Peter Feldmann: Occupy-Camp wird heute nicht geräumt
Nach Aussage von Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) wird das Frankfurter Occupy-Camp heute nicht geräumt. Er wolle abwarten, wie die Situation sich entwickle, zumal Klagen angedroht seien. Es gehe ihm auf jeden Fall nicht darum, "irgendwelche Grundrechte auszuhebeln".
Ulrike Timm: Wir sind die 99 Prozent! Dieser Ruf machte die Occupy-Bewegung berühmt, jene vor allem junge Leute, die ausgehend von den USA mit ihrer Kapitalismuskritik viele Sympathien erwarben. Der Ruf ist leiser geworden, aber immer noch hörbar, und in Frankfurt baute sich Occupy ein kleines Zeltdorf gegenüber vom Banken-Tower. Anfangs brachten Bürger Blumen und Erbsensuppe, inzwischen ärgern sich viele, wie schmutzig es dort ist, und auch darüber, dass viele, die dort wohnen, keine Protestler sind, sondern Obdachlose. Das Ordnungsdezernat will jetzt räumen lassen – was denkt der Frankfurter Oberbürgermeister? Das hören wir gleich, zuerst aber unsere Landeskorrespondentin Anke Petermann mit einem Blick aufs Camp.
Eine Bewohnerin des Occupy-Camps vor dem Tower der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main. Räumen oder nicht räumen, das ist jetzt die Frage, und die gebe ich natürlich auch weiter an den Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann, der uns jetzt zugeschaltet ist. Schönen guten Morgen, Herr Feldmann!
Peter Feldmann: Ja, guten Morgen!
Timm: Wird das Camp denn heute geräumt?
Feldmann: Das Camp wird heute nicht geräumt, und ich bin mir mit dem Ordnungsdezernenten, Herrn Markus Frank, absolut einig, dass es richtig ist abzuwarten, da ja Klagen angedroht sind, wie die Situation sich dort entwickelt, auch von der rechtlichen Seite, weil es geht weder ihm noch mir – da bin ich voll an seiner Seite – um die Frage jetzt, irgendwelche Grundrechte auszuhebeln. Aber das Wichtige ist eigentlich nicht die Frage, ob geräumt wird oder ob nicht geräumt wird, ob da Zelte sind oder keine Zelte, das Wichtige ist, dass die inhaltliche Diskussion in Frankfurt fortgesetzt werden muss.
Ich bin sehr, sehr froh, dass wir an dem Punkt wieder ein Stück vorangekommen sind dadurch, dass sowohl die Oper, die direkt in Sichtweite des Camps ist, als auch die Universität, der Universitätspräsident, als auch zum Beispiel der Hajo Köhn von Occupy Money sich alle gestern in Gesprächen und am Freitag mit mir bereit erklärt haben, diese Diskussion zu führen über die Rolle – wir sind die Stadt der Banken – über die Banker, über die Notwendigkeit, auch Finanzindustrie, die wir in der Stadt ja sehr stark haben, auseinanderzusetzen. Und das ist eine Diskussion, die nicht nur in Zelten stattfindet, sondern die auch in Banktürmen stattfindet. Daran werden wir uns aktiv beteiligen.
Timm: Das heißt, die akute aktuelle Spannung ist zumindest für heute erst mal raus, und über den inhaltlichen Schwerpunkt, den Sie setzen wollen, wollen wir auch gerne reden. Nun hat sich der Ordnungsdezernent der Stadt Frankfurt im Vorfeld aber relativ scharf geäußert, hat Fristen gestellt. Haben Sie ihn schlicht zurückgepfiffen?
