Pegida-Varianten "down under"

Die Islamfeinde in Australien formieren sich

Teilnehmer einer "Reclaim Australia"-Kundgebung in Sydney.
Teilnehmer einer "Reclaim Australia"-Kundgebung in Sydney. © picture alliance / dpa / Mick Tsikas
Von Andreas Stummer |
Sie heißen "Vereinigte Patriotische Front" oder "Reclaim Australia". Zu Kundgebungen der rechten Bürgerbewegung Australiens versammeln sich bis zu 20.000 Menschen landesweit. Zuletzt sind dort vermehrt antimuslimische Töne zu hören.
Sonntag vormittag in Bendigo, 150 Kilometer nordwestlich von Melbourne. Der Rosalind Park, die grüne Lunge der Kleinstadt, ist nicht wiederzuerkennen. Da, wo sonst Familien großkarierte Picknickdecken ausbreiten und sich Kinder Rugby-Bälle zuwerfen, drängen sich Demonstranten mit Megaphonen, Spruchbändern und mit Wut im Bauch. "
"Wehret den Anfängen" steht auf hochgehaltenen Papp-Plakaten, "Allah ist nicht willkommen" oder "Der Islam gehört nicht zu Bendigo". Der Grund: Es gibt 35 Kirchen in der Stadt. Geht es nach dem Bürgermeister, dann wird Nummer 36 die erste Moschee. Eine Entscheidung zu der längst nicht jeder in Bendigo seinen Segen gibt.
"What do we want ? No mosques ! When do we want it ? Now !...."
Um 1900 war Bendigo die Hauptstadt des australischen Goldrausches, heute lebt dort, wer sich die astronomischen Immobilienpreise in Melbourne nicht leisten kann. Zuwanderer verschlägt es selten nach Bendigo. Gut 500 der 89.000 Einwohner sind Muslime. Ihr einziger Gebetsraum war bisher ein Nebenzimmer an der Uni. Jetzt sollen sie eine Moschee mit Platz für mehr als 1000 Gläubige bekommen. "Das ist völliger Irrsinn", poltert Rod Bayliss, ein vollbärtiger Lastwagenfahrer mit eigenem Reserverad um die Hüften. Rod ist 56 und zum ersten Mal in seinem Leben demonstrieren - gegen die Moschee, versteht sich. Denn Rod fürchtet, dass es nicht bei einer bleiben wird.
"Diese Moschee wird nur mehr Muslime anlocken und das bedeutet auch mehr Unruhe. Unsere westliche Kultur und die der Muslime passen einfach nicht zusammen, sie sind wie Öl und Wasser. Bendigo ist eine Kleinstadt. Eine solch große Moschee hier zu genehmigen ist ein gefährliches, soziales Experiment."
Familien mit Kinderwagen, Rentner auch jüngere Leute: "Soviele kommen sonst nur zum Silvester-Feuerwerk in die Innenstadt", meint Rod. Das Timing der Kundgebung war kein Zufall. Nur Wochen vor der Demo hatte ein 15-jähriger Muslim in Sydney einen Verwaltungsbeamten der Polizei auf offener Straße erschossen, am hellichten Tag. Radikalisiert wurde der Schuljunge in seiner örtlichen Moschee, dort wurde ihm auch die Mordwaffe zugesteckt. Seitdem hat Bürgermeister Peter Cox Schwierigkeiten, dass die Diskussion um Bendigos Moschee auf dem Gebetsteppich bleibt.
Unterstützung von außerdem für den Protest im Ort
"Die Gegner der Moschee versuchen Angst vor Muslimen zu schüren. Angst, die verständlich ist, wenn man ständig über islamistische Terrorakte im Ausland erfährt. Viele sagen: Muslime sind willkommen aber nur, wenn sie ihre Religion und ihre Kultur zurücklassen. Doch das ist nicht, was in der australischen Verfassung steht. Sie garantiert, dass jeder seinen Glauben frei ausüben darf."
3.000 Protest-Teilnehmer: ein Rekord für Bendigo. Doch die Einheimischen hatten Hilfe von auswärts. Von Demonstranten, die – buchstäblich – Flagge zeigten. Mit Australien-Fahnen in den Händen oder um die Schultern gewickelt. Und ihnen geht es um viel mehr als nur um eine Moschee in Bendigo.
