Isabelle Faust, Violine
Berliner Philharmoniker
Leitung: Peter Eötvös
Vom Himmel durch die Welt nach Harlem
Traditionell haben die Berliner Philharmoniker beim Musikfest Berlin ein „Heimspiel“, gerne auch mit komplexen Programmen. Gern gesehener Gast für besondere Herausforderungen ist der Komponist und Dirigent Peter Eötvös. Dieses Mal hatte er ein neues Werk und eine Rarität im Gepäck.
Drei Mal Orchester, jedes Mal anders: Im Dritten Violinkonzert von Peter Eötvös wird das Soloinstrument von einem verhältnismäßig kleinen Ensemble begleitet. Im zweiten Teil steht "Shaar" von Iannis Xenakis auf dem Programm: ein Werk für sehr groß besetztes Streichorchester. Zum Abschluss die Mutter aller sinfonischen Materialschlachten des 20. Jahrhunderts, die "Amériques" von Edgard Varèse für ein Orchester, das aus rund 140 Musikern besteht.
Musik als Erzählung
Es ist ein Konzertprogramm voller Orte, Bilder und Bauwerke. Ein Programm im Rahmen des Musikfestes Berlin, mit dem sich Peter Eötvös nicht nur als Mann für größte musikalische Herausforderungen, sondern auch als veritabler Theatermensch erweist, der mit Musik Geschichten erzählt. Nicht weiter verwunderlich, dass Eötvös auch als Komponist von Opern gefragt ist.
In seinem Dritten Violinkonzert "Alhambra" nimmt uns die Solostimme auf eine Fantasiereise durch das maurische Prachtgemäuer, nächtlich plätschernde Brunnen inbegriffen. Dort wurde es auch in diesem Sommer uraufgeführt; die Widmungsträgerin Isabelle Faust hat nun die Deutsche Erstaufführung gemeinsam mit dem Komponisten und den Berliner Philharmonikern gestaltet.
Dieser Abend ist typisch für Peter Eötvös, der bei den Berliner Philharmonikern 1999 debütiert hat und seitdem wiederholt für musikalisch wie logistisch anspruchsvolle Programme eingeladen wird. Der ungarische Dirigent und Komponist, geboren 1944, wurde bereits als Jugendlicher von Zoltán Kodály gefördert und fand später Mentoren in Karlheinz Stockhausen, Bernd Alois Zimmermann und Pierre Boulez, der ihn 1979 zum Leiter des Ensemble Intercontemporain in Paris machte.
Ein Tor und viele Hupen
Mit der Oper "Drei Schwestern" trat Eötvös ab Ende der 1990er Jahre als Komponist in das Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit; seine in rascher Folge entstandenen Opern gehören ebenso zum Repertoire der Gegenwartsmusik wie seine Solokonzerte.
Erstmals spielen die Berliner Philharmoniker das fulminante Streicherstück "Shaar" von Iannis Xenakis, eine an Kurvenbewegungen reiche Himmelfahrt. Das Werk erzählt anhand der hebräischen Überlieferung vom Kampf des Guten gegen das Böse und von einem geheimnisvollen Tor. Mit dem genau vor hundert Jahren entstandenen "Amériques"-Tongemälde von Edgard Varèse wird das Konzert gedanklich in New York beendet, samt Hupkonzert, Sirenengeheul und verborgenen südamerikanischen Tanzrhythmen.
Musikfest Berlin
Philharmonie Berlin, Aufzeichnung vom 07.09.2019
Philharmonie Berlin, Aufzeichnung vom 07.09.2019
Peter Eötvös
"Alhambra", Konzert für Violine und Orchester Nr. 3 (Deutsche Erstaufführung)
"Alhambra", Konzert für Violine und Orchester Nr. 3 (Deutsche Erstaufführung)
ca. 20.35 Konzertpause, darin:
"Dieser Klang trägt mich". Olaf Wilhelmer im Gespräch mit Peter Eötvös
"Dieser Klang trägt mich". Olaf Wilhelmer im Gespräch mit Peter Eötvös
Iannis Xenakis
"Shaar" für großes Streichorchester
"Shaar" für großes Streichorchester
Edgard Varèse
"Amériques" (1. Fassung 1918-22)
"Amériques" (1. Fassung 1918-22)