Offener Brief gegen den Terrorvorwurf
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Kunst- und Kulturschaffende protestieren gegen den Antrag des Berliner LKA, das Kunstkollektiv Peng! auf eine Terrorliste zu setzen. Die Gruppe mit dem NSU gleichzusetzen sei absurd und nicht akzeptabel, sagt der Theaterintendant Oliver Reese.
Unter dem Titel "Kunstfreiheit darf nicht auf die Terrorliste" haben sich Kunst- und Kulturschaffende in einem offenen Brief an den Berliner Senat gewandt. Zu den Unterzeichnern des offenen Briefs zählten vor allem Berliner Kulturinstitutionen, aber auch prominente Einzelpersonen wie der Satiriker Jan Böhmermann und die Schriftstellerin Sibylle Berg. Sie protestieren damit gegen den Antrag des Berliner Landeskriminalamts (LKA), das Kunstkollektiv Peng! auf die bundesweite Terrorliste des Verfassungsschutzes aufzunehmen.
Das LKA wirft der Gruppe vor, dass diese zur Beschädigung von Denkmälern, also zu Straftaten aufrufe. Das Peng!-Kollektiv hatte unter dem Titel "Tear this down" – also auf Deutsch "Reißt das ab" – eine Website online gestellt, auf der eine Karte Denkmäler und Straßennamen versammelt, die Kolonialisten ehren. Zur Frage, was man im Umgang mit kolonialen Spuren wie Denkmälern tun kann, steht auf der Website unter anderem: "Kopf ab, runter vom Sockel, Farbe drauf, Schild drüber – die Möglichkeiten sind vielfältig."
Gleichsetzung mit Rechtsterroristen
Mit dieser Homepage kämpfe das Kollektiv für Dekolonialisierung, also für etwas, für das auch Kulturstaatsministerin Monika Grütters mit der Rückgabe von Beutekunst eintrete, sagt Oliver Reese, Intendant am Berliner Ensemble und einer der Erstunterzeichner des offenen Briefs. Die Gleichsetzung von Künstlern, die sich für dieses Ziel einsetzen, mit dem NSU sei ein schlimmer, absurder und nicht akzeptabler Vorgang.
"Dass man über die Mittel, mit denen Peng! da arbeitet, diskutiert, das kann ich total verstehen, da kann man auch dagegen sein und Kritik haben – aber bitte nicht mit dem LKA und bitte nicht mit einer Liste für Terrorfahndung und mit Wohnungsdurchsuchungen."
Aufruf an die Politik
Der Intendant vermutet, dass Beamte des LKA – ohne Wissen um die Kunst und ohne Bewusstsein für das hohe Gut der Kunstfreiheit – eigenmächtig und ohne politische Rückendeckung agiert hätten. Der Brief sei ein Aufruf an die Politik, sich zu diesen Vorgängen zu äußern. "Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass die Berliner Senatoren für Inneres, für Justiz und für Kultur mit diesem Vorgehen des LKA einverstanden sind."
Er sei sehr vorsichtig damit, den großen Begriff der Kunstfreiheit als Argument zu verwenden, betont Reese. In diesem Fall müsse man die Kunstfreiheit aber verteidigen. "Es wird ja hier ein ganz konkreter Angriff auf Künstler und Künstlerinnen gestartet. Es hat Wohnungsdurchsuchungen von Privatwohnungen gegeben. Es hat Durchsuchungen von Büroräumen von Künstlern gegeben." Es gehe um Anklagen und Überwachung.
Die Frage, wo die Grenzen der Kunstfreiheit verliefen, stelle sich in diesem Fall nicht als allererstes, so Reese. Als Gesellschaft müssten wir uns vielmehr fragen, warum wir gegen Kolonialismus nicht anders aktiv würden.