Ein klares "Nein" zum Einführen der Sharia, dem religiösen Gesetz des Islam, nein zu Bigamie, nein zum islamkonformen Schlachten von Tieren ohne vorherige Betäubung, das Ächten arrangierter Kinderehen und ein Australien-weites Verbot für Sala-fisten – die Liste der Anti-Islamisten ist so lang wie ihre Anreise. Viele kamen hunderte Kilometer weit aus Sydney oder Adelaide. Busfahrer Wayne McArdle zuckelte aus Brisbane zwei Tage mit seinem klapprigen Kombi zur Demo. Bendigo ist für sie alle nur ein Scharmützel im Kampf gegen die zunehmende Islamisierung Australiens.
"Wir wollen, daß Australien auch Australien bleibt und nicht von einer anderen Kultur geschluckt wird. Wer nicht wie wir leben will, der soll sich wieder verdrücken. Jeder kann hierherkommen aber nicht wenn wir unsere Gesetze ändern und uns den Neubürgern anpassen sollen."
Wayne ist Mitglied der UPF, der "Vereinigten Patriotischen Front", einer islamkritischen, landesweiten Bürgergruppe. Gegründet online und organisiert in sozialen Netzwerken hat die UPF nach einem Jahr Bestehen fast 7.000 Mitglieder, "Reclaim Australia", ein anderes Protestbündnis, etwa 5.000. Ihre Führungszirkel sprechen nicht mit der Presse, Kundgebungen, wie die in Bendigo, werden über Facebook organisiert.
"At the end of the day, you can either be a Muslim or an Australian. It must be either/or because the two don't correlate and don't correspond......" (Megaphon-Durchsage: "Entweder du bist Muslim oder du bist Australier – beides passt nicht zusammen.")
Wenn die Lautsprecher der Anti-Islamisten in voller Fahrt sind, dann hören aber nicht nur ihre Anhänger zu, sondern auch ihre Gegner.
"Say it loud, say it clear, racists are not welcome here. Say it loud, say it clear, racists are not welcome here...."
Sie beschimpfen sie als "Rassisten", "Rednecks" und "rechtes Geschmeiss": Kaum eine australische Anti-Islam-Kundgebung ohne linke Gegen-Demo. Stephen Jolly ist ein professioneller Störer, ihm ist "Menschenrechtsaktivist" lieber. Erfolg ist für ihn, wenn ein friedlicher Protestmarsch frühzeitig mit einem Polizeieinsatz endet:
"Ich gebe zu, daß wir Probleme in diesem Land haben, aber nicht weil gewisse Leute die Burka tragen. Die Organisatoren dieser Kundgebungen sind Neo-Nazis, die eine Furcht vor dem Islam dazu benutzen, um mehr Anhänger zu bekommen. Diese Hintermänner wollen wir aufdecken."
Australien? - Am liebsten so weiß wie die Kacheln des Sydney Opernhauses
Auf Youtube findet man genug Hass-Propaganda von Springerstiefeln und tätowierten Vollglatzen, die Australien gerne so weiß wie die Kacheln des Sydney Opernhauses hätten. Einige hätte er auch am Rand des Aufmarschs in Bendigo bemerkt, erinnert sich Sherman, einer der Demonstranten. Willkommen heißen aber würde sie niemand:
"In unserer Gruppe gibt es Menschen aller Nationalitäten und Glaubensrichtungen: Asiaten, Araber, Christen. Aber Neo-Nazis haben bei uns nichts verloren. Wenn Leute den Hitlergruß machen, dann will ich nichts mit ihnen zu tun haben."
Soziologen streiten sich darüber warum Gruppen wie die UPF und "Reclaim Australia" soviel Zulauf haben, warum Zehntausende überall im Land gegen den vermeintlichen Vormarsch muslimischer Extremisten auf die Straße gehen. Für die einen ist es ein Zeichen zunehmender Islamophobie, für Meinungsforscher John Box aber ein Musterbeispiel einer aktiven, funktionierenden Demokratie:
"Viele Australier sorgen sich um den sozialen Zusammenhalt, sie sind deshalb aber weder gegen den Islam noch gegen Muslime. Sie machen sich Gedanken über immer mehr muslimische Jugendliche in Australien, die sich radikalisieren, über IS-Sympathisanten und ein mögliches Terror-Kaliphat im Mittleren Osten. Aber das sind Sorgen um unseren Frieden und unseren Wohlstand und nicht der Hass auf eine bestimmte Glaubensrichtung."
