Pergamonmuseum

Wie 122 Millionen Euro Mehrkosten zustande kommen

Baustelle rund um das Pergamonmuseum in Berlin
Steht auf schwierigem Baugrund: Baustelle des Berliner Pergamonmuseums © dpa/picture-alliance
Von Christiane Habermalz |
Und wieder eine Kostenexplosion: Der Umbau des Pergamonmuseums in Berlin wird 182 statt 60 Millionen Euro kosten. Alle schimpfen auf die Bundesbaubehörde. Doch die ist es leid, den Sündenbock zu spielen, geht in die Offensive und bringt Licht in ihre Kalkulationen.
Besuch auf der Baustelle des Pergamonmuseums auf der Berliner Museumsinsel. Petra Wesseler, Präsidentin des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung, kurz BBR, lehnt sich über eine Brüstung und zeigt auf eine mit Wasser vollgelaufenen Baugrube. Dort ist es, das Corpus Delicti: Ein altes Pumpwerk aus schwerem Beton aus der Bauzeit, das in keinem Bauplan eingezeichnet gewesen sei, und das eigentlich wieder hätte abgebaut werden müssen, damals. Doch dem war nicht so, jetzt steht es im Weg, genau da, wo die archäologische Promenade entstehen soll, die einst alle Museen der Museumsinsel unterirdisch miteinander verbinden soll.
"Die Funde dieser Pumpenhäuser haben im Frühjahr stattgefunden, als man begonnen hat, in diesem Bereich sich entsprechend hinunterzuarbeiten, um die Baugrube für diese archäologische Promenade auszuheben."
Die komplizierte Demontage des Pumpwerks und die damit verbundene Bauverzögerung verteuern das Projekt enorm, hinzu kam ein unfähiger Fachplaner, schwieriger Baugrund und Probleme mit der Baugrubenfirma –fertig ist der Bauskandal. 182 Millionen teurer wird das Projekt und vier Jahre später erst fertig – 2023 statt 2019.

Grütters emport, Parzinger geschockt

In Politik und Medien hagelte es heftige Kritik, Kulturstaatsministerin Monika Grütters zeigte sich empört, Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz "schockiert". Und es passt ja auch in die Reihe: Staatsoper, das Deutschlandhaus, die James-Simon-Galerie – alles Bundesbauten, die zeit- und kostenmäßig aus dem Ruder liefen. Grütters will künftig am liebsten ganz ohne die Bundesbaubehörde bauen, die Bundesbauministerin Barbara Hendricks, SPD, unterstellt ist.
Doch Hendricks und das BBR sind es nun leid, den Sündenbock zu spielen. Mit der Baustellenbesichtigung für Journalisten geht die Bundesbauverwaltung nun in die Offensive. Angesichts der Komplexität der Baustelle und der Länge der Bauzeit sei es kaum zu vermeiden, dass es unvorhergesehene Probleme gebe. Die größte Herausforderung ist, dass die Großarchitekturen wie der weltberühmte Pergamonaltar aus Sicherheitsgründen nicht ausgebaut wurde. Seit 2014 ist der legendäre Fries mit Kampfszenen zwischen Göttern und Giganten deshalb hinter eine Schutzwand versteckt – verkabelt und überwacht, um zu große Erschütterungen zu vermeiden. Jeder Alarm hat einen sofortigen Baustopp zur Folge.
"Wir haben eine Baustellenlogistik wo wir eine Baustelle auf engstem Raum haben, die zu bewältigen ist, wie haben den laufenden Museumsbetrieb. Nebenan im Flügel B findet weiterhin Besucherverkehr statt, und wir haben vor allen Dingen die Großskulpturen, und das sieht man in diesem Raum wirklich am besten, die zu erhalten sind."

Planung auf der Basis verfälschender Ist-Werte

Viele der jetzt laut beklagten Mehrkosten seien von Anfang an bekannt gewesen, kritisiert Wesseler – doch die Vorschriften würden es dem BBR verbieten, diese in den Kostenkalkulationen auch realistisch aufzuführen. Etwa die Baukostensteigerungen von jährlich etwa zwei Prozent, die auf jeder Baustelle auftreten – durch Inflation, Preiserhöhungen, Lohnentwicklung. Beim Pergamonmuseum macht das allein 60 Millionen Euro der 182 Millionen Kostensteigerung aus.
"Die Haushaltsordnung des Deutschen Bundestages schreibt vor, dass wir auf Basis der Ist-Werte planen müssen. Und das heißt, auch wenn wir wissen, dass ein Bauprojekt wie hier 20 Jahre dauert, dann müssen wir die Kostenschätzung von vor 15 Jahren zugrunde legen für die Haushaltsunterlage",
erklärt Florian Pronold, parlamentarischer Staatssekretär im Bundesbauministerium.
"Wenn wir einen ganz normalen Baukostenindex zugrunde gelegt hätten und das von vorneherein in die Haushaltsunterlage schreiben dürften, dann wären diese 60 Millionen von vorneherein festgestanden. Und dann würde das nicht wie so ein kleiner Springteufel auf einmal bei irgendeinem Termin aufplatzen und dann Wuaa! Jetzt sinds 60 Millionen mehr. Das war von Anfang an klar."

Risikorücklagen durften nicht aufgeführt werden

Eingepreist in den 182 Millionen Mehrkosten sind jetzt auch 45 Millionen Euro als Risikorücklage. Wenn sie die schon früher hätten einkalkulieren können, hätte man sich viel Ärger erspart. Doch auch das sei nach den Richtlinien nicht gestattet gewesen, bzw. werde von den Haushaltspolitikern regelmäßig heruntergekürzt. Das Bundesbauministerium will das jetzt ändern – mit einem Reformpaket Bundesbau, das mehr Transparenz und Kostenverlässlichkeit zulasse.
"Das Problem ist doch folgendes, dass wir als öffentliche Hand erkennen müssen, wenn wir unsere Transparenz nicht anders herstellen und von vorneherein die tatsächlich anfallenden Kosten aufzeigen, dann stehen wir hinterher immer so da, dass wir die Deppen sind. Und ich finde damit muss mal Schluss sein!"
Doch nicht alles ist schlecht beim Bund. Von 300 Großbauprojekten des Bundes der letzten 15 Jahre sind knapp 60 Prozent im Zeit- und Kostenrahmen geblieben. Eines davon steht gleich neben dem Pergamonmuseum auf der Museumsinsel: das Neue Museum. Allseits wird es gelobt dafür, dass es sogar 35 Millionen Euro unter der Kostenschätzung blieb. Dabei sind die Baukosten pro Quadratmeter gerechnet genauso hoch wie die beim Pergamonmuseum. Es wurde nur offenbar am Anfang klüger kalkuliert.
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