannten Vorkommen nicht mehr vollständig ausgleichen. Auch das hatte der Öl-Geologe Hubbert frühzeitig erkannt. In einer Wissenschaftssendung des US-Fernsehens präsentiert er bereits 1976 seine weltweite Peak-Oil-Prognose in Form einer glockenförmigen Kurve.
Bis etwa 1995 werde die weltweite jährliche Ölfördermenge noch weiter steil ansteigen und danach schnell wieder abfallen, glaubt Hubbert. Doch dieses mal liegt er falsch. Energieexperte Zittel sagt, warum:
"Das eine ist, dass ein Fördermaximum natürlich auch ein Zusammenspiel von Förderung und Nachfrage ist, also wie schnell steigt die Nachfrage. Und da hat er die Nachfrage überschätzt. Das war einfach in einem Zeitalter wo damals noch die Förderung um fünf, 6,7 Prozent pro Jahr stieg, bis Anfang der 70er-Jahre. Und wenn man da extrapoliert, dann wäre tatsächlich Ende der Neunzigerjahre das Fördermaximum gekommen."
Autos wurden immer sparsamer
Doch dann sanken die Wirtschaftswachstumsraten der westlichen Industrieländer in Folge einer von den arabischen Ölförderländern künstlich ausgelösten Ölpreiskrise. Zudem stellten sich einige Länder, wie zum Beispiel Deutschland, bei der Stromerzeugung, auf Atomenergie um. Auch die Autos wurden nun etwas sparsamer. Und der immer noch wachsende Ölbedarf zumindest ein wenig abgebremst.
"Die Nachfrage ist im Mittel seit den 70er-Jahren nicht mehr mit 6,7 Prozent im Jahr, sondern mit ein bis zwei Prozent gestiegen, dass verzögerte natürlich die Reichweite."
Die Peak-Oil-Prognosen verschoben das Fördermaximum dann um etwa zehn Jahre. Doch 2006 gab dann sogar die - der Ölindustrie nahestehende - Internationale Energieagentur IEA einen Befund bekannt, den sie in all den Jahren zuvor beharrlich verschwiegen hatte:
"Dass die konventionellen Öl-Fördermengen 2006 etwa das Maximum erreicht hätten und dann in Zukunft zurückgehen würden."
Die Folge: Die Zeiten des billigen Öls sind schlagartig vorbei. Lagen die Rohölpreise auf dem Weltmarkt 2004 noch bei 30 bis 40 Dollar pro Fass, schießen sie bis 2008 auf bis zu 140 Dollar nach oben. Nun lohnt sich auch die Förderung sogenannter nichtkonventioneller Ölvorkommen: Schieferöl-Tagebaue, Tiefseeöl und Ölanteile aus dem Gasfracking. Zusammen mit einem erneuten Nachfrageeinbruch durch die weltweite Finanzkrise, sorgt vor allem das exzessive Fracking in den USA dafür, dass sich Peak Oil nun doch noch weiter in die Zukunft verschiebt.
Bei zehn bis 15 Prozent liegt heute der Anteil des unkonventionellen Öls bei der Gesamtölproduktion. Der mit billigen Krediten hochgepäppelte Fracking-Boom hat die USA erneut zu einem der weltweit drei größten Ölproduzenten gemacht. Doch nun sieht es so aus, als ob es gerade mal acht Jahre nach seinem Beginn, damit schon bald wieder vorbei ist:
"Es ist absehbar, dass die Fördermengen aus diesem gefrackten Öl nachlassen werden in Zukunft, insbesondere bei dem starken Preisverfall, den wir seit einem halben Jahr etwa haben. Denn da ist das einfach viel zu teuer und man kann jetzt schon an den Bohraktivitäten sehen, dass die zurückgehen und dann wird sehr bald auch die Förderung zurückgehen."
Fördermaximum für Fracking-Öl schon 2016?
Die US-Energiebehörde EIA sagt das Fördermaximum für Fracking-Öl schon für 2016 voraus. Gleichzeitig sackt die konventionelle Ölförderung Jahr für Jahr weiter ab. Das bedeutet: Für die gesamte Ölpoduktion steht das weltweite, endgültige Fördermaximum unmittelbar bevor.
"Das wird dann irgendwann sein zwischen 2015 oder zwei Jahre später..."
...sagt der Münchner Peak-Oil-Forscher Werner Zittel. Sicher: Zu Ende sind die weltweiten Ölvorräte noch lange nicht. Aber nach dem Peak Oil wird der wichtigste Energieträger immer knapper. Jedes Jahr ein wenig mehr. Und das während gleichzeitig weltweit der Energiebedarf weiter wächst.
Auf eine zunehmende und unumkehrbare Ölverknappung haben sich unsere energiehungrigen Konsumgesellschaften bisher nicht ernsthaft vorbereitet. Und das obwohl uns der texanische Geologe Marion King Hubbert schon beizeiten hingewiesen hatte auf ein absehbares Ende des Ölrausches.
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