Feldmann: Nein, es ist einfach von der Entwicklung her so, dass er gemeinsam mit mir festgestellt hat, dass wir das Recht der Menschen, natürlich auch gegen eine Maßnahme zu klagen, dass wir das respektieren. Und wir sind uns da vollkommen einig. Also ich denke, dass wir alle in der Stadt ein Interesse haben, die inhaltliche Diskussion in den Vordergrund zu stellen, und ich bin sehr froh, dass eben sowohl von einem großen Teil der Teilnehmer als auch von der Stadtgesellschaft diese Diskussion gewollt wird.
Wir haben Interesse dran, in dieser Stadt voranzukommen in der Frage, welche Rolle die Finanzindustrie spielt, wir haben da kritische Diskussionen in den Banken selber über Transaktionssteuern, über Tobin Tax, über Trennbankensystem, und das ist dieser Stadt auch würdig. Und ich finde das sehr schade, dass in den letzten neun Monaten die Diskussion, sage ich mal, mehr oder weniger entglitten ist in der Frage von Hygiene und ähnlichen Sachen. Das ist ernst zu nehmen, und ich will auch da von diesem Problemen nichts weg reden. Ich sehe die genau so wie auch Teile der Öffentlichkeit, ich bin da auch gegen ein Bild-Zeitungs-Bashing an dem Punkt. Wo es Missstände gibt, da muss man den Finger drauf legen, und da hat die Politik sich auch entsprechend zu verhalten.
Timm: "Als wären keine Zelte eine Lösung", so schrieb gestern die "Frankfurter Rundschau" – und es wäre ja wohl heute zumindest eine Räumung aus Ratlosigkeit. Nun ist die zumindest für heute abgewendet. Nicht räumen könnte ebenfalls auf Ratlosigkeit hindeuten, denn dass es dort schwierig zugeht, ist ja auch unbestritten, jenseits der Bild-Zeitung.
Feldmann: Das stimmt natürlich.
Timm: Was erzählt dieses Camp eigentlich zurzeit über den Kern der Stadt Frankfurt?
Feldmann: Es erzählt vor allem, dass wir diese Konflikte, die wir in dieser Stadt schon – seitdem es sie gibt – weiter haben. Wir sind die Stadt einer sehr frühen Börsengründung. Wir hatten hier schon vor 1200 Jahren eine Messe, Termingeschäfte und so weiter. Das sind für Frankfurter Kinder schon sozusagen Normalitäten, Geldindustrie, Geld machen gehört in die Mitte dieser Diskussion dieser Stadt. Dazu stehe ich auch, und für mich ist das absolut Notwendigkeit, dass das auch wieder entsprechend verortet wird. Die Frage von Zelten ist in der Tat vollkommen nachrangig, da gebe ich dem Kollegen von der Frankfurter Rundschau recht – es geht da drum, diese Diskussion zu führen und ihr Raum zu verschaffen.
Alles andere führt ins Abseits, in die Sackgassen, und deshalb müssen wir jetzt den Raum und den Rahmen schaffen, damit dann, wenn die Zelte irgendwann vielleicht nicht mehr stehen, diese Diskussion fortgesetzt werden kann, und diese Diskussion werde ich dann auch persönlich unterstützen. Und es ist für mich ganz wichtig, dass sie auch in dem inhaltlichen Zentrum der Stadt stattfindet, und dass wir diese Debatten über zelten oder nicht zelten beenden, weil langfristig – das wissen auch die Teilnehmer von Occupy – kann es nicht sein, dass dann irgendwann der Frost über die Frage der inhaltlichen Debatte entscheidet.
Timm: Nun sind die Zelte natürlich ein Symbol für diese Inhalte. Sie stehen nun mal da, sie stehen gegenüber …
Feldmann: Die Banktürme sind das Symbol in Frankfurt!
Timm: Ja, aber gegenüber sind diese Zelte, und Occupy versteht sich ja als Laus im Pelz dieser Banken. Sie, Herr Feldmann, gelten als eher linker SPD-Politiker, sind relativ neu im Amt des Oberbürgermeisters, müssen das jetzt managen, moderieren. Sie waren mal im Camp und haben gleich zu Beginn vor einigen Monaten gesagt, wenn es Occupy nicht gäbe, dann müsste die Bewegung erfunden werden. Darf ich das auch so interpretieren, dass es ganz gut ist, wenn die chicen Banker vom Tower aus auf ein schmuddelig-buntes Zeltlager gucken?
