Zoff in der Schriftstellervereinigung
Beim PEN Berlin hat die Haltung prominenter Mitglieder zu Israel zu Konflikten und Austritten geführt. Auf der jährlichen Mitgliederversammlung hat die Schriftstellervereinigung nun doch noch eine Resolution zum Nahostkonflikt verabschiedet.
Die Schriftstellervereinigung PEN Berlin, gegründet im Juni 2022, wollte vieles anders machen als das PEN-Zentrum Deutschland. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, gesellschaftliche Debatten anzuschieben, für die Meinungsfreiheit einzustehen und konstruktiv zu streiten. Nun aber herrscht dicke Luft unter den Mitgliedern, einige sind ausgetreten. Stein des Anstoßes ist die Haltung zu Israel.
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Warum wird im PEN Berlin gestritten?
Nach dem Terrorangriff der Hamas gegen die israelische Zivilbevölkerung am 7. Oktober 2023 musste sich die deutsche Kulturszene den Vorwurf gefallen lassen, zu lange zu schweigen. Auch die Schriftstellervereinigung PEN Berlin gab keine Solidaritätserklärung für Israel ab. Co-Sprecher Deniz Yücel sah darin keinen Fauxpas, sondern sagte, dass er eine solche Erklärung „hochnotpeinlich“ gefunden hätte. Es sei nicht die Aufgabe des PEN Berlin, Erklärungen dieser Art abzugeben.
Das sehen andere Mitglieder – genauer gesagt ehemalige Mitglieder – anders, zum Beispiel Ernst Piper, Holocaust-Forscher und Verleger. Er trat Ende November unter Protest aus dem Verein aus und warf der Philosophin Susan Neiman und der Schriftstellerin Eva Menasse, Co-Sprecherin des PEN Berlin, vor, mit „selbstherrlicher Verachtung über Israel“ zu sprechen.
Susan Neiman und Eva Menasse sind beide jüdisch und gelten als scharfe Kritikerinnen der israelischen Politik gegenüber den Palästinensern. Nach Ernst Piper verließen noch weitere Mitglieder den Verein, darunter die Schriftstellerinnen Julia Franck und Anna Prizkau.
Auf einer Mitgliederversammlung am 15.12.23 wurde dann doch noch eine Resolution zum Nahostkonflikt verabschiedet. Unter dem Titel „Solidarität mit Jüd:innen in Deutschland, Israel und überall“ wird unter anderem der Dachverband PEN International kritisiert.
Dieser habe nach dem Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober „keine Empathie für die israelischen Opfer erkennen“ lassen. Der PEN Berlin stehe „für den freien, fairen, pluralistischen, offenen Austausch unterschiedlicher, auch unvereinbarer Positionen“, heißt es - das bedeute aber nicht, dass es ein „Recht auf Hate Speech und Gewaltaufrufe“ gebe.
Wie steht der PEN Berlin zur BDS-Bewegung?
Auf dem PEN-Berlin-Kongress „Mit dem Kopf durch die Wände“ am 16.12.23 hat A. L. Kennedy per Digitalübertragung die Festrede gehalten. Die populäre britische Schriftstellerin polarisiert, weil sie der BDS-Bewegung nahestehen soll.
Die Bewegung vergleicht den Staat Israel mit dem ehemaligen Apartheidsregime in Südafrika und will Israel kulturell und wirtschaftlich boykottieren. Kritiker werfen dem losen Zusammenschluss von Aktivisten, der auch von anderen Prominenten unterstützt wird, Antisemitismus vor.
PEN-Berlin-Sprecherin Eva Menasse teilte mit, das sich der Verein grundsätzlich gegen jeden politisch motivierten Boykott von Kunst und Kultur ausspreche. Der Ansatz von BDS sei falsch und mit den Werten der PEN-Charta unvereinbar.
Gleichzeitig betonte Menasse in Interviews, dass in Deutschland mittlerweile „kulturelle Hysterie“ gegenüber Israel herrsche. Sie verstehe die Aufregung um A. L. Kennedy nicht, sagte sie - und verurteilte Recherchen über Hintergründe geladener Gäste als „Gesinnungsschnüffelei“.
Co-Sprecher Deniz Yücel bezeichnete A. L. Kennedy als große internationale Literatin. Autorin Ursula Krechel erklärte, dass die britische Schriftstellerin und Satirikerin schon im Sommer eingeladen worden und aktuell die interessanteste Autorin Großbritanniens sei.*
Wie reagiert PEN Berlin auf Kritik?
„Ich denke, wir stehen nur gut da in der deutschen Gesellschaft, wenn wir Positionen Raum lassen und Positionen nicht gleich mit einem Etikett versehen“, sagt Ursula Krechel.* Sie verteidigt damit Eva Menasse, die den Begriff der „kulturellen Hysterie“ bemüht hatte.
Auch Deniz Yücel betonte, dass verschiedene Meinungen im Verein möglich sein müssten: „Wir haben den Verein nicht als Gesinnungsgemeinschaft gegründet“, sagte er. Man lege beim PEN Berlin Wert auf Diversität, auch in politischer Hinsicht, so Yüzel.
Kritik halte man aus. Wichtiger als Erklärungen abzugeben sei es, praktische Solidarität zu leisten und verfolgte Schriftstellerinnen und Schriftsteller zu unterstützen.
Was ist der PEN Berlin?
Der PEN Berlin ist eine Abspaltung des PEN-Zentrums Deutschland. Nach einer Auseinandersetzung kam es zum Bruch. Der PEN Berlin wurde im Juni 2022 gegründet. Heute hat die Schriftstellervereinigung, der auch Übersetzerinnen und andere Publizisten angehören, knapp 600 Mitglieder.
Wichtig war den Gründerinnen und Gründern, dass sich ihr Verein „gegen jede Form von Menschenhass wendet“ und ihre „Mitglieder sich in den Dienst der Meinungsfreiheit stellen und gemeinsam für eine bessere Zukunft eintreten“. Der Verein veranstaltet Lesungen und setzt sich für verfolgte Schriftstellerinnen und Schriftsteller ein.
rey
* Hinweis: Wir haben eine falsche Amtsbezeichnung korrigiert.