Nach Nagelsmanns Debüt

Welche Perspektiven hat der deutsche Fußball?

06:17 Minuten
Bundestrainer Julian Nagelsmann beim Freundschaftsspiel gegen Mexiko in den USA
Bundestrainer Julian Nagelsmann soll die deutsche Fußball-Nationalmannschaft zur Heim-EM führen. © dpa / picture alliance / Markus Gilliar
Von Stefan Osterhaus |
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Noch vor einigen Jahren galt die Nachwuchsarbeit beim deutschen Fußball als beispielhaft. Doch inzwischen sind andere Nationen vorbeigezogen. Der DFB hat die Defizite erkannt und will mit einem neuen Konzept, das sehr umstritten war, entgegenwirken.
Wie sieht die Zukunft des deutschen Fußballs aus? Diese Frage hängt nicht allein an der Nationalmannschaft, die sich unter dem neuen Trainer Julian Nagelsmann während der USA-Reise in recht passabler Form zeigte.

Kleinfelder bei Kindern und Jugendlichen

Aufhorchen ließ vor einigen Monaten ein Satz des DFB-Direktors Rudi Völler. Der ehemalige Mittelstürmer sagte, auf lange Sicht sehe er „ein bisschen schwarz“.
Es fehlt an Talenten. Der DFB hat dies erkannt. Und ein Konzept vorgestellt, wie die Misere behoben werden soll.
Im Kinder- und Jugendbereich soll künftig auf Kleinfeldern mit Minitoren gespielt werden, drei gegen drei. Dabei soll bewusst auf Ergebnisse und Tabellen verzichtet werden.
Diese Reform wird sehr unterschiedlich bewertet. BVB-Chef Hans Joachim Watzke, der mächtigste deutsche Funktionär, spottete, dass man demnächst auch noch die Bälle quadratisch machen könnte, damit die langsamen Kinder hinterherkommen.

Gerland nennt Rummenigge als Beispiel

Jüngst erst äußerte sich auch Hermann Gerland, ein Veteran unter den deutschen Trainern, der ganz gewiss nicht im Verdacht steht, einer der sogenannten Laptop-Trainer zu sein.
In der Fernsehsendung „Blickpunkt Sport“ des Bayerischen Rundfunks erzählte er eine Anekdote, die er mal einem Kritiker erzählt hat – und bezog sich dabei auf den legendären Bayern-Stürmer Karl-Heinz Rummenigge.
„Ich sage: Kennst du Kalle Rummenigge? Jetzt stell dir mal vor, der Trainer in Lippstadt hätte dem Kalle Rummenigge das Fummeln oder Dribbeln verboten, ob der dann Weltklasse geworden wäre? Hat er mir keine Antwort draufgegeben. Es geht nur darum, dass Dribbeln das Schwierigste ist. Die Kinder haben unglaublich viele Ballkontakte, wenn sie auf kleinem Feld Drei gegen Drei spielen.
Wir wollen den Straßenfußballer haben, wir wollen ausbilden, dass wir wieder Dribbler haben, dass wir Zweikämpfer haben - und dann ist das ja in dem kleinen Feld optimal.“

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Wie Vereine das Nachwuchskonzept sehen

Aber wie wird das neue Nachwuchskonzept in den Vereinen beurteilt? Wir haben uns beim FC Internationale Berlin darüber mit dessen Präsidenten Gerd Thomas unterhalten.

Wir machen das beim FC Internationale schon seit drei, vier Jahren. Unsere Jugendleiterin, die auch im Verband als Trainerin gearbeitet hat, hat da sehr früh dafür gesorgt, dass wir das machen. Wir haben eigentlich gute Erfahrungen. Gleichwohl muss man sagen, dass es an diesen Spieltagen schon ein erhöhter Aufwand ist und dass wir natürlich auch immer wieder daran arbeiten müssen, gerade auch neuen Trainerinnen und Trainern das Konzept nahezubringen. Das heißt gar nicht, dass die das nicht wollen. Aber es ist organisatorisch eben anders.

Gerd Thomas, Präsident beim FC Internationale Berlin

Spieler werden intensiver gefordert

Anders auch, weil die Vereine an den Spieltagen viele kleine Tore bereithalten müssen. Vorteile sieht Thomas vor allem darin, dass die Spieler intensiver gefordert werden.

"Erst mal gibt es natürlich viel mehr Ballkontakte, und das ist relativ einfach auszurechnen. Je mehr Ballkontakte ich habe, desto mehr lerne ich auch. Wir haben, wenn wir so ein klassisches Sechs gegen Sechs oder Sieben gegen Sieben haben, ganz oft die Situation, dass es einen überragenden Spieler gibt - und der ist andauernd am Ball und die anderen gucken staunend zu, was der so macht.“
Nur: Wie beurteilt Gerd Thomas den Umstand, dass Ergebnisse und Tabellen keinen Wert mehr haben sollen – und dass in den höheren Altersklassen kein Abstieg mehr möglich ist?
Der Kölner Trainer Steffen Baumgart hatte dies kritisiert – bei Weitem nicht so polemisch wie Watzke. Der Sport, so Baumgart, habe doch auch einen Wert, wenn man nicht gewinne. Auch die Erfahrung der Niederlage gehöre dazu.
Gerd Thomas sieht darin eher kein Problem, genauso wenig wie Hermann Gerland. Jedes Kind wolle schließlich gewinnen.

Die Hoffnungen, die der DFB-Direktor Hannes Wolf, selber ein erfahrenerer Nachwuchstrainer, in das Konzept setzt, sind groß, wie Wolf anlässlich der Vorstellung des Konzepts im September erklärte.
Es werde, so Wolf, „überhaupt nicht so lange dauern, wie man denkt. Nur es soll auch nachhaltig sein. Wir würden es wünschen, dass wir in drei Jahren da sitzen und sagen: ‚Wow, wo kommen die jungen Spielerinnen und Spieler her - und wie geil ist das denn auf allen Positionen.‘ Aber wir wollen das ja in sechs, acht oder zwölf Jahren immer noch haben - und deswegen auch der Aufbau von ganz unten. Wenn wir das insgesamt neu lernen, dann haben wir das immer in jeder Generation, dass wir großartige Spieler bekommen.“

Thomas warnt vor zu hohen Erwartungen

Gerd Thomas ist ebenfalls optimistisch, aber er warnt vor zu großen Erwartungen:

„Wir sollen nicht so tun, als wenn ein neues Modell im Kinderfußball sofort dazu führt, dass wir dann dreimal hintereinander wieder Weltmeister werden. Das wird nicht sein, weil England, weil Frankreich, weil Spanien, aber auch die Schweiz oder Österreich, solche Länder auch inzwischen ihre Hausaufgaben gemacht haben. Und Belgien - wo holen die die ganzen Talente her? Wir sind hier nicht allein auf der Welt, und es ist nicht gottgegeben, dass Deutschland immer nach dem alten Lineker-Spruch dann am Ende als Sieger vom Platz geht."

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