Einer, der sich Sorgen macht, ist Matthew Roe. Mit Sommersprossen, Harry Potter-Brille und rötlichen Fusselhaaren sieht der 22jährige aus als könne ihm jede Fliege etwas zuleide tun. Matthew lebt bei seiner Großmutter und arbeitet als Security Guard. Sicher aber fühlt er sich in Australien nicht mehr: "Warum laden wir Muslime ein, unsere Mitbürger zu sein, wenn dadurch das Terrorrisiko auch nur geringfügig steigt? Je mehr Muslime zu uns kommen, desto weniger werden sie sich integrieren, desto mehr Parallelgesellschaften werden entstehen und unsere Gemeinden und Stadtviertel zerstören."
In Australien ist es wahrscheinlicher von einem Hai gefressen als das Opfer einer Terrorattacke zu werden. Trotzdem fürchtet Matthew, wie neun von zehn Australier, dass ein Groß-Anschlag radikaler Islamisten im Land nur eine Frage der Zeit ist. "Unsere Werte sind besser als die muslimischer Extremisten", sagt Matthew und es wäre so naiv wie unverantwortlich das nicht offen zu sagen:
"Politische Korrektheit ist eine Krankheit. Offenbar bin ich ein Rassist wenn ich gegen Masseneinwanderung aus nicht-europäischen Ländern bin - vor allem aus dem mittleren Osten. Die Deutschen erleben gerade was es heißt die Grenzen für Muslime zu öffnen. Aber das heute auszusprechen gilt als rassistisch. Das heißt aber auch: Es braucht Mut um es zu sagen."
Die Geburtsstunde der australischen Anti-Islam-Bewegung hat ein Datum: den 15. Dezember 2014. Über 16 Stunden lang hielt damals ein radikal-islamischer Extre-mist im Lindt-Cafe von Sydney 17 Menschen als Geiseln. Als die Polizei versuchte sie zu befreien, starben der Geiselnehmer und zwei seiner Gefangenen.
Ein Musterbeispiel für friedliches Multi-Kulti - früher
"Seitdem hat sich etwas in Australien verändert", glaubt der Soziologe Andrew Leming. Der islamische Terror, den man nur aus dem Fernsehen, aus anderen Ländern kannte, war auf einmal vor der Haustür. Und die wollen immer mehr Australier radikalen Muslimen vor der Nase zuschlagen: "Die Geiselnahme im Lindt-Cafe war ein entscheidender Moment. Für viele war das der Punkt an dem sie sagten: "Der Islam ist eine vergiftete, lebensverachtende Ideologie und dagegen muß etwas unternommen werden." Vor der Geiselnahme gab es die Islam-Kritiker nur im Internet, danach aber wurde daraus eine Bewegung, die auch auf die Straße geht."
"Aussie, Aussie, Aussie – oi, oi,oi. Aussie – oi, Aussie- oi, Aussie, Aussie, Aussie, - oi, oi, oi.......", schallen die Sprechchöre.
Andere Kundgebung, gleiches Anliegen. Sydney, Stadtteil Glebe. Im Gemein-dezentrum wirbt Australiens neueste Partei um Stimmen. Ihr Name "Rise Up", zu deutsch "Steht auf", ist auch Programm. Das freie, demokratische Australien müsse ein Zeichen setzen und sich auch politisch gegen eine zunehmende Islamisierung wehren.
"The silent majority of Australians finally has a party which will champion the cause to protect Australia..." Gründer und Spitzenkandidat von "Rise Up" ist Daniel Nalliah, ein aus Pakistan eingewanderter evangelischer Prediger. Nein, er habe nichts gegen Muslime. Einige seiner besten Freunde seien welche. Und ein Rassist sei er schon gar nicht, denn der Islam sei keine Rasse, sondern eine Ideologie – deren extreme Anhänger zwar die Freiheit des Westens genießen wollten, aber dessen soziale und kulturelle Werte verachteten.
"Wenn wir das traditionelle, islamische Sharia-Gesetz ablehnen, werden wir als intolerante Rassisten beschimpft. Auf der anderen Seite denken viel zu viele Muslime gar nicht daran, sich zu integrieren oder den Terror ihrer radikalen Glaubensbrüder zu verurteilen. Australien hat eine Kultur und ein Gesetz. Wir sind vielleicht multi-ethnisch, aber wir haben eine Kultur."
