Rücktritt von PEN-Präsident Deniz Yücel
Deniz Yücel war erst im Herbst zum Präsidenten des PEN-Zentrums Deutschland gewählt worden. © picture alliance/dpa
Wie ein griechisches Drama
14:15 Minuten
Deniz Yücel ist nach monatelangen Querelen um seinen Führungsstil vom Amt des PEN-Präsidenten zurückgetreten, obwohl er kurz zuvor im Amt bestätigt wurde. Doch damit ist der Konflikt um die Zukunft der Schriftstellervereinigung nicht beigelegt.
„Ich möchte nicht Präsident dieser Bratwurstbude sein. Ich trete zurück und ich trete hiermit aus diesem Verein aus!“, schrie der gerade eben erst denkbar knapp in seinem Amt bestätigte Präsident des PEN-Zentrums Deutschland, Deniz Yücel, am Freitag in die Runde der Mitgliederversammlung in Gotha.
Seit Monaten geht es hoch her in der deutschen Sektion des international renommierten Schriftstellerverbands. Mitglieder fühlen sich von Deniz Yücel, der erst im Herbst zum Präsidenten gewählt wurde, gemobbt. Briefe und deutliche Äußerungen über seinen Führungsstil drangen an die Öffentlichkeit. Ihm und weiteren Präsidiumsmitgliedern wurde chauvinistisches Verhalten vorgeworfen. Es gab aber auch Kritik an Yücels Haltung zum Ukraine-Krieg, seit er bei der lit.Cologne für Waffenlieferungen und eine Schließung des ukrainischen Luftraums plädiert hatte.
„Das habe ich sonst nur auf AfD-Parteitagen erlebt“
„Der ganze Tag heute war wie ein griechisches Drama“, sagt unser Landeskorrespondent Henry Bernhard von der Mitgliederversammlung in Gotha. „Er war geprägt von einer vergifteten Atmosphäre. Viele Alphatiere haben sich aufgebaut und sich gegenseitig beleidigt und herabgewürdigt. Laufend gab es Drohungen mit Anwälten, mit Beleidigungsklagen, Unterlassungserklärungen.“
Anfangs ist sogar infrage gestellt worden, ob man sich überhaupt ordnungsgemäß versammelt habe und abstimmen dürfe. So hat es über drei Stunden gedauert, bis man sich überhaupt eine Tagesordnung gegeben hat. „Das habe ich sonst nur auf AfD-Parteitagen erlebt.“
Moderne NGO oder Altherrenclub?
Nachdem Yücel nur knapp der Abwahl entgangen war und seine beiden Vertrauten im Präsidium, Joachim Helfer und Ralf Nestmeyer, abgewählt beziehungsweise nur knapp bestätigt worden waren, kam Yücels dramatischer Abgang. Auf Twitter erklärte er, warum:
Doch mit diesem Rücktritt ist nach Einschätzung von Bernhard der Konflikt im PEN-Zentrum Deutschland nicht beigelegt. Es sei eben die Frage, ob es sich beim PEN Deutschland um einen Altherrenklub handelt, wo sich Schriftsteller zusammensetzen und Pfeife rauchen, oder ob es sich hier um eine NGO handelt, die sich für verfolgte Schriftsteller einsetzt, die in Haft oder im Exil sind. „Und dafür hat Deniz Yücel auch sehr viel getan. Das wird auch allgemein anerkannt."
Schockstarre, Scherbenhaufen
Yücels Vorgängerin im Amt, Regula Venske, befindet sich nach der dramatischen Mitgliederversammlung, an der sie auch teilgenommen hat, in Schockstarre, wie sie selbst sagt.
„Ich glaube, die amtierenden Präsidiumsmitglieder oder speziell Vorstandsmitglieder, die es ja vor allem betrifft, die hätten uns viel ersparen können, wenn sie von selber zurückgetreten wären. Und dann hätten sie sich wieder neu zur Kandidatur stellen können“, sagt Venske. Oder man hätte dem Antrag auf Nichtbefassung der Abwahlanträge, eingereicht von Johano Strasser, zustimmen können. Es kam anders und „jetzt ist ein Scherbenhaufen da, und da muss man jetzt gucken, wie sich das weiterentwickeln wird.“
Nun ist eine Mediation dringend nötig
Venske berichtet auch von der jungen Mitarbeiterin in der Geschäftsstelle, Isabella Stadler, die den Führungsstil des Präsidiums mit den Worten angeprangert hatte, dieser passe nicht mehr ins 21. Jahrhundert. Venske sieht keinen Grund, ihr und weiteren Mitarbeiterinnen mit ähnlichen Statements nicht zu glauben.
„Und speziell wenn wir eine Menschenrechtsorganisation sind und uns die Menschenrechte auf unsere Fahne geschrieben haben, müssen wir ja selber auch uns daran messen lassen – und zwar auch im Umgang mit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.“
Nun sei eine Mediation im PEN-Zentrum Deutschland nötig, was auch Deniz Yücel so gesehen hat, von ihm stammt noch ein entsprechender Initiativantrag.
Venske macht aber keineswegs nur Yücel für den Verlauf der Versammlung verantwortlich. Vielmehr seien die Fronten mittlerweile so verknotet und verkantet, „dass sie sich nicht mehr gegenseitig zuhören können und Missverständnisse fortgesetzt werden". Manche Konflikte seien zudem von beiden Seiten „etwas konstruiert“.