Eine Theaterlegende wird 90
Klar, einfach, sinnlich: Die Arbeiten von Peter Brook wirken heute wie aus einer anderen Theaterwelt. Das Denken und die Spiritualität des Menschen faszinieren den legendären Regisseur bis heute. Am 21. März 1925 wurde er in London geboren.
"Qui est là?". Dreimal nacheinander stürzt der Schauspieler David Bennent mit seiner Frage "Wer da?" auf die Bühne, dann hat er sich den leeren Raum erobert und Shakespeares "Hamlet" kann beginnen. Eine "theatralische Recherche" nannte Peter Brook seine Auseinandersetzung mit "Hamlet" 1995, was arg theoretisch klingt, aber Ausdruck für eine suchende Sinnlichkeit ist, die alle Arbeiten des englischen Regisseurs auszeichnet.
Shakespeares "Hamlet" brauchte bei Brook nur sieben Schauspieler, die in Alltagskleidung mitten durchs Publikum auf eine leere Bühne schlenderten. Sie zogen einen imaginären Vorhang vor einem hellen Holzviereck beiseite, das durch ein paar schwarze Stühle umrahmt war. Fertig war das Spielfeld. In seinem 1968 erschienenen legendären Buch "Der leere Raum" verkündete Brook nicht endgültige Wahrheiten, sondern stellte Fragen an die Welt desTheaters. Sein Credo war:
"Ich kann einfach jeden leeren Raum nehmen und ihn Bühne nennen. Ein Mann geht durch einen leeren Raum, während jemand ihm zuschaut – das ist alles, was man dafür braucht, in einen Theaterakt hineingezogen zu werden."
Wie aus einer anderen Theaterwelt
Schaut man heute auf die Arbeiten des noch immer tätigen Avantgardisten Peter Brook, so wirken sie wie aus einer anderen Theaterwelt. So klar, so einfach, so sinnlich sind seine filmlosen szenischen Arrangements, so deutlich stehen bei ihm stets allein die Schauspieler im Mittelpunkt.
Peter Brook wurde am 21.März 1925 in London geboren. Mit 20 Jahren begann er seine internationale Karriere als Regisseur und war schnell auch an der Londoner Covent Garden Opera engagiert. Zwischen 1962 und 1970 leitete er zusammen mit Peter Hall die Royal Shakespeare Company. Sein "König Lear", mit dem er erstmals sein Theater "des leeren Raums" in Reinkultur vorstellte, also ohne Bühnenbild und andere optische Effekte auskam, wurde ein ungeheurer Erfolg. International Furore machten auch sein "Marat/Sade" von Peter Weiss, seine Vietnam-Collage "US" und Shakespeares "Ein Sommernachtstraum".
Umzug von London nach Paris
Danach zog er von London nach Paris und gründete dort das Centre International de Recherche Théatrales, in dem er mit einer internationalen, multikulturellen Truppe nach sprachunabhängigen Kommunikationsformen und einer überall zu verstehenden Theatersprache suchte. 1974 benannte Brook sein Theater zum Centre International de Créations Théatrales um und brachte in den "Bouffes du Nord" in Paris multikulturelle Inszenierungen mit berühmten Darstellern aus Europa, Asien und Afrika heraus, die um die Welt reisten. "Die Konferenz der Vögel" verknüpfte eine afrikanische Farce mit einem persischen Märchen, und das nach vielen Indien-Aufenthalten entstandene "Mahabharata" collagierte 1985 in neun Spielstunden die Bibel, das Rolandslied, die Ilias und die Odyssee sowie Überlieferungen indischer Buddhisten.
Poetisch, tiefsinnig, unterhaltsam
Die Faszination dieses weltweit umjubelten und auch verfilmten Epos ist nur schwer zu beschreiben. Sein Zusammenhang aus Spiel, Licht, Tönen und Musik war so poetisch wie tiefsinnig, so zauberisch unterhaltsam wie alle Sinne anregend:
"Mit dem 'Mahabharata' habe ich folgende schöne Erfahrung gemacht: Eine große Legende wird als Menschheitsgeschichte mit menschlichen Mitteln erzählt. Fernab jeder Schematick, jeder Vorstellung von Gut und Böse. Es wird wirklich erzählt von der ganzen Komplexität des Menschenlebens. In Afrika erleben wir so etwas auch oft. Diese Länder haben noch nicht völlig ihre tradierten kulturellen Verbindungen verloren. Man erkennt noch den Zusammenhang zwischen dem täglichen Leben und menschlichen Erfahrungsbereichen, die mit Transzendenz in Kontakt treten. Ich finde so etwas bei Shakespeare, in Teilen der europäischen Geschichte, in Afrika, in Indien und einigen anderen Ländern."
Brook ist bis heute fasziniert von derSpiritualität des Menschen und dessen Denkbewegungen. In "L´homme qui" nach einem Buch des Neurologen Oliver Sacks unternahm er eine Reise in den Kopf des Menschen und landete dort, wie Brook sagte, auf einem anderen Planeten, wo er das "Nicht-Verstehen" entdeckte. Heute wird der große Regisseur Peter Brook 90 Jahre alt.