Perlen am Abend

Von Mona Naggar |
Über Gott und die Welt diskutieren seit einigen Jahren evangelische, katholische und muslimische Frauen treffen sich seit einigen Jahren in Köln. Ihre Runde nennt sich "FACIT": Feministischer Arbeitskreis christlicher und muslimischer Theologinnen. Sie respektieren sich, halten aber auch nichts von "Kuscheldialog".
Dorothee Schaper: "Die Perle an den Abenden ist die, dass wir jenseits der populären Themen sprechen und jenseits von Institutionen, von Verbandspolitik oder von Kirchenpolitik, sondern theologisch und persönlich miteinander sprechen können."

Sonja Sailer-Pfister: "Oft muss ich mich verteidigen, warum ich katholisch bin und als Frau immer noch katholisch bin, und das ist in diesem Kreis gerade nicht so."

Dorothee Schaper vom Evangelischen Stadtkirchenverband Köln und Region und Sonja Sailer-Pfister vom Stadtdekanat des Erzbistums Köln. Mit großer Begeisterung sprechen die Frauen von FACIT über die Atmosphäre in der Gruppe und über die Qualität der Diskussionen, die geführt werden.

Seit zwei Jahren treffen sich evangelische, katholische und muslimische Theologinnen regelmäßig in Köln. Abwechselnd finden die Treffen in der evangelischen Melanchthon Akademie, im Zentrum für Islamische Frauenforschung oder in der Domstraße statt, einige Schritte vom Wahrzeichen Kölns entfernt.

Die Idee zum Feministischen Arbeitskreis Muslimischer und Christlicher Theologinnen entstand nach einer Ausstellung in Köln über muslimische Frauenbiografien. Die an der Vorbereitung der Ausstellung Beteiligten hatten den Wunsch weiter im Gespräch zu bleiben und gründeten daraufhin FACIT.

Die Teilnehmerinnen am Kreis haben viel gemeinsam. Sie nehmen ihren Glauben ernst, sie arbeiten in religiösen Institutionen und haben trotz jahrelanger Erfahrungen im interreligiösen Dialog noch das starke Bedürfnis, von den Angehörigen anderer Religionen zu lernen. Edith Schlesinger vom Interreligiösen Referat des Erzbistums Köln:

"Es geht darum, ohne Vorbehalte oder Rücksichtnahme auf sich selbst oder andere, Dinge ansprechen zu können ohne, dass sich jemand verletzt fühlt oder dass man dogmatisch heikle Dinge aussparen wollte. Es geht nicht primär um Harmonisierung oder primärer Suche nach den Gemeinsamkeiten, sondern tiefe Auseinandersetzungen mit dem, was ist und dann, wofür wir stehen, und wirklich das miteinander teilen zu können."

Alle Teilnehmerinnen sehen sich in der Tradition einer feministischen oder frauenzentrierten Theologie. Aus Frauenperspektive setzen sie sich mit dem Gottesverständnis in Islam und Christentum auseinander, mit dem Menschenbild oder mit dem Fundamentalismus. So ist ein Ziel der Diskurse, die bei FACIT geführt werden eine feministische interreligiöse Hermeneutik auszuarbeiten, trotz der sehr unterschiedlichen Erfahrungen der Frauen in den verschiedenen Glaubensgemeinschaften.

Obwohl der Islam keinen Klerus kennt, befinden sich die islamischen Gemeinden und die Organisationen in Deutschland fest in Männerhand. Es gibt nur wenige Theologinnen, die es wagen, die jahrhundertealte patriarchalisch geprägte Koranexegese in Frage zu stellen. Zu ihnen gehört Luise Becker vom Zentrum für Islamische Frauenforschung und Frauenförderung in Köln:

"Ich gehöre eher zu den Hermeneutikern, die hingehen und sagen, die Schrift auch eine heilige Schrift, ist logischerweise in einen Kontext gekommen, gesprochen worden. (…) Wichtig ist, es ist eine Schrift im Kontext. Wenn sie eine Schrift im Kontext ist und anders ist es nicht möglich, (..) dann kann ich diese Schrift logischerweise in einen anderen Kontext nicht eins zu eins, nicht wortwörtlich anwenden. Wenn ich das tun will, muss ich zurück in diese Zeit, dann muss ich die Zeit anhalten. (..) Ich glaube persönlich aus dem Koran ersehen zu können, dass das nicht die Absicht dieser Schrift war."

Ein Beispiel für die Arbeit von FACIT ist die Auseinandersetzung mit dem Gottesverständnis in Islam und Christentum. Zwar bekennen sich beide zum Glauben an den einen Gott, aber es gibt unverrückbare islamische und christliche Grundsätze, die sich scheinbar unversöhnlich gegenüber stehen. Im Koran sind Verse zu lesen, die unmissverständlich gegen die Göttlichkeit Jesu und die Trinität Stellung beziehen.