Feldmann: Nein, das war so: Ich war mit einer Gruppe von Investment-Bankern da, und die hatten große Sorgen, dass sie dort auch bis hin zur Körperlichkeit angegangen werden, weil Mitglieder der Linkspartei bei der Demonstration angegangen worden sind und man die rausgeworfen hat an den damaligen Gründungswochenenden. Und es war anders, man hat uns das Mikrofon in die Hand gedrückt und hat uns aufgefordert, mit ihnen zu diskutieren, und das hat mir gut gefallen, und als wir weggegangen sind, haben dann die Banker gesagt, wir diskutieren das Gleiche, und wenn es die nicht gäbe, dann müsste man sie erfinden.
Und dieses Zitat habe ich mir zu eigen gemacht, weil ich es einfach sehr charmant fand, und auch zeigt, dass die Banker, die ja zum Teil auch dann den damaligen Campern die Möglichkeit zum Essen in ihrem Cafeterien und zum Duschen angeboten haben, dass da auch ein ganz dringender Bedarf ist in der gesamten Stadtgesellschaft. Und wenn ich sage, diese Stadt ist eins, dann bezieht das wirklich alle ein, und da geht nicht A gegen B, sondern wir müssen gemeinsam diese Diskussion führen und zu einer Form zurückfinden, wo es nicht um die Frage von Zeltlagern geht, wo diese inhaltliche Debatte im Fokus steht.
Und mein Bedauern ist vor allem, dass durch diese jetzige Diskussion über das Zeltlager die inhaltliche Debatte erdrückt wird. Und auch Ihre Fragen signalisieren mir ja letztendlich, dass es nur noch um die Frage von Räumung, ja oder nein, geht. Ich will diese Diskussion in die zweite Reihe stellen, mir geht es in der ersten Reihe darum, dass wir die inhaltliche Debatte wieder nach vorne bringen, und da hat die ganze Kultur, da hat die Finanzwelt, da haben die Gewerkschaften, die Kirchen, ein Recht dran. Und wir müssen gemeinsam das diskutieren, weil wir leben von den Banken.
Wir werden uns in dieser Frage klar positionieren müssen, auch kommunalpolitisch, weil wir in einem globalen Wettbewerb sind, weil wir uns stellen müssen, und wenn dort diskutiert wird, in dem Zeltlager, über Globalisierung von unten, dann gehört diese Diskussion auch ins Rathaus, aber auch in die Banktürme. Weil diese Stadt ist eins, und das war ihre besondere Qualität, dass soziale Konflikte hier eben in Frankfurt friedlich ausgetragen worden sind, im Gegensatz zu London oder Paris – wir wissen alle, was da in den Vorstädten los ist. Das heißt, wir müssen sehr genau auch achten, wie der soziale Zusammenhalt hier dauerhaft gewährleistet werden kann, deshalb sind Finanzpolitik, Wirtschaftspolitik und Sozialpolitik auch für mich eins.
Timm: Das heißt, Sie hoffen auch, Sie kriegen die erste Reihe beider Seiten, von Occupy und den Bankern, an einen Tisch?
Feldmann: Nein, das ist schon zugesagt. Also ich habe sowohl Zusagen von Investment-Bankern als auch zum Beispiel von dem Herrn Köhn, der für Occupy Money eine sehr gute Rolle hier spielt, auch sehr viel auf beiden Seiten unterwegs ist, und ich bedanke mich ausdrücklich bei denjenigen, die heute schon zugesagt haben. Die Reihe ist fest vereinbart, wir haben einen Träger dafür, und das Ganze geht unmittelbar nach der Sommerpause los, und ich lade Sie heute schon ein, an dieser Diskussion teilzunehmen und da genauso ausführlich darüber zu berichten wie über die Frage, ob es jetzt ein Zeltlager in Frankfurt gibt oder nicht.