In Australien ist die ganze Welt zuhause, der Kontinent gilt als Musterbeispiel für friedliches Multi-Kulti. "Das liegt daran, dass nur 500.000 Muslime hier leben", glaubt Daniel Nalliah. Wären es drei- oder viermal soviele, dann herrschten in Australien bald deutsche Verhältnisse: "Deutschland hat zur Zeit massive Probleme. An vielen Orten wird keine Polizei geduldet weil sie als Ungläubige gelten. Es gibt Vergewaltigungen, steigende Kriminalität und sozialen Unfrieden. Alles ausgelöst durch eine unkontrollierte Masseneinwanderung von Muslimen. Wenn so eine multikulturelle Gesellschaft aussieht, dann steuert der Westen auf eine Katastrophe zu."
Anti-Islam-Gruppen von "Rise Up" bis zur UPF werden vom Verfassungsschutz beobachtet – genau wie die Linken und wie bekannte, muslimische Extremisten. Es ist unbestritten, dass es in Australien eine gewaltbereite, islamistische Szene gibt. Bewaffnete Einzeltäter griffen Polizeistationen an, mehrfach wurden Pläne für Terroranschläge vereitelt, 150 australische IS-Sympathisanten zogen in den heiligen Krieg nach Syrien, mehr als 300 konnten die Sicherheitsbehörden daran hindern. Und in Australiens Moscheen verbreiten Hassprediger radikales Gedankengut.

"Don't think, as they force you to, to believe that you are an Australian. This is not your identity. /.../ This land will be destroyed and we will return to Allah every single one of us......" - ein Gastvortrag in der Moschee von Lakemba im Westen von Sydney, einem Viertel mit hohem muslimischen Bevölkerungsanteil.
Der Sheikh verwandelt eine Predigt über den Propheten in eine Hasstirade auf den Westen: ...dass gute Muslime nur dem Islam treu sind und nicht ihrer neuen Heimat, und dass der Kampf gegen die Ungläubigen der heiligste aller Kriege sei...
Ein Glaube unter Generalverdacht
"Allah says: We have nothing to do with you. We will never worship what you worship. To you your false religion and to us the religion of Allah....."
Miriam Sayed kennt die dumpfe Stimmungsmache der Prediger in- und auswendig. Ihr Bruder Ahmed konnte nicht genug von radikalen Hetz-Videos im Internet bekommen. Bis ihn Miriam's Vater vor die Wahl stellte: Schluss mit Scheikh Google und Imam Youtube oder zurück nach Afghanistan. Seitdem war Ahmed nicht mehr in der Moschee. Miriam arbeitet in einem Kaufhaus – immer mit Kopftuch. Seit der Islam aber in Australien scheinbar unter Generalverdacht steht, ist sie es leid, täglich beweisen zu müssen, dass sie zu den guten Muslimen gehört: "Du hast das Gefühl, dass deine Identität ständig kritisiert, lächerlich gemacht und in Frage gestellt wird. Abertausende australische Muslime sind der Staatsfeind Nummer eins weil wir mit einer Minderheit radikaler Extremisten in einen Topf geworfen werden. Ständig müssen wir uns wehren. Manchmal ist es so schlimm, daß ich morgens am liebsten gar nicht aufstehen würde."
"Australiens Muslime dürfen nicht Teil des Problems, sondern müssen Teil der Lösung sein" - Das fordert die Sozial-Wissenschaftlerin Anne Aly und ruft alle Islamgläubigen im Land zu mehr Offenheit und Selbstkritik auf. Nicht jedes Verschärfen geltender Anti-Terrorgesetze, nicht jede islamkritische Partei oder Bürgergruppe sei der Untergang des Abendlandes. Es gäbe keinen kalten Krieg gegen den Islam, meint Anne Aly, und Australiens Muslime wären auch nicht die Opfer: "Weite Teile der muslimischen Bevölkerung in Australien weigern sich, die Taten gewalttätiger Islamisten zu verurteilen und zuzugeben, dass es Probleme in muslimischen Gemeinden gibt. Dieses Schweigen muss aufhören. Wir alle – unsere Gesellschaft, die Sicherheitsbehörden und unsere muslimischen Mitbürger - müssen dafür sorgen, dass dadurch das harmonische Zusammenleben und der soziale Friede in Australien keinen Schaden nehmen."
Sydney und Dresden trennen 16.000 Kilometer, die Ängste aber sind ähnlich. Wie bei Pegida in Deutschland formieren sich in Australien anti-islamische Bürgerbewegungen. Was bisher aber im Lärm der Proteste auf beiden Seiten untergeht ist ein ernstgemeinter Dialog. Aber nur so, glaubt Soziologin Anne Aly, lasse sich verhindern, dass sich Australier in ihrem eigenen Land wie Fremde fühlten. Egal ob sie Muslime sind oder nicht.
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