Die Vorstellung von Gott in drei Aspekten Vater, Sohn und Heiliger Geist wird von vielen Muslimen als eine verwässerte oder "verfälschte" Form des Monotheismus gedeutet. Eine schwierige Ausgangsposition für die Diskussion auch in diesem Arbeitskreis. Dorothee Schaper vom Evangelischen Stadtkirchenverband Köln und Region:

"Während es für mich kein großes Problem war, habe ich dabei lernen dürfen, dass für die Muslime vielleicht auch auf dem Spiel stand, sind wir alle, Juden Christen, Muslime, sind wir drei monotheistisch und wenn es so ist, dann sind wir Geschwister im Sinne der Buchreligionen. Wenn sich aber für Muslime dabei herausstellt, die "Drei-Aspektigkeit", wenn es von Muslimen verstanden wird als drei verschiedene Gestalten, dann steht für Muslime sehr viel auf dem Spiel, auch was unsere Geschwisterschaft angeht."

Die christlichen Theologinnen sprachen offen von ihren Schwierigkeiten mit den patriarchalisch geprägten Gottesbildern der Dreifaltigkeit und von den Versuchen, andere göttliche Symbole oder Metaphern zu entwickeln, die auch für Frauen eine Identifikation schaffen könnten. Sonja Sailer-Pfister vom Stadtdekanat des Erzbistums:

"Natürlich, unsere Trinität Vater/Sohn/Heiliger Geist wird oft assoziiert mit einer männlichen Vorstellungsweise. Auf der andere Seite gibt es Ansätze, die Ruah, die hebräisch weiblich ist, mit dem weiblichen Element zu deuten beziehungsweise in der Bibel selber, sowohl im AT als auch im NT sind weibliche Gottesbilder vorhanden und die gehören auch zu unserer Tradition, auch wenn sie etwas vergraben und sie immer wieder zur Sprache kommen müssen."

Einfach und klar scheint hingegen die Gottesvorstellung im Islam. Im Zentrum steht die Transzendenz, Einheit und Einzigartigkeit Gottes. Von den Gläubigen fordert der Koran die uneingeschränkte Hingabe an den einen Gott. Die Grenze zwischen Gott und Mensch ist klar gezogen. Das gilt für alle Propheten, auch für Jesus und Muhammad. Unpersönlich, fern und streng erscheint dieser Gott den christlichen Theologinnen.

Auch an diesem Punkt hat die feministische theologische Analyse den Diskurs bereichert. Muslime lehnen zwar jede menschliche Vorstellung von Gott ab und verweisen auf die 99 Namen, die seine Eigenschaften beschreiben sollen. Aber die muslimischen Theologinnen bemerkten, dass in der Sprache und in der Vorstellung vieler Gläubigen doch ein patriarchales Gottesbild dominieren würde.

Die als männlich verstandenen Haupteigenschaften wie Macht, Wille oder Stärke würden das Bewusstsein vieler Muslime prägen. Weiblich verstandene Eigenschaften hingegen wie etwa Liebe, Barmherzigkeit oder Güte würden das Gottesbild weit weniger bestimmen.

Aber auch nach Monaten der theologischen Disputation über das Gottesbild bleiben grundsätzliche Fragen bei den Musliminnen offen. Luise Becker vom Zentrum für Islamische Frauenforschung und Frauenförderung:

"Muslime haben es noch immer schwer mit dem Gottesbild des Christentums. (…) Wir haben gemerkt, wie es für christliche Frauen nicht einfach war, das uns näher zu bringen. Wir haben auch gemerkt auf muslimischer Seite ein echtes Bemühen war, diese Dinge zu verstehen, wir sind damit auch ein Stück weitergekommen. Also hier im Kreis würde niemand hingehen und Christen den Monotheismus absprechen, nur weil sie ein anderes Gottesbild haben. (…)

Letztendlich ist die Frage nach Gott eine, die (letztendlich) nicht aufklärbar ist, so in dem Sinne, wir haben es abgehandelt, wir machen jetzt einen Haken, sondern die Sprachlosigkeit, die einen angesichts dieses Phänomens überfällt, dass man das bei Theologinnen anderer Religionsgemeinschaften genauso empfindet und dass einen das näher bringt."

Manchmal organisiert FACIT öffentliche Veranstaltungen und diskutiert vor Publikum theologische Themen. Damit sollen andere Frauen angeregt werden ähnliche Arbeitskreise zu gründen. Im Moment steht das Thema Fundamentalismus zur Debatte. Und eine katholische Teilnehmerin würde sich gerne bald der von christlicher Sicht heiklen Frage der Prophetie Muhammads zuwenden.