Timm: Peter Feldmann, der Oberbürgermeister von Frankfurt. Ich wünsche Ihnen, dass es ein fruchtbarer Dialog wird, der dann auch ein Ergebnis hat, mit dem die Seiten beide leben können. Danke für das Gespräch!
Feldmann: Das wird es. Vielen herzlichen Dank für Ihr Interesse, auf Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Eine Bewohnerin des Occupy-Camps vor dem Tower der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main. Räumen oder nicht räumen, das ist jetzt die Frage, und die gebe ich natürlich auch weiter an den Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann, der uns jetzt zugeschaltet ist. Schönen guten Morgen, Herr Feldmann!
Peter Feldmann: Ja, guten Morgen!
Timm: Wird das Camp denn heute geräumt?
Feldmann: Das Camp wird heute nicht geräumt, und ich bin mir mit dem Ordnungsdezernenten, Herrn Markus Frank, absolut einig, dass es richtig ist abzuwarten, da ja Klagen angedroht sind, wie die Situation sich dort entwickelt, auch von der rechtlichen Seite, weil es geht weder ihm noch mir – da bin ich voll an seiner Seite – um die Frage jetzt, irgendwelche Grundrechte auszuhebeln. Aber das Wichtige ist eigentlich nicht die Frage, ob geräumt wird oder ob nicht geräumt wird, ob da Zelte sind oder keine Zelte, das Wichtige ist, dass die inhaltliche Diskussion in Frankfurt fortgesetzt werden muss.
Ich bin sehr, sehr froh, dass wir an dem Punkt wieder ein Stück vorangekommen sind dadurch, dass sowohl die Oper, die direkt in Sichtweite des Camps ist, als auch die Universität, der Universitätspräsident, als auch zum Beispiel der Hajo Köhn von Occupy Money sich alle gestern in Gesprächen und am Freitag mit mir bereit erklärt haben, diese Diskussion zu führen über die Rolle – wir sind die Stadt der Banken – über die Banker, über die Notwendigkeit, auch Finanzindustrie, die wir in der Stadt ja sehr stark haben, auseinanderzusetzen. Und das ist eine Diskussion, die nicht nur in Zelten stattfindet, sondern die auch in Banktürmen stattfindet. Daran werden wir uns aktiv beteiligen.
Timm: Das heißt, die akute aktuelle Spannung ist zumindest für heute erst mal raus, und über den inhaltlichen Schwerpunkt, den Sie setzen wollen, wollen wir auch gerne reden. Nun hat sich der Ordnungsdezernent der Stadt Frankfurt im Vorfeld aber relativ scharf geäußert, hat Fristen gestellt. Haben Sie ihn schlicht zurückgepfiffen?
Feldmann: Nein, es ist einfach von der Entwicklung her so, dass er gemeinsam mit mir festgestellt hat, dass wir das Recht der Menschen, natürlich auch gegen eine Maßnahme zu klagen, dass wir das respektieren. Und wir sind uns da vollkommen einig. Also ich denke, dass wir alle in der Stadt ein Interesse haben, die inhaltliche Diskussion in den Vordergrund zu stellen, und ich bin sehr froh, dass eben sowohl von einem großen Teil der Teilnehmer als auch von der Stadtgesellschaft diese Diskussion gewollt wird.
