Performance "Stricken"

Schwarz-weißer Rassismus-Generationendialog

09:08 Minuten
Das Gesicht einer afrodeutschen Frau, die bei der Installation "Stricken" mitwirkt. Es ist projiziiert auf ein mit Blumen gemustertes Tuch.
Für die Installation "Stricken" sprechen afrodeutsche Frauen über ihre weißen deutschen Großmütter. © Carolin Seeliger
Magda Korsinsky im Gespräch mit Timo Grampes |
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Sechs afrodeutsche Frauen sprechen über ihre weißen Großmütter - und damit auch über ihr komplexes Verhältnis zur NS-Vergangenheit. Mit dem Projekt "Stricken" zeigt Magda Korsinsky ein besonderes Stück deutscher Familiengeschichte.
Was denken afrodeutsche Frauen über die Vergangenheit ihrer Großeltern? Dieser Frage ist Magda Korsinsky nachgegangen. Ihre Installation "Stricken", derzeit auf dem virtuellen Theaterfestival Impulse zu sehen, zeigt Videointerviews mit afrodeutschen Frauen, deren weiße Großmütter in der Zeit des Nationalsozialismus gelebt haben. Projiziert werden die Videos auf Stoffbahnen aus Textilien, die die Frauen in den Schränken ihrer Großmütter gefunden haben: Bettlaken, Tischdecken, Handtücher.
Insgesamt sechs schwarze Frauen hat Magda Korsinsky zu ihren Familien befragt und dabei gefilmt: Die Interviewten waren bei den Gesprächen zwischen Mitte 20 und Mitte 40 und arbeiten in unterschiedlichen Berufen: Eine ist Politiologin, eine andere Psychologin, eine dritte Frauenärztin. "So sprechen sie über ihre eigenen Familiengeschichten, aber aus unterschiedlichen Positionen", sagt Korsinsky.

Die "reine Rasse" und das schwarze Enkelkind

Die Idee zu dem Projekt sei ihr durch das Buch "Amon. Mein Großvater hätte mich erschossen" von Jennifer Teege gekommen, erzählt Magda Korsinsky. Die afrodeutsche Autorin Teege erfuhr als 38-Jährige, dass sie die Enkelin des KZ-Kommandanten Amon Göth ist. In ihrem Buch schreibt sie: Für sie sei es selbstverständlich sich mit der eigenen Familiengeschichte auseinanderzusetzen - aber was sei mit all den Enkeln von namenlosen Mittäterinnen und -tätern? Davon inspiriert hat Magda Korsinsky nach anderen afrodeutschen Frauen gesucht.
Wenn die Großmutter in einer Zeit aufgewachsen sei, in der die "reine Rasse" propagiert wurde, dann wirke sich dieses Gedankengut auch auf das schwarze Enkelkind aus, betont Korsinsky. Von negativen rassistischen Bildern müssten sich schwarze Frauen aktiv emanzipieren. Auch das nationalsozialistische Erziehungsideal nach Johanna Haarers Ratgeber "Die Deutsche Mutter und ihr erstes Kind" habe Spuren hinterlassen. Wenig Bindung, viel Leistung, keine Zugewandtheit zum Kind: Das seien Haarers Ideen gewesen.
Nachfahrin einer Täterin zu sein, sei einer der interviewten Frauen "total abwegig" erschienen - weil sie sich als schwarze Frau im Opferraster der Nazis sehe, so Korsinsky. Andere Teilnehmerinnen von "Stricken" hätten ebenfalls eine besondere Perspektive auf die deutsche Geschichte: "Dadurch, dass sie nie als deutsch gesehen wurden, immer gefragt wurden: Wo kommt ihr denn eigentlich her? - obwohl sie alle in Deutschland geboren wurden - haben sie sich nicht mit der Frage der Schuld auseinandergesetzt."
(jfr)
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