Performance und Kunstmarkt

Von Birgit Schütte |
Bei der weltweit größten Kunstmesse, der ART Basel, sind in diesem Jahr erstaunlich viele Performance-Auftritte im Programm. Aber wie verkauft sich diese Kunst des Augenblicks, die flüchtiger nicht sein könnte und die ein Unikat ist?
Flimmernde Videos, bewegliche Installationen, interaktive Objekte. Die ART Unlimited, die Ausstellung zur ART Basel, ist laut und ziemlich unruhig. Die Gäste trinken zur Eröffnung Champagner, telefonieren mit Handys, unterhalten sich und bleiben plötzlich stehen: Auf einem breiten Brett vor einer Wand liegt Marina Abramovic, ausgebreitet auf weißen Tüchern, wie der Akt eines alten Meisters. Auf ihr ein Skelett, das sie mit einem Arm umschlingt.

Die Künstlerin blickt mit rotumränderten, fast weinenden Augen in die Linsen von Fotoapparaten und Handys. Nach einer Stunde schüttelt sie ein Weinkrampf.

Das "Selbstporträt mit Skelett", wie die Arbeit von Martina Abramovic heißt, passt eigentlich überhaupt nicht auf diese laute Kunstmesse. Aber - Performance Kunst ist in diesem Jahr auf der ART allgegenwärtig. Bei der LISTE, der jungen Gegenmesse zur ART, wurde erstmals eine ständige Plattform für Performance eingerichtet. Ein neuer Trend, beobachtet der New Yorker Galerist von Marina Abramovic, Sean Kelly:

" Ich denke, dass immer mehr Menschen auf die Arbeiten der 60er und 70er schauen, die erste Generation könnte man sagen, die als Performer gearbeitet hat. Das sind jetzt Klassiker geworden. Sie inspirieren jüngere Generationen von Performern. Ich würde sagen, in den 80ern gab es nicht soviel Performance-Auftritte. Aber heute scheint es mir, dass da eine neue sehr interessante Generation von Performern auf die Kunstszene kommt. Und die junge Generation scheint da viel Interesse zu haben."

Aber wie geht sie mit diesem Trend um? Bei einer Kunstmesse, auf der mit der Kunst gehandelt wird? Eine Gruppe junger Performerinnen und Performer aus Basel interessiert genau das. Deshalb haben sie auf der LISTE eine Agentur für Performance eingerichtet. Hier können sich während der ART Performance-Künstler melden, filmen lassen und über Performance und den Kunstmarkt diskutieren.

Dass die LISTE erstmals eine ständige Performance-Plattform einrichtet, hat beim Kunsthistoriker Timothy Grundy viele Fragen aufgeworfen, und ihn zu dem Projekt mit der Agentur angeregt.

"Das war für mich so ein wenig: "Performance-Kunst nähert sich dem Werbeauftritt". So dass ich dann mal gefragt habe: Was macht denn eigentlich die Performance-Kunst auf dem Kunstmarkt? Welche ökonomischen Interessen kann ich der Performance-Kunst entgegenbringen und was passiert, wenn Performance in eine Finanzstruktur wie den Kunstmarkt eingebunden wird? Was ist es, was man da kauft, und handelt? Aber wenn es wirklich als Produkt verkauft oder gehandelt wird, kann es dieses kritische Potenzial noch ausleben, oder ist es dann abgeschnitten? "
Die jungen Performance-Künstler, die sich in der Agentur mit einem kurzen Auftritt filmen lassen, interessiert dieser Aspekt weniger. Denn auch wenn sie kaum Geld verdienen - Sie wollen vor allem ihre Kunst einem Publikum präsentieren. Und wünschen sich von einer Agentur eher Auftrittsmöglichkeiten als Geld. Der New Yorker Galerist Sean Kelly sieht auch dabei zurzeit kein Problem, wenn man gut ist:
" Da ist ein sehr großer Markt. Es ist ein wachsender Markt. Und es ist ein schwieriger Markt, keine Frage. Es ist kompliziert, mit dieser Art Material zu arbeiten. Es ist eine größere Herausforderung. Es ist aber auch aufregender und viel befriedigender."

Marina Abramovic tritt in den großen Museen der ganzen Welt auf, im Juli beim Theaterfestival in Avignon auf, Ende des Jahres im Guggenheim Museum in New York. Davon können die jungen Züricher Performerinnen Lilian Frey und Daria Unhold nur träumen. Sie verspeisen derweil vor der Videokamera der Performance-Agentur der LISTE ein rohes Stück Fleisch:

" Es ist das wirkliche Leben, direkte Kommunikation. Der Betrachter hat die Möglichkeit das unmittelbar zu spüren. Es ist sehr direkt schon."

Vielleicht ist diese direkte Begegnung ein Gegenpol zu immer mehr Technik in der Kunst. Sean Kelly:

" Die wirklich große Performance Kunst fordert uns heraus und zeigt uns, wo unsere Grenzen sind und sie fordert uns immer existentiell heraus. Sie fordert uns zu reflektieren, was es heißt ein Mensch zu sein, auf eine sehr direkte Art. Und das interessiert mich. "