Wir haben Interesse dran, in dieser Stadt voranzukommen in der Frage, welche Rolle die Finanzindustrie spielt, wir haben da kritische Diskussionen in den Banken selber über Transaktionssteuern, über Tobin Tax, über Trennbankensystem, und das ist dieser Stadt auch würdig. Und ich finde das sehr schade, dass in den letzten neun Monaten die Diskussion, sage ich mal, mehr oder weniger entglitten ist in der Frage von Hygiene und ähnlichen Sachen. Das ist ernst zu nehmen, und ich will auch da von diesem Problemen nichts weg reden. Ich sehe die genau so wie auch Teile der Öffentlichkeit, ich bin da auch gegen ein Bild-Zeitungs-Bashing an dem Punkt. Wo es Missstände gibt, da muss man den Finger drauf legen, und da hat die Politik sich auch entsprechend zu verhalten.
Timm: "Als wären keine Zelte eine Lösung", so schrieb gestern die "Frankfurter Rundschau" – und es wäre ja wohl heute zumindest eine Räumung aus Ratlosigkeit. Nun ist die zumindest für heute abgewendet. Nicht räumen könnte ebenfalls auf Ratlosigkeit hindeuten, denn dass es dort schwierig zugeht, ist ja auch unbestritten, jenseits der Bild-Zeitung.
Feldmann: Das stimmt natürlich.
Timm: Was erzählt dieses Camp eigentlich zurzeit über den Kern der Stadt Frankfurt?
Feldmann: Es erzählt vor allem, dass wir diese Konflikte, die wir in dieser Stadt schon – seitdem es sie gibt – weiter haben. Wir sind die Stadt einer sehr frühen Börsengründung. Wir hatten hier schon vor 1200 Jahren eine Messe, Termingeschäfte und so weiter. Das sind für Frankfurter Kinder schon sozusagen Normalitäten, Geldindustrie, Geld machen gehört in die Mitte dieser Diskussion dieser Stadt. Dazu stehe ich auch, und für mich ist das absolut Notwendigkeit, dass das auch wieder entsprechend verortet wird. Die Frage von Zelten ist in der Tat vollkommen nachrangig, da gebe ich dem Kollegen von der Frankfurter Rundschau recht – es geht da drum, diese Diskussion zu führen und ihr Raum zu verschaffen.
Alles andere führt ins Abseits, in die Sackgassen, und deshalb müssen wir jetzt den Raum und den Rahmen schaffen, damit dann, wenn die Zelte irgendwann vielleicht nicht mehr stehen, diese Diskussion fortgesetzt werden kann, und diese Diskussion werde ich dann auch persönlich unterstützen. Und es ist für mich ganz wichtig, dass sie auch in dem inhaltlichen Zentrum der Stadt stattfindet, und dass wir diese Debatten über zelten oder nicht zelten beenden, weil langfristig – das wissen auch die Teilnehmer von Occupy – kann es nicht sein, dass dann irgendwann der Frost über die Frage der inhaltlichen Debatte entscheidet.
Timm: Nun sind die Zelte natürlich ein Symbol für diese Inhalte. Sie stehen nun mal da, sie stehen gegenüber …
Feldmann: Die Banktürme sind das Symbol in Frankfurt!
Timm: Ja, aber gegenüber sind diese Zelte, und Occupy versteht sich ja als Laus im Pelz dieser Banken. Sie, Herr Feldmann, gelten als eher linker SPD-Politiker, sind relativ neu im Amt des Oberbürgermeisters, müssen das jetzt managen, moderieren. Sie waren mal im Camp und haben gleich zu Beginn vor einigen Monaten gesagt, wenn es Occupy nicht gäbe, dann müsste die Bewegung erfunden werden. Darf ich das auch so interpretieren, dass es ganz gut ist, wenn die chicen Banker vom Tower aus auf ein schmuddelig-buntes Zeltlager gucken?
Feldmann: Nein, das war so: Ich war mit einer Gruppe von Investment-Bankern da, und die hatten große Sorgen, dass sie dort auch bis hin zur Körperlichkeit angegangen werden, weil Mitglieder der Linkspartei bei der Demonstration angegangen worden sind und man die rausgeworfen hat an den damaligen Gründungswochenenden. Und es war anders, man hat uns das Mikrofon in die Hand gedrückt und hat uns aufgefordert, mit ihnen zu diskutieren, und das hat mir gut gefallen, und als wir weggegangen sind, haben dann die Banker gesagt, wir diskutieren das Gleiche, und wenn es die nicht gäbe, dann müsste man sie erfinden.
Und dieses Zitat habe ich mir zu eigen gemacht, weil ich es einfach sehr charmant fand, und auch zeigt, dass die Banker, die ja zum Teil auch dann den damaligen Campern die Möglichkeit zum Essen in ihrem Cafeterien und zum Duschen angeboten haben, dass da auch ein ganz dringender Bedarf ist in der gesamten Stadtgesellschaft. Und wenn ich sage, diese Stadt ist eins, dann bezieht das wirklich alle ein, und da geht nicht A gegen B, sondern wir müssen gemeinsam diese Diskussion führen und zu einer Form zurückfinden, wo es nicht um die Frage von Zeltlagern geht, wo diese inhaltliche Debatte im Fokus steht.
Und mein Bedauern ist vor allem, dass durch diese jetzige Diskussion über das Zeltlager die inhaltliche Debatte erdrückt wird. Und auch Ihre Fragen signalisieren mir ja letztendlich, dass es nur noch um die Frage von Räumung, ja oder nein, geht. Ich will diese Diskussion in die zweite Reihe stellen, mir geht es in der ersten Reihe darum, dass wir die inhaltliche Debatte wieder nach vorne bringen, und da hat die ganze Kultur, da hat die Finanzwelt, da haben die Gewerkschaften, die Kirchen, ein Recht dran. Und wir müssen gemeinsam das diskutieren, weil wir leben von den Banken.
Wir werden uns in dieser Frage klar positionieren müssen, auch kommunalpolitisch, weil wir in einem globalen Wettbewerb sind, weil wir uns stellen müssen, und wenn dort diskutiert wird, in dem Zeltlager, über Globalisierung von unten, dann gehört diese Diskussion auch ins Rathaus, aber auch in die Banktürme. Weil diese Stadt ist eins, und das war ihre besondere Qualität, dass soziale Konflikte hier eben in Frankfurt friedlich ausgetragen worden sind, im Gegensatz zu London oder Paris – wir wissen alle, was da in den Vorstädten los ist. Das heißt, wir müssen sehr genau auch achten, wie der soziale Zusammenhalt hier dauerhaft gewährleistet werden kann, deshalb sind Finanzpolitik, Wirtschaftspolitik und Sozialpolitik auch für mich eins.
Timm: Das heißt, Sie hoffen auch, Sie kriegen die erste Reihe beider Seiten, von Occupy und den Bankern, an einen Tisch?
Feldmann: Nein, das ist schon zugesagt. Also ich habe sowohl Zusagen von Investment-Bankern als auch zum Beispiel von dem Herrn Köhn, der für Occupy Money eine sehr gute Rolle hier spielt, auch sehr viel auf beiden Seiten unterwegs ist, und ich bedanke mich ausdrücklich bei denjenigen, die heute schon zugesagt haben. Die Reihe ist fest vereinbart, wir haben einen Träger dafür, und das Ganze geht unmittelbar nach der Sommerpause los, und ich lade Sie heute schon ein, an dieser Diskussion teilzunehmen und da genauso ausführlich darüber zu berichten wie über die Frage, ob es jetzt ein Zeltlager in Frankfurt gibt oder nicht.
Timm: Peter Feldmann, der Oberbürgermeister von Frankfurt. Ich wünsche Ihnen, dass es ein fruchtbarer Dialog wird, der dann auch ein Ergebnis hat, mit dem die Seiten beide leben können. Danke für das Gespräch!
Feldmann: Das wird es. Vielen herzlichen Dank für Ihr Interesse